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Das Kino ist die Kunst des industriellen Zeitalters. Ein enormer Aufwand an Technik, Kapital und Logistik ist nötig, bis die Träume des Publikums über die Leinwand schweben. Mit dem Siegeszug des Kinos hat sich nicht nur ein neues Medium durchgesetzt, auch unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit hat sich verändert. Kreimeier erzählt die heroischen frühen Jahre des Kinos: von den Wanderkinos auf den Jahrmärkten bis zu den Kinopalästen in den Metropolen, von den ersten cineastischen Experimenten bis zu den abendfüllenden Epen der Stummfilmzeit.

Produktbeschreibung
Das Kino ist die Kunst des industriellen Zeitalters. Ein enormer Aufwand an Technik, Kapital und Logistik ist nötig, bis die Träume des Publikums über die Leinwand schweben. Mit dem Siegeszug des Kinos hat sich nicht nur ein neues Medium durchgesetzt, auch unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit hat sich verändert. Kreimeier erzählt die heroischen frühen Jahre des Kinos: von den Wanderkinos auf den Jahrmärkten bis zu den Kinopalästen in den Metropolen, von den ersten cineastischen Experimenten bis zu den abendfüllenden Epen der Stummfilmzeit.
Autorenporträt
Klaus Kreimeier, geboren 1938, war bis 2004 Professor für Medienwissenschaft an der Universität Siegen. Die UFA-Story. Geschichte eines Filmkonzerns ist 1992 bei Hanser erschienen und gilt bis heute international als Standardwerk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2011

Früher war die Kamera ein Maschinengewehr

Als die Bilder sich ihre Zuschauer erfanden: Klaus Kreimeiers analytische Reise in die Pionierjahre des Kinos ist nicht nur für Experten ein Leseerlebnis.

Im Jahr 1910 machte der österreichische Schriftsteller Berthold Viertel eine bemerkenswerte Beobachtung mit zwei Körpern zweier Kaiser. Wilhelm II. ist zu Besuch in Österreich, gemeinsam mit Franz Joseph I. lässt er sich einen Film vorführen, der ebenjenen Staatsbesuch dokumentiert, auf dem er sich gerade befindet. "Sie sahen dort sich selber zu", notiert Viertel. "Sie sahen ein getreues Abbild ihrer selbst, welches zu sprechen, zu grüßen oder zu lachen schien. Und das Publikum im Bilde applaudierte. Und das Publikum im Zuschauerraum applaudierte auch. Und die Monarchen im Bilde dankten. Und die wirklichen Monarchen dankten in der Wirklichkeit. Aber plötzlich riss ein Film, und es ward dunkel." Dem Autor, der sich diese Szene genaugenommen nur ausgedacht hat, läuft es dabei nichtsdestoweniger "kalt über den Rücken. Wie? Ging dieser Riss auch durch die Wirklichen? Und mit Entsetzen fragte ich mich: Ja, wer ist denn hier der Wirkliche?"

Was Viertel hier beschreibt, fasst er selbst gleich in Begriffe: Mit der Erfindung des Kinos entsteht ein "furchtbares Doppelgängertum der Repräsentation". Das frühe Kino gab sich in dieser Episode gleich einmal epochal zu erkennen - als Repräsentationsmedium, das sich gegebenenfalls der Repräsentation bemächtigt oder aber: das diese in die Unverfügbarkeit technischer Abläufe stellt. Den Riss, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die beiden zentraleuropäischen Monarchien ging, hat wohl nicht nur Berthold Viertel bemerkt. Aber er fand dafür ein brillantes Bild, das nach vorne weist - in unsere eigene Gegenwart, in der die Bildpolitiken der Macht keineswegs so viel raffinierter sind als vor hundert Jahren.

Für den Medienwissenschaftler und Filmhistoriker Klaus Kreimeier, der in seinem neuen Buch aus dem digitalen Zeitalter auf die Werdejahre der Laufbilder zurückblickt, ist der satirische Text von Berthold Viertel ein perfektes Beispiel für die neuen Erfahrungen, die mit der Erfindung des Films im späten 19. Jahrhundert auf die Menschen zukamen. Was für die Kaiser galt, galt gleichermaßen für jeden durchschnittlichen Besucher einer Vorführung in einem Nickelodeon oder einem Varieté: Wo immer ein Film eingelegt und projiziert wird, "drängt ihm das Kino ein größeres Lebensstück auf, als ihm das Leben zuführen würde". (Victor Klemperer im Jahr 1912.)

In diesem Befund einer Intensivierung durch Technik klingt schon an, vor welcher Aufgabe ein Buch wie das von Kreimeier steht. Denn das frühe Kino als eines der Parademedien der Moderne ist inzwischen von einer formidablen Mythologie der Modernität umstellt: Schock (in allen Schreibweisen), Nervosität, Massenkonsum, Sensation, "ein Durcheinander der Körper und Sinne" (Thomas Elsaesser) sind geläufige Topoi der Überlieferung der ersten Jahrzehnte des Films. Vielfach sind die feuilletonistischen Beobachtungen der Zeitgenossen zu Schlagwörtern der Geschichtsschreibung geworden, und die Filmwissenschaft hatte in der jüngeren Zeit gut damit zu tun, dagegen die Kärrnerarbeit der detaillierten Untersuchung von Filmen einerseits vor der Ausprägung eines erzählerischen Grundtypus, andererseits der sozialen und technischen Entwicklung des neuen Massenmediums zu setzen.

Kreimeier baut auf diesen Forschungen auf, versucht aber gleichzeitig, dahinter noch einmal das Terrain der früheren Rezeption zurückzugewinnen - einen Blick, der die Differenzierungen der "New Film History" mit den Generalisierungen der ersten Zeugen (und Kunden) des kinematographischen Apparats zu verbinden versucht. Ihm kommen dabei zwei Umstände zugute. Erstens ist Kreimeier besser als viele Kollegen mit den literarischen Zeugnissen vertraut, wie sich schon in seiner "Ufa-Story" (1992) erwies, für die er den Tagebuchschreiber Harry Graf Kessler lange vor dessen breiterer Wiederentdeckung als exemplarischen Zeitgenossen nahm. Zweitens sind in den letzten Jahren zahlreiche Editionen mit Filmmaterial aus den Jahren vor 1920 erschienen, die einer Kulturgeschichte des frühen Kinos eine ganz neue Materialgrundlage geben.

Wer ein wenig mit den einschlägigen Veröffentlichungen vom Edison-Archiv bis zu den erotischen Saturn-Filmen aus Wien vertraut ist, wird in "Traum und Exzess" die entsprechenden Spuren durchaus deutlich ausnehmen können. Und damit ist ein weiterer springender Punkt dieses Buchs benannt. Klaus Kreimeier versucht sich nämlich an einer Dekonstruktion eines der populärsten theoretischen Motive, die zum frühen Kino im Umlauf sind: Er möchte das, was Tom Gunning als ein "cinema of attractions" einem "Kino der narrativen Integration" gegenübergestellt und vielfach auch vorausgesetzt hat, am Material selbst erproben.

Kreimeier hat sich für sein Buch sehr viele Filme angesehen und dazu Notizen gemacht, die einen wesentlichen Teil der Darstellung ausmachen. Dies alles mit der Hypothese vor Augen, "dass sich bereits im einzelnen bewegten Bild embryonal das Geschichtenerzählen versteckt". Vorbehaltlich der Schwierigkeit, genauer auszumachen, was das "einzelne bewegte Bild" hier meint (den Filmkader oder doch eher die Einstellung?), wird er für diese Behauptung kaum großen Widerspruch erfahren. Aber an die Kollegen ist "Traum und Exzess" wohl gar nicht gerichtet.

Dies ist ein Buch für die gebildeten Stände, für die es bisher keine Darstellung gibt, die von den Brüdern Lumière bis Asta Nielsen, von den ersten Tonexperimenten mit synchronisierten Grammophonen bis zu Oskar Messters "Maschinengewehr-Kamera" reicht und die mit Filmen so operiert, wie die Literaturgeschichte mit Texten: als primäres Material, das in den Mittelpunkt zu stellen nicht die geringste Leistung von Kreimeier ist. Er weckt Interesse für die Produkte jener Pioniere, die vielfach noch Künstler, Ingenieure, Entertainer in einer Person waren und deren Beiträge im breiteren kulturhistorischen Bewusstsein einer Amnesie unterliegen, aus der sie hier hervorgeholt werden.

Mit dem neuen Buch kommt die Ära vor "Caligari" zum Vorschein. Dies vor allem ist das Verdienst dieses Buchs, das bei eingehenderer Lektüre dann allerdings doch sehr häufig den Rekurs auf die ihm vorausgehenden Fachdebatten unausweichlich macht. Denn die "Auswirkungen des Kinos auf den physio-psychischen Habitus des Menschen" verlangen im Detail nach einer genaueren Beschreibung, als sie hier zu leisten ist.

Kreimeier ist sich dessen allem Anschein nach bewusst. Jedenfalls könnte man seinen letzten Satz so verstehen, der wie eine Bilanz klingt, aber eigentlich alles noch einmal grundlegend öffnet: "Industrialisierte Wahrnehmung und mobilisiertes Sehen haben auch die Welt unserer Wünsche und Träume in permanente Schwingungen versetzt. Wir sind, nicht erst mit dem Computer, zu ,medialisierten' Menschen geworden. Die Bilderwelt des frühen Kinos hat in diesem Prozess eine enorme Vorarbeit geleistet." Eine Geschichte der "Medialisierung" des Menschen durch das Kino, das ist das Buch dann doch nicht. Immerhin aber eine ausgezeichnete frühe Filmgeschichte nicht nur für Experten. Kann man von einem einzelnen Autor heute mehr verlangen?

BERT REBHANDL

Klaus Kreimeier: "Traum und Exzess". Eine Kulturgeschichte des frühen Kinos.

Zsolnay Verlag, Wien 2011. 416 S., Abb., br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bert Rebhandl sieht mit diesem Buch über das frühe Kino eine Lücke gefüllt, denn ein Werk für den gebildeten Laien zum Thema gab es bislang seiner Ansicht nach nicht. Der Medienwissenschaftler und Filmhistoriker Klaus Kreimeier ist nicht nur durch sein Buch "Die Ufa-Story" bestens vorbereitet, er bewegt sich auch durch zahlreiche neue Veröffentlichungen früher Filmbeispiele auf breiter Materialgrundlage, betont der Rezensent. Der Autor bemüht sich, die neuesten Erkenntnisse der Filmhistorie mit Zeugnissen von Zeitzeugen des frühen Kinos zu verbinden, und er hat sich parallel dazu sehr viele Filme angesehen, die er in bewunderungswürdiger Gründlichkeit beschreibt, wie der Rezensent lobt. Dass Kreimeier überhaupt die einzelnen Filme und darin häufig das "einzelne bewegte Bild" als Keimzelle des "Geschichtenerzählens" ins Zentrum seines Buches stellt, ist für den begeisterten Rebhandl ein großer Vorzug dieses Buches. Mit diesem Band habe der Leser eine hervorragende Geschichte des frühen Films in Händen, die der Autor auch als "Parademedium der Moderne" in den Blick nimmt, so der Rezensent angetan.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der Medienwissenschaftler erweist sich als grandioser Erzähler mit Weitsicht: Denn nicht nur die Bilder gerieten in der Gründerzeit des Films vor dem Ersten Weltkriegs in Bewegung. Die ganze Welt drehte sich plötzlich anders. Kreimeier schrieb nicht nur eine neue Filmgeschichte im Kontext globaler kultureller Umwälzungen. Er erklärt auch die Revolutionen der Moderne aus denen des Kinos." Frankfurter Rundschau, 11.10.2011

"Eine ausgezeichnete frühe Filmgeschichte nicht nur für Experten. Kreimeier weckt Interesse für die Produkte jener Pioniere, die vielfach noch Künstler, Ingenieure, Entertainer in einer Person waren und deren Beiträge im breiteren kulturhistorischen Bewusstsein einer Amnesie unterliegen, aus der sie hier hervorgeholt werden." Bert Rebhandl, FAZ, 15.12.2011

"Überzeugende Akzente setzt er in seinen Filmlektüren. Und formuliert durchwegs so prägnant und kurzweilig, dass sich diese Zusammenschau auch interessierten Laien empfiehlt." Joachim Schätz, Falter, 30.11.2011

"Kreimeiers unglaublich faktengesättigtes Buch räumt auf mit allen vorschnellen Kategorisierungen und Einordnungen. Wer lesen will und Muße hat, der kann in dem Text wirklich fast alles finden, was es über die Frühgeschichte des Kinos zu wissen gibt." Jochen Kürten, Deutsche Welle, 13.03.2012

"Nicht nur ein reichhaltiges und facettenreiches Nachschlagewerk zur frühen Filmgeschichte, es ist auch ein aufschlussreiches Lesebuch zur Moderne, ihrem Geist und ihren Triebkräften." Andreas Thomas, Filmgazette, 22.03.2012

"Bei der Lektüre von "Traum und Exzess" ist man erstaunt, wie atemberaubend schnell dieses Medium aus den Flegeljahren kam, wie elegant es sich vom reinen Attraktions-Kino zum Erzähl-Kino mauserte, und mit welchem Engagement sich die Film-Pioniere ins Zeug legten, ohne auch nur ahnen zu können, worauf es mit dem Kino hinauslaufen würde." Rainer Schossig, Deutschlandfunk, 11.04.2012
"Ein fesselndes Buch über die Frühzeit des Kinos. "Traum und Exzess" zeigt, wie sehr vergangene Entwicklungen und Debatten in unsere Gegenwart hineinragen, dass man ohne Nachdenken über Geschichte also nicht auskommt." Michael Girke, Film-Dienst, 24.05.2012
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