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Journalistisch erzählte Spurensuche mit historischen Skizzen, Porträts, Interviews und Reportagen.
Die minutiös recherchierte und spannend erzählte Darstellung einer der gefährlichsten kriminellen Organisationen der Welt.

Produktbeschreibung
Journalistisch erzählte Spurensuche mit historischen Skizzen, Porträts, Interviews und Reportagen.
Die minutiös recherchierte und spannend erzählte Darstellung einer der gefährlichsten kriminellen Organisationen der Welt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Die Spur der Wäsche
Wo bleibt der letzte Akt? Henning Klüver reist ins Land der Cosa nostra / Von Andreas Rossmann

Wer im Jahr 2007 ein Buch über die Mafia veröffentlicht und es "Der Pate" nennt, scheint mehr auf Dichtung als auf Wahrheit aus zu sein. Denn dieser Titel ist prominent besetzt: Das 1969 erschienene Familienepos "Der Pate" von Mario Puzo ist der internationale Bestseller über die größte Verbrecherorganisation der Welt und dürfte, mythenbildend und mit Marlon Brando verfilmt, für die meisten seiner Leser auch schon alles sein, was sie über die Mafia wissen. Henning Klüver hängt, als würde er zum dramatischen Finale das Genre wechseln, noch einen "letzten Akt" an, um erst im Untertitel auf die journalistische Ebene hinabzusteigen, auf der er sich dem Thema nähert: "Eine Reise ins Land der Cosa nostra." Denn es ist ein realer und bestimmter Pate, den Klüver ins Visier nimmt: Bernardo Provenzano wurde, nach dreiundvierzig Jahren im Untergrund, am 11. April 2006 in einem Feldhaus nahe seiner Heimatstadt Corleone aufgespürt. Dass sich für den 1933 geborenen Boss der Bosse, der seitdem in Terni im Gefängnis sitzt, der Vorhang seiner beispiellosen Verbrecherkarriere geschlossen hat, ist unwiderruflich. Ob der Padrino der Corleonesen, der die Repräsentanten des Staates aus der Schusslinie nahm und diese "Pax mafiosa" mit einer Strategie der chamäleonartigen Anpassung und gesellschaftlichen Unterwanderung verknüpfte, auch der letzte Pate war und dies womöglich das Ende der Organisation bedeutet, ist die Frage, die Klüver zum Leitmotiv erhebt.

Der Autor ist Journalist und kein Historiker, und darin liegen Stärken und Schwächen seines Buches begründet: Als Reportagen geschrieben, verdichten sich die Kapitel nicht zu einer tiefenscharfen Diagnose. In der Reihung häufen sich die Redundanzen, und dass die Unterschriften der Fotos von Giovanni Falcone und dem "Boss der Bauernbande: Luciano Liggio" vertauscht wurden, ist mehr als peinlich. Die Verhaftung von Provenzano wurde schon mehrfach erzählt, doch wie Klüver der "Spur der Wäsche", die zu dem Versteck führte, nachgeht, liest sich in seiner Schilderung, als wäre er neben Commissario Cortese im Zivilfahrzeug der Kriminalpolizei gesessen, das spannendste Kapitel des Buches. Die Geschichte der "ehrenwerten Gesellschaft", von ihren Wurzeln in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bis zum ersten Mafiakrieg Ende der sechziger Jahre, wird nur skizziert und mutet fast wie ein Abriss von John Dickies profunder Studie "Cosa nostra" (Frankfurt a. M., 2006) an.

Die biographische Fokussierung auf Provenzano, sein Werdegang vom Bauernsohn ohne Schulabschluss zum mächtigen Paten, bringt eine verkürzende Personalisierung mit sich, erhebt die Figur aber auch zur Allegorie: Die Karriere vom brutalen Killer zum Auftraggeber, der mit einer Zettelwirtschaft verschlüsselter Geheimschriften seine Anweisungen gibt, spiegelt Tendenzen in der Entwicklung der sizilianischen Mafia insgesamt. Die Anschläge auf Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 erzwangen eine Neuorientierung, mit der sich die Organisation, auch angesichts des schwindenden Konsenses in der Bevölkerung, auf den langen Marsch durch die Institutionen begab und sie infiltriert.

Klüver, der die italienische Berichterstattung aufmerksam verfolgt und in Palermo und Umgebung recherchiert hat, schreibt farbig und gibt einen informativen Überblick: Die "Familienbildung" in Aufbau und Struktur der Cosa nostra wird aufgezeigt, deren Geschäfte von der Ribordo-Technik, in der Güter gestohlen und gegen Bezahlung wiederbeschafft werden, über Wucherzins und Subventionsbetrug bis zur Schutzgelderpressung beschrieben. Verflechtungen mit der Politik und die Bedeutung der Mafia für Giulio Andreotti wie für Silvio Berlusconi und die Gründung der "Forza Italia" beleuchtet, die Rolle der Polizei und Justiz zwischen Nachlässigkeit und Überforderung, Intrigen und Effizienz herausgearbeitet, Rivalitäten und Richtungskämpfe innerhalb der Clans erörtert, der Wert der Kronzeugen und die europäische Dimension erkundet, Ansätze und Aktivitäten der Antimafia-Bewegung resümiert.

Doch dem Versuch, das Wesen der Mafia zu begreifen, fehlt eine entscheidende Dimension. Geld- und Machtgier, die hohe Arbeitslosigkeit auf Sizilien, die Verführbarkeit durch Gefälligkeiten, die in eine Abhängigkeit hineinrutschen lassen, und die Traditionen einer verschlossenen Gesellschaft, die am Ehrenkodex der omertà (Schweigepflicht) festhält und Italien als Besatzungsmacht ansieht, mögen Fortbestand und Prosperieren der Mafia begünstigen, als Interpretationsmuster greifen sie zu kurz. Der Palermitaner Untersuchungsrichter Roberto Scarpinato, der als einer der besten Kenner der Cosa nostra gilt und bei Klüver erstaunlicherweise nicht vorkommt, hat mehrfach - und auf Deutsch an etwas entlegener Stelle, im Vorwort zu den Mafia-Reportagen "Jetzt gehörst du nicht mehr dieser Welt" von Carmen Butta (Stuttgart, 1999) - auf die psychosoziale Dynamik und den anderen kulturellen Kodex dieser Parallelgesellschaft hingewiesen.

Darauf aufmerksam geworden ist Scarpinato in Gesprächen mit Mafiosi, gerade auch am Rande der Gerichtsverhandlungen, durch den immer wieder gebrauchten Ausdruck "Nessuno mescolato al niente", der in seiner doppelten Verneinung für den sizilianischen Dialekt typisch ist: Ein "Niemand gemischt mit dem Nichts", seien sie davor gewesen, haben ihm "Ehrenmänner" gestanden und damit zu verstehen gegeben, dass die Mafia ihr Bedürfnis nach Identität gestillt und die Zugehörigkeit zu einer auserwählten Gesellschaft vermittelt hat. Das Bewusstsein, einer anderen, besseren Ordnung anzugehören, lässt sie alle außerhalb ihres Systems umso rücksichtsloser geringschätzen: "Der Mord an einer ,Nicht-Person' kann keine Schuld erzeugen." Nur diese Ideologie kann die bestialische Gewaltbereitschaft der Mafia erklären, die sich in der Verbindung von Herrenmenschentum und totalitärer Institution mit dem Nazismus und dem islamischen Fundamentalismus wie auch bestimmten Sekten berührt.

Die Morde von Duisburg haben schockartig vor Augen geführt, dass die Blutbäder der Mafia auch das Ristorante an der Ecke treffen können. Jeder, der dort isst, finanziert die Organisation womöglich mit. Doch wer den Padrone fragt, ob er je Probleme mit Schutzgeld hatte, wird meist zu hören bekommen: "Nein, zum Glück nie, doch bevor ich mich mit solchen Leuten einlasse, mach' ich mein Lokal lieber zu." Nicht erst aus Roberto Savianos "Gomorra" wissen wir, dass das organisierte Verbrechen nach dem Fall der Mauer auch in Deutschland Fuß gefasst hat. So besteht eine große Grauzone, in der die Mafia unsichtbar ist. Ihr effektiv entgegentreten und sie ihrer falschen Faszination entkleiden lässt sich nur, wenn sie analysiert ist. Klüvers Buch nimmt einen Anlauf dazu, der nicht bis zum "letzten Akt" vordringt.

Henning Klüver: "Der Pate - Letzter Akt". Eine Reise ins Land der Cosa nostra. C. Bertelsmann Verlag, München 2007. 288 S., 24 Seiten farbiger Bildteil, 2 Karten, geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2007

Neues vom Paten
Von SZ-Autoren: Henning Klüver im Land der Cosa Nostra
Die sizilianische Mafia, die älteste und vermutlich größte Verbrecherorganisation der Welt, ist eng mit dem Alltagsleben verbunden. Es war Bernardo Provenzano, der als „Padrino” die Cosa Nostra nach den Jahren der Attentate und Bombenanschläge, die scharfe Reaktionen der Staatsmacht auslösten, wieder aus den Schlagzeilen führte. Er errichtete eine „Pax mafiosa” und schuf so die Grundlagen für die stille Herrschaft der Cosa Nostra über weite Teile der Gesellschaft. Längst tragen die Mafiosi weiße Kragen und üben als Mediziner, Finanzberater oder Rechtsanwälte „ehrenwerte” Berufe aus. Im Frühjahr 2006 konnte der Boss der Bosse, der 43 Jahre lang im Untergrund gelebt hatte, festgenommen werden. Was bedeutet das für die ehrenwerte Gesellschaft, bricht sie auseinander oder sucht sie eine neue Gewaltstrategie? Henning Klüver, SZ-Kulturkorrespondent in Italien, ist ins Land der Cosa Nostra gereist, hat mit Richtern und Polizisten gesprochen, mit Politikern und Aktivisten der Antimafia. Er zeichnet in spannenden Kapiteln ein differenziertes Bild von der sizilianischen Gesellschaft, die sich schwertut, sich von einem Übel zu befreien, das seine Arme längst über die Grenzen Italiens ausgestreckt hat. SZ
HENNING KLÜVER: Der Pate – letzter Akt. Eine Reise ins Land der Cosa Nostra. Verlag C. Bertelsmann, München 2007. 288 Seiten, 16,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hennig Klüvers Buch über die sizilianische Mafia scheint Andreas Rossmann durchaus erhellend, auch wenn er einiges zu kritisieren hat. Dass der Autor Journalist und nicht Historiker ist, macht seines Erachtens Stärken wie Schwächen des Buchs erklärlich. Die Reportagen verdichten sich zu seinem Bedauern nicht zu "tiefenscharfen Diagnosen". Dafür findet er sie, von gelegentlichen redundanten Passagen abgesehen, anschaulich und fesselnd geschrieben. Er hat eine Menge erfahren über die Familienbildung der Mafia, ihre Geschäfte, die Verbindungen zur Politik, die Rolle von Polizei und Justiz, die Bedeutung von Kronzeugen und die Antimafia-Kampagnen. Die Geschichte der Mafia seit dem 19. Jahrhundert bleibt in seinen Augen dagegen eher skizzenhaft. Klüvers Focus auf die Biografie des womöglich letzten Paten, den 2006 verhafteten Bernardo Provenzano, führt seines Erachtens zu einer "verkürzenden Personalisierung". Bei Klüvers Versuch, das Wesen der Mafia zu ergründen, vermisst Rossmann die Einbeziehung der psychosozialen Dynamik und des kulturellen Kodex dieser Organisation. Insgesamt viel Positives wie Negatives also. Zum "letzten Akt", wie es im Titel des Buchs heißt, ist Klüvers Analyse der Mafia nach dem strengen Urteil des Rezensenten indes nicht vorgedrungen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Klüver, der die italienische Berichterstattung aufmerksam verfolgt und in Palermo und Umgebung recherchiert hat, schreibt farbig und gibt einen informativen Überblick." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)