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Produktdetails
  • Verlag: Campus
  • ISBN-13: 9783593360324
  • ISBN-10: 3593360322
  • Artikelnr.: 10116184
Autorenporträt
Christopher Pleister ist Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Seinen beruflichen Werdegang bei der genossenschaftlichen Bankengruppe begann der promovierte Volkswirt 1977 bei der Landesgenossenschaftsbank AG, Hannover. Von 1990 bis 2000 war er als Mitglied des Vorstands der DG Bank Deutsche Genossenschaftsbank AG verantwortlich für die Bereiche Volkswirtschaft und Firmenkunden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2001

Hilfe zur Selbsthilfe
Zur Zukunftsfähigkeit des deutschen Genossenschaftswesens

Christopher Pleister (Herausgeber): Genossenschaften zwischen Idee und Markt. Campus Verlag, Frankfurt 2001, 284 Seiten, 68 DM.

Jeder vierte Deutsche ist Mitglied einer Genossenschaft. Damit stellen die Genossenschaften - ob gegründet von Steuerberatern und Taxifahrern, Seniorenheimbewohnern, Existenzgründern oder auch Dorfbewohnern, die eine Kläranlage bauen wollen - die mitgliederstärkste Gruppe von Wirtschaftsorganisationen Deutschlands dar. Dreimal so viele Deutsche halten Genossenschaftsanteile wie Aktien. Gleichwohl haben Genossenschaften in weiten Bevölkerungskreisen, nicht nur im Osten, Schwierigkeiten mit ihrem Image.

Daß dieser Dinosaurier-Ruf indes unangemessen negativ ist, zeigt der Band, den Christopher Pleister herausgegeben hat, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Sicher: Branchen wie Wohnen und Konsum, in denen das Genossenschaftswesen zur Zeit seiner Entstehung vor 150 Jahren verankert war, gelten in Deutschland nicht mehr als Versorgungsengpaß und verlieren für eine Organisation an Bedeutung, die sich Grundwerte wie Solidarität, Regionalität, Subsidiarität, Demokratie und Mitgliederorientierung auf die Fahnen geschrieben hat. Doch auf der anderen Seite sind die Volks- und Raiffeisenbanken ein wichtiger Pfeiler der deutschen Kreditwirtschaft.

In Aufsätzen, Interviews und Reportagen setzen sich Wissenschaftler, Managementberater und Repräsentanten des Genossenschaftswesens mit diesem Spannungsfeld auseinander - darunter der Management-Spezialist und frühere Politiker Ulrich Steger, der Philosoph, Psychotherapeut und Unternehmensberater Rupert Lay sowie der Theologe und Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach. Sie erörtern, ob Tatsachen und Trends wie Globalisierung und Technisierung, Grenzen des Sozialstaates und Wertewandel der Genossenschaftsidee neue Impulse verleihen. Sie vermitteln einen lebendigen Einblick in die Vielfalt des deutschen Genossenschaftswesens und klopfen die genossenschaftlichen Prinzipien auf ihre Zukunftsfähigkeit ab.

So ist fraglich, ob in Zeiten der Globalisierung die Wiederentdeckung der Heimat mit ihren angeblich unverwechselbaren Produkten tatsächlich mehr ist als eine Korrektur des Trends der Vereinheitlichung - und ob sich insofern in Zukunft größere Chancen für Genossenschaften ergeben, wie Michael Heise vermutet, Chefvolkswirt der DG Bank. Schon eher besticht, wenn Theresia Theurl, Leiterin des Münsteraner Instituts für Genossenschaftswesen, die Genossenschaft als flexibles strategisches Netzwerk begreift, in dem die Mitglieder zwischen verordneter Hierarchie und freien Marktbeziehungen den an Bedeutung zunehmenden Produktionsfaktor Wissen bündeln und in dem standardisierbare Leistungen für alle nur einmal erbracht werden.

Das stärkste Argument für die Zukunftsfähigkeit des Genossenschaftswesens ist die Grenze des Wachstums, an die der Sozialstaat gelangt ist. Zweifellos ist es für den einzelnen Bürger leichter, selbst Verantwortung in seiner unmittelbaren Umgebung zu übernehmen, wenn es schon eine auf Eigeninitiative basierende Kooperation gibt, die ihren Mitgliedern Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. In diesem Sinne ebnet eine Genossenschaft den Weg zu echtem Unternehmertum und befreit aus der Sackgasse der staatlichen Bevormundung.

Die Bereitschaft der Menschen, sich dauerhaft zum Beispiel in einem Verein zu organisieren, nimmt derzeit ab. Wie der Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz feststellt, stellt dies eine der größten Herausforderungen für das Genossenschaftswesen dar. Denn eines seiner entscheidenden Prinzipien ist die Orientierung an den Mitgliedern, für die es einen Wert schaffen soll. Es gibt keine Genossenschaft ohne Idee - und ohne sich der Idee verpflichtet fühlende Mitglieder. Der Zweck, Gewinn zu erzielen, muß vor der Idee zurückstehen.

Eine andere Herausforderung ist indes der Markt, auf dem sich Genossenschaften mit ihrer Idee behaupten müssen. So ist, wie der Herausgeber in seiner Einführung auch klarstellt, der Titel des Buches nicht etwa als Gegensatz zu verstehen: Vielmehr ist die Idee die Voraussetzung für den Erfolg auf dem Markt.

HANNO MUSSLER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz zu Unrecht, hat Hanno Mussler nach der Lektüre dieses Sammelbandes über Sinn und Chancen von Genossenschaften erkannt, stehen Genossenschaften in dem negativen Ruf, ein unbeweglicher und veralteter Dinosaurier zu sein. Immerhin, weiß der Rezensent, ist jeder vierte Deutsche Mitglied einer Genossenschaft, stellen Genossenschaften damit die mitgliederstärkste Gruppe von Wirtschaftsorganisationen dar und sind die Volks- und Raiffeisenbanken ein wichtiger Pfeiler der deutschen Kreditwirtschaft. Die Aufsätze, Interviews und Reportagen von Wissenschaftlern, Managementberatern und Repräsentanten des Genossenschaftswesens geben einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion über Genossenschaften im Spannungsfeld zwischen Markt und Idee, Globalisierung und der Orientierung an vertrauten und althergebrachten Werten, lobt Mussler.

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