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Ann Holmes ist sechzehn und mit den dunklen Seiten des Lebens bestens vertraut. Ausgerechnet dieser psychisch labilen Außenseiterin erscheint in einer gottverlassenen Gegend der USA die Jungfrau Maria. Die verwahrloste Ausreißerin, die vom Pilzesammeln lebt, fühlt sich berufen, die Botschaft der Mutter Gottes weiterzugeben. Zunächst sind es nur vier verlorene Seelen, die Ann Holmes in den Wald folgen: ein desillusionierter Alt-Hippie, eine alkoholkranke Barfrau, eine eifernde Katholikin und die Mutter eines vermissten Mädchens. Doch schon bald löst Ann unter den resignierten Bewohnern der…mehr

Produktbeschreibung
Ann Holmes ist sechzehn und mit den dunklen Seiten des Lebens bestens vertraut. Ausgerechnet dieser psychisch labilen Außenseiterin erscheint in einer gottverlassenen Gegend der USA die Jungfrau Maria. Die verwahrloste Ausreißerin, die vom Pilzesammeln lebt, fühlt sich berufen, die Botschaft der Mutter Gottes weiterzugeben. Zunächst sind es nur vier verlorene Seelen, die Ann Holmes in den Wald folgen: ein desillusionierter Alt-Hippie, eine alkoholkranke Barfrau, eine eifernde Katholikin und die Mutter eines vermissten Mädchens. Doch schon bald löst Ann unter den resignierten Bewohnern der trostlosen Provinz im Nordwesten Amerikas eine Massenpsychose aus.

Ein Priester gerät dabei in Seelennöte. Ein ehemaliger Holzfäller will die Heilung seines gelähmten Sohnes sogar erzwingen. Auf der Suche nach Heil, Erlösung oder schnellem Geld hofft jeder auf ein Wunder für sich selbst. Ann Holmes wandelt sich von der verstockten Außenseiterin der Gesellschaft zur glühenden Jeanne d'Arc der Menschen, die vom Schicksal schmählich vergessen wurden.

David Guterson ist mit diesem psychologisch dichten Roman ein Meisterwerk voller Leuchtkraft gelungen. In einer beklemmend schönen, poetischen Sprache erzählt er von der tiefen Sehnsucht eines jeden, in seinem Leben Sinn zu finden.
Autorenporträt
David Guterson wurde 1956 in Seattle geboren. Er wuchs dort auf und studierte American Literature an der University of Washington. 1984 entfloh Guterson der Hektik der Großstadt auf eine kleine Insel im Puget Sound und lebt seitdem mit seiner Frau Robin und seinen vier Kindern auf Bainbridge Island, wenige Meilen von Seattle entfernt. Zehn Jahre lang arbeitete Guterson als Lehrer für Geographie und Englisch an der örtlichen Bainbridge High School. Neben Romanen veröffentlichte er Erzählungen und Artikel in diversen Magazinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.2004

Ganze Tage in den Bäumen
Schicke Pilgerinnen: David Guterson hat eine Marienerscheinung

Die besten Zeiten von North Fork, schreibt David Guterson, "waren längst vorbei, eher näherte man sich den schlechtesten Zeiten. Niemand wußte, wie es weitergehen sollte, die Ära der Holzwirtschaft war vorbei und nur noch ein Kapitel der Geschichte, an das ein Museum erinnerte. Manche Familien zogen fort, wo immer die Hoffnung auf Arbeit sie hinlockte. Sie verkauften ihre Häuser mit Verlust oder gaben sie an die Banken zurück. Einige der ehemaligen Holzfäller wurden Angelführer und arbeiteten in Treibbooten auf dem Fluß, wo sie um vier Uhr morgens Verpflegungspakete zusammenstellten. Andere, die oben in den Hügeln oder an den Fahrwegen der alten Rodungen lebten, fingen an, in Gruben unter ihren Wohntrailern Marihuana anzubauen."

Bei David Guterson wachsen die Geschichten aus der Landschaft. Die Insel im Puget Sound bei Seattle, auf der sein erster Roman "Schnee, der auf Zedern fällt" spielte, war ein Einwanderergebiet. Das Holzfällerstädtchen North Fork einige Dutzend Meilen weiter südlich im Staate Washington, um das sein neues Buch kreist, ist ein Ort zum Auswandern, eine zukünftige Geisterstadt. Die großen Holzfirmen, deren Rodungstrupps hier zum Ende der achtziger Jahre den Wald fraßen, haben sich aus der Gegend zurückgezogen und den bescheidenen Wohlstand, den sie ihr verschafften, mitgenommen. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, wird North Fork in absehbarer Zeit nur noch der Name einer Straßenkreuzung mit einer Tankstelle und einem Minimart sein, ein Stück verlorene Heimat im Nirgendwo der pazifischen Wälder.

Aber dann geschieht doch etwas, und von diesem Ereignis und dem, was es auslöst, handelt Gutersons Roman. Ein sechzehnjähriges Mädchen, Ann Holmes aus Oregon, eine Streunerin, die im Unterholz Pilze sammelt, "magic mushrooms" mit halluzinogener Wirkung, hat eine Marienerscheinung. "Sie bürstete gerade den Dreck von den Lamellen eines Pilzes, als ihr ein merkwürdiges Licht im Wald auffiel. Später sollte sie es als Lichtkugel beschreiben, die geräuschlos zwischen zwei Bäumen schwirrte, oder als helles, schwebendes Rad von der Größe eines Basketballs . . . Sie hockte sich hinter einen Baumstamm, zog ihren Rosenkranz heraus, bekreuzigte sich und sprach leise das Apostolische Glaubensbekenntnis."

Was Ann, die von zu Hause ausgerissen ist, um der sexuellen Nötigung durch ihren Stiefvater zu entkommen, wirklich im Wald gesehen hat, wird bei Guterson nie ganz klar. Es erscheint immer nur gebrochen und gedämpft durch das Zeitwort "später" und durch die Hoffnungen und Zweifel der Menschen, mit denen das Mädchen über seine Vision spricht. Aber gerade auf diese Weise, im Reden, im Erzählen, wird die Erscheinung erst real, bekommt sie Farbe und Form, entfaltet sie eine Wirkung, von der sich Ann zunächst nichts träumen läßt. Die erste Person, der sie ihr Geheimnis verrät, ist ihre Freundin Carolyn, eine Studienabbrecherin und Hippiefrau, die unter ihrem unansehnlichen Äußeren leidet und die schlanke, kränkliche Ann heimlich beneidet. Carolyn hält die Marienerscheinung für eine Halluzination. Dennoch sorgt sie dafür, daß Anns Erlebnis in North Fork die Runde macht, und als immer mehr Gläubige von weit her angereist kommen, um die junge Seherin zu bestaunen, macht sie sich zu Anns Managerin. Sie schützt das Mädchen, aber sie beutet es auch aus für ihre ganz privaten, unheiligen Zwecke.

Carolyn ist die erste der drei in sich gebrochenen, zwischen ihrem Gewissen und ihrem Verlangen zerrissenen Antiheldenfiguren, die Guterson wie in der Stiftergruppe eines Altarbilds um die Lichtgestalt Anns herum gruppiert. Die zweite ist der junge Pfarrer von North Fork, den das Mädchen aufsucht, weil es im Wald eine Wallfahrtskirche errichten will. Pfarrer Collins begehrt Ann ebensosehr, wie er an ihrer Vision zweifelt. Der Wohntrailer, in dem er haust, spricht Bände: über das Vage und Vorläufige seiner Existenz wie über die Untiefen seines Glaubens. Collins hat sich vom Zufall nach North Fork treiben lassen, so wie er sich von Ann ins Walddickicht treiben läßt - ein Weichei im Priesterrock, einer jener Charaktere, die in Hollywoodfilmen immer den kürzeren ziehen. Hier ist es anders, hier wird der Pfarrer am Ende ein neues Gotteshaus einweihen, ein strahlendes Symbol der aus ihrer Agonie wiedererweckten Stadt. Ein Happy-End? Eher eine Art Epilog nach der Tragödie, auf die Gutersons Roman unausweichlich zuläuft.

Denn Ann Holmes ist bei der Einweihung nicht mehr dabei, und die Schuld an ihrem Fehlen trägt vor allem Tom Cross. Cross, dessen Name das Programm seines Autors enthält, ist das schwarze Schaf von Collins' Gemeinde: ein ehemaliger Holzfäller, der sich als Aufseher im Zuchthaus und Hausmeister in einem Motel durchschlägt, ein geschiedener Familienvater, der seine Nächte mit Kellnerinnen verbringt und dessen Sohn nach einem Unfall beim Bäumefällen im Rollstuhl sitzt. So wie Ishmael Chambers in "Schnee, der auf Zedern fällt" für die Insel San Piedro stand, steht Tom Cross für das Städtchen North Fork und die Region, in der es liegt. Und so, wie in dem früheren Roman alle perspektivischen Linien auf Chambers zuliefen, müßte die Erzählung diesmal auf Cross zulaufen. Aber sie tut es nicht, und darin liegt die entscheidende Schwäche dieses Buchs.

Denn Tom Cross hat alles, was man von einem Guterson-Helden verlangen kann, den Trotz, die Melancholie, das Verwachsensein mit der Landschaft; aber sein Autor vertraut ihm nicht. Er hat eine zentrale Idee - die Marienerscheinung - und eine Zentralfigur, doch er bringt beides nicht zusammen. So muß er seinen Stoff multiperspektivisch auflösen, muß mal die Geschichte des Pfarrers, mal die der Streunerin und ihrer Freundin und mal die des Holzarbeiters erzählen, ohne daß der Roman in einer dieser Gestalten zur Ruhe käme, zu einem eigenen Ton und einem Blick, vor dem sich das Gewirr der Begebenheiten ordnen könnte. Statt dessen springt "Unsere Liebe Frau vom Wald" wie ein Episodenfilm von einem Schauplatz zum anderen, ohne daß aus den vielen Splittern wirklich ein Gesamtbild entstünde, in dem die vier Protagonisten ihren Platz fänden. Wenn Tom Cross beim Anblick der Marienpilger auf dem Campingplatz von North Fork an ein Gemälde aus dem amerikanischen Bürgerkrieg denkt, das er einmal im "History Channel" gesehen hat - "ein gewaltiges Heer, das nicht wußte, was es von der Nacht halten sollte, und auf den nächsten Morgen wartete" -, dann steckt darin auch eine Wahrheit über Gutersons Roman. Wo "Schnee, der auf Zedern fällt" in jedem Satz eine sinnliche Konkretheit besaß, die auf die Erfahrungswelt des Autors zurückging, da besteht das neue Buch allzuoft aus Angelesenem, Ausgedachtem. Kann schon sein, daß drei Pilgerinnen im pazifischen Regenwald über ein Lied von Paul Simon ("Kodachrome") diskutieren, wie Guterson schreibt, oder daß die grüblerische Carolyn beim Anblick des Marienrummels an holländische Meister ("Hieronymus Bosch auf Budweiser") denken muß. Aber ganz glaubhaft ist es nicht, dazu klingt es zu schick.

David Guterson bleibt dennoch ein interessanter Autor, schon deshalb, weil er nicht wie seine Generationsgenossen von der amerikanischen Ostküste dem Phantom der "Great American Novel" hinterherjagt. Seine Prosa, wo sie gut ist, protzt nicht, sondern klammert sich mit Widerhaken an die Wirklichkeit. Von dem Nieselregen, der wie eine göttliche Heimsuchung über North Fork hängt und jede Wendung der Story imprägniert, heißt es einmal lapidar: "Es gab kein passendes Scheibenwischertempo für diese Art Feuchtigkeit." Diese lakonische Genauigkeit findet man noch immer bei Guterson, auch in diesem Buch.

David Guterson: "Unsere Liebe Frau vom Wald". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anne Rademacher. Bertelsmann Verlag, München 2004. 448 S., geb., 22,90 [Euro].

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"Gutersons bestes Buch."
(Chicago Sun-Times)

"Guterson ist ein wunderbarer Erzähler: Seine Naturbeschreibungen sind von magischer Sinnlichkeit."
(Brigitte)

"In wenigen Sätzen porträtiert Guterson meisterhaft die einzelnen Charaktere - ihre Schicksale, Ängste und Hoffnungen."
(New York Times Book Review)

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eine gute Idee, die teilweise jedoch mangelhaft umgesetzt ist, meint Ulrich Baron zum neuen Roman von David Guterson. Die Geschichte, die von der Hysterie um eine Marienerscheinung erzählt, sei ein "sehr apartes Gegenstück zum Angriff islamistischer Fundamentalisten auf die USA". Leider gibt es irgendwann eine "chaotische Komplexität" des Geschehens, der bedauerlicherweise nicht einmal mehr der Autor Herr werde. Es hätte eines "festeren erzählerischen Rahmens" bedurft, um zu verhindern, dass einige Handlungsstränge derart im Sande verlaufen, wie sie es tun, meint Ulrich Baron, was seine Freude an dem charmanten Aspekt der Idee im Endeffekt doch ein wenig schmälert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Leicht und zugleich spannend zu lesen. Gutersons humorvolle Herangehensweise wird Sie mitreißen und begeistern." (Cosmopolitan)