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Mit "Laut und Luise", dem legendären Gedichtband aus dem Jahr 1966, hat Ernst Jandl einer experimentellen Lyrik zum Durchbruch verholfen, für die stets zwei Elemente wesentlich waren: Witz und existenzieller Ernst. Mit jedem seiner weiteren Gedichtbände eroberte Ernst Jandl dann lyrisches Neuland - von den Gedichten in "heruntergekommener" Sprache bis zu seiner Alterslyrik, die Krankheit, körperlichen Verfall und auch "hohe" Themen zu Gedichten verarbeitet. Der Band 12 der Profile mit unveröffentlichten Gedichten, Briefen und Dokumenten aus dem Nachlass zeichnet das Bild eines Schriftstellers,…mehr

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Produktbeschreibung
Mit "Laut und Luise", dem legendären Gedichtband aus dem Jahr 1966, hat Ernst Jandl einer experimentellen Lyrik zum Durchbruch verholfen, für die stets zwei Elemente wesentlich waren: Witz und existenzieller Ernst. Mit jedem seiner weiteren Gedichtbände eroberte Ernst Jandl dann lyrisches Neuland - von den Gedichten in "heruntergekommener" Sprache bis zu seiner Alterslyrik, die Krankheit, körperlichen Verfall und auch "hohe" Themen zu Gedichten verarbeitet.
Der Band 12 der Profile mit unveröffentlichten Gedichten, Briefen und Dokumenten aus dem Nachlass zeichnet das Bild eines Schriftstellers, dessen Popularität weit über die Grenzen der Literatur hinausreicht und dessen lyrische Sprachvielfalt längst in die Sprache der Alltags- und Jugendkultur eingegangen ist.
Autorenporträt
Wendelin Schmidt-Dengler, 1942 in Zagreb geboren, studierte klassische Philologie und Germanistik in Wien, habilitierte sich 1974 und war Ordinarius am Institut für Germanistik in Wien sowie Leiter des Österreichischen Literaturarchivs. Er war Herausgeber der Werke von Heimito von Doderer und Fritz von Herzmansovsky-Orlando und veröffentlichte zahlreiche Bücher, u.a. Der übertreibungskünstler - Studien zu Thomas Bernhard (1986), Bruchlinien - Vorlesungen zur österreichischen Literatur 1945 bis 1990 (1998).

Bernhard Fetz, Literaturwissenschaftler und Direktor des Literaturarchivs an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien; Literaturkritik unter anderem für die Neue Zürcher Zeitung. Zahlreiche Arbeiten v.a. zur Literatur und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Mitherausgeber der Albert Drach-Werkausgabe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2005

Machen Sie öfters mal boingg-boingg
Etwas an Glück: Fünf Jahre nach dem Tod ihres Lebensgefährten Ernst Jandl veröffentlicht Friederike Mayröcker ihre Erinnerungen an ihn

Jetzt hat sie es endlich geschrieben und fertig geschrieben. Wie oft wurde sie danach gefragt, wann sie denn schreiben werde über ihren Lebensmenschen, über ihren Dichterfreund, über Ernst Jandl, der im Sommer 2000 gestorben ist. Und sie hat immer gesagt: ja, ja und vielleicht und sicher bald und hat zunächst ein Requiem für ihn geschrieben und einige Gedichte und wahrscheinlich hundert Blätter voller Erinnerung und Schmerz und Abschiedsworte.

So kennt man sie ja immer von den Bildern, eine große schwarze Frisur, vergraben zwischen Manuskriptbergen, die, einer wundersamen Tektonik folgend, nie einzustürzen scheinen. Es gibt, so scheint es manchmal, mehr Fotos von den Manuskripten Friederike Mayröckers als von ihr selbst. Und dann natürlich die Fotos zusammen mit ihm. Mit Ernst Jandl. Die beiden waren das schönste deutschsprachige Dichterpaar der Nachkriegsliteratur, ein Lebensliebespaar, wie es nicht viele gibt. Ihr ganzer Lebenslauf verlief so eigentümlich parallel.

Das schönste Paar

Beide wurden sie in Wien geboren, sie im Dezember 1924, er acht Monate später. Beide arbeiten nach dem Krieg als Lehrer. Zunächst aus Idealismus, dann aus Pflichtgefühl. Beide veröffentlichen 1956 ihr erstes Buch, das bei beiden eher unbeachtet bleibt. So schweigen beide zehn Jahre lang, und dann erscheinen ihre Bücher, die sie berühmt machen. "Tod durch Musen" heißt das von Mayröcker, "Laut und Luise" Jandls Buch. Da kannten sie sich schon zwei Jahre. Jandl erinnerte sich: "Es war ein Glück, daß ich mit der Dichterin Friederike Mayröcker zusammentraf, die schon damals einen guten Namen besaß, und ich schrieb an ihrer Seite viele Gedichte. Wir sind bis heute eng verbunden, aber wir leben nicht mitsammen, denn ich verstand es nicht, etwas an Glück dauerhaft zu machen."

Kurze Zeit nur haben sie eine Wohnung geteilt. Schnell haben sie das wieder aufgegeben. Lebten schön getrennt mitsammen, nicht weit weg voneinander, in Wien, beinahe fünfzig Jahre lang, haben sich besucht, fast jeden Tag, sich immer wieder Gedichte geschrieben und gewidmet. Mayröcker zum Beispiel dieses besonders schöne: "Lassen Sie die Wörter aufjaulen / Machen Sie öfters mal boingg-boingg! / Vergessen Sie die ganze Sprache. / Legen Sie Silben aufs Eis! Wärmen Sie sich an den Deklinationen die Füsze! / Stören Sie die Sprache ein wenig mehr! / Drücken Sie sie gegen die Wand bis sie schreit."

Ein Stück Wiese

Was für ein schönes weltfreundliches, welterfreuendes, wunderbares Paar. Scheinbar ohne Konkurrenz und Neid miteinander, nebeneinander dichtend, ein Leben lang. Voller Bewunderung für den anderen. Jandls Gedichte sind immer viel populärer, volksnäher, erfolgreicher gewesen als die oft schwierige Wortkunst Mayröckers. Er hat das nie als Leistung bewertet. Im Gegenteil: "F. M. schreibt große Literatur, und ich erhalte den deutschen Kleinkunstpreis", hat er gesagt. Und nein, das war keine Ironie. Seine Bewunderung für seine ferne, nahe Lebenspartnerin war grenzenlos. Auch über den Tod hinaus sollte die Liebe gehen: "Begraben möchten wir gemeinsam werden", hat er einmal gedichtet, "und zwar noch lange nicht, und auch nicht unbedingt gleichzeitig."

Jetzt ist er mehr als fünf Jahre schon tot. Und Friederike Mayröcker lebt und hat ihm dieses Buch geschrieben: "Und ich schüttelte einen Liebling". Ein Liebesbuch, ein Abschiedsbuch, das Traumbuch einer Liebe, die besteht, über den Tod hinaus. So fängt es an: "meine Nerven waren sehr aufgeregt, und Gertrude Stein sagt, in dem Gesicht stand, dasz er, wenn er ein Stück Wiese angeschaut hatte, es immer ein Stück Wiese für ihn gewesen wäre, aber dann habe er die getroffen, die er liebte, und wenn er dann auf ein Stück Wiese geschaut hätte, seien auf dem Stück Wiese Vögel und Schmetterlinge gewesen, die vorher nicht da waren, das also ist Liebe."

Und in dem Buch geht es nun also darum, diese Liebe festzuhalten, die Erinnerung an "EJ", wie sie ihn nennt, oder "Ely", die Erinnerung daran, wie alles begann mit diesem Leben zu zweit. Und es geht darum, das Leben festzuhalten, ihr Leben, weiterzuleben, ohne ihn. Ein Leben, das so eng verbunden war mit einem anderen, daß nun die eigene Identität verloren scheint und zweifelhaft, das eigene Leben wertlos scheint, das eigene Dichten nun - für wen? "Und ich in Tränen ausbrach, denn ich mache alles ihm zuliebe, Ely zuliebe, EJ zuliebe, finde mich nicht mehr zurecht in der Welt, und alles belastet mich, und habe mich immer belastet gefühlt von allen möglichen Verpflichtungen, Vorstellungen, Befürchtungen, Selbstschuldzuweisungen und fühle mich verfolgt von krassen Augenblicksbildern und war von Vogelsachen zerfetzt und sinke nieder und wische mir das Blut aus den Haaren, oh es ist schrecklich, kaum wage ich diesen Schritt auf die Straße: eine Seelenkrankheit, frage ich mich, habe ich eine Seelenkrankheit?"

Und ist doch nur die Erinnerung. Der Schmerz, die Leere. Ein Leben allein.

Das Leben nach ihm

Er beschützt sie nicht mehr. So wie er ihr damals im Kino, wenn die gefährlichen Stellen kamen, die Hände vor die Augen gelegt hat, oder er nahm ihre Hand und sagte: "Jetzt schau nicht hin und als es vorüber war, sagte er jetzt kannst du die Augen wieder aufmachen." Und so war es auch mit seinem Tod, und er wollte sie vor diesem letzten großen Schrecken schützen und konnte es nicht, und so war es, als sie ihn sah, "EJ ein, zwei Jahre vor seinem Tod sich an Freunde wenden, in meiner Abwesenheit, und sagen, ihr müszt ihr beistehen, dann, wenn es soweit ist, weil er darüber mit mir nicht zu sprechen wagte, und sogleich, ich, wenn die Rede darauf kam, zu weinen begann weil ich nicht wollte, dasz er stürbe."

Es ist ein Buch, in dem es um alles geht. Und vor allem darum, am Leben zu bleiben. Schnell nach dem Tod ihres Gefährten ist Friederike Mayröcker klar, daß sie nicht weiterleben möchte ohne ihn, daß sie "Schlusz machen würde" ohne ihn, und es ist nur das Schreiben, das sie am Leben hält, und es ist das Schreiben an diesem letzten Buch, von dem sie sagt, "dasz ich mich tragen lasse von meiner Sprache und da waren wieder die hohen Fittiche nämlich als sei ich ausgestattet mit Schwingen". Und was wird sein, wenn dieses Buch zu Ende ist, wenn die Schwingen nicht mehr tragen, wenn dieser letzte Lebenszweck verfliegt? "Ich wollte in alle Ewigkeit weiterschreiben, denn wenn ich jetzt aufhörte, was sollte ich dann Neues schreiben, ich konnte nichts Neues schreiben, ich konnte es nicht wagen, etwas Neues zu beginnen, nicht wahr."

Und irgendwann ist es doch zu Ende, dieses Buch einer Liebe. Einer Lebensliebe. Der großen Liebe der deutschsprachigen Literatur. Jetzt muß es weitergehen, das Leben. "Das Atemwäldchen tropfte und taute grünes Blut, wir saszen da und hielten uns an der Hand heute morgen hörte ich zwei Gedichte von Reiner Kunze, verzweifelt, die sich verzweigen in meiner Brust, vorher und nachher geweint weil die Welt so verlassen, Sonntag früh, kahler Morgen -"

VOLKER WEIDERMANN

Friederike Mayröcker: "Und ich schüttelte einen Liebling". Suhrkamp-Verlag 2005. 238 Seiten, 19,80 Euro.

Über Ernst Jandl ist soeben im Zsolnay-Verlag in der Reihe Profile das Buch "Ernst Jandl - Musik Rhythmus Radikale Dichtung", herausgegeben von Bernhard Fetz, erschienen. 255 Seiten, 17,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Fünf Jahre nach dem Tod von Ernst Jandl, zum 80. Geburtstag, würdige das Österreichische Literaturarchiv den Autor mit diesem Aufsatzband. Rezensent Paul Jandl findet, dies sei "mehr als billig". Besonders angetan zeigt er sich von den vielen "belebenden" Fotografien und Abbildungen in einer insgesamt thematisch gut gemischten Aufsatzsammlung. Neben dem Künstler und poetologischen Fragen gehe es auch um den Menschen Jandl, so etwa um die "ferne Nähe" zu Friederike Mayröcker. Besondere Freude bereitet dem Rezensenten ein Dossier zu Jandl-Übersetzungen, aus dem er vergnüglich spanische Jandeleien zitiert. Weniger lustig hingegen seien die unproduktiven letzten Jahre Jandls gewesen mit heftiger Bitterkeit in den Zeilen. Daniela Strigl habe hier einen "schönen Text" zum "zerrissenen" Dichter beigetragen, der sich gegen "Reinheitsgebote allzu rigider Literatur" verwehrt habe. Solcherart, folgert der Rezensent, habe sich Jandl auch schon mal gegen den Olymp des Klassikers gewehrt, der ihn mit diesem Band heimsucht.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der Germanist Bernhard Fetz hat aus den Tiefen des Österreichischen Literaturarchivs eine Truhe voll der schönsten Jandliana gehoben. Briefe, Skizzen, Fotos, dazu Huldigungen von István Eörsi, Yoko Tawada und dem Lyriker, Buchhändler, Straßenverkäufer (und Jandl-Übersetzer) Francisco Díaz Solar aus Kuba. Ein Jandl-Album von Jandl-Kennern für Jandl-Liebhaber. Also für alle."
Benedikt Erenz, Die Zeit

"'Ernst Jandl. Musik Rhythmus Radikale Dichtung' ist die zwölfte Ausgabe des stets kulinarisch aufbereiteten 'Profile'-Literaturmagazins im Zsolnay Verlag. Der Jandl-Band versammelt neben bislang unveröffentlichten Texten und Analysen auch rare Fotos und Faksimiles von Gedichten und Notizen des Autors. Eine Jandl-Leseverführung."
Wolfgang Paterno, profil