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Svinia, ein Ort im Osten der Slowakei, in der Erweiterungszone der Europäischen Union; und ein Ort, wie aus der Zeit und der Welt gefallen. Dort leben die Ausgestoßenen unter den ärmsten der Europäer, Roma, die so lange umgesiedelt, verfolgt, missachtet wurden, bis sie ihre eigene Geschichte vergaßen. Die 700 in Svinia lebenden Menschen werden selbst von den anderen Roma verachtet, weil sie als Degesi, als "Hundeesser", gelten und eine Kaste der Unberührbaren bilden. Von dieser fremden, nahen Welt berichtet dieses Buch, mit dem uns Karl-Markus Gauß aufs Neue das Staunen über Europa lehrt.…mehr

Produktbeschreibung
Svinia, ein Ort im Osten der Slowakei, in der Erweiterungszone der Europäischen Union; und ein Ort, wie aus der Zeit und der Welt gefallen. Dort leben die Ausgestoßenen unter den ärmsten der Europäer, Roma, die so lange umgesiedelt, verfolgt, missachtet wurden, bis sie ihre eigene Geschichte vergaßen. Die 700 in Svinia lebenden Menschen werden selbst von den anderen Roma verachtet, weil sie als Degesi, als "Hundeesser", gelten und eine Kaste der Unberührbaren bilden. Von dieser fremden, nahen Welt berichtet dieses Buch, mit dem uns Karl-Markus Gauß aufs Neue das Staunen über Europa lehrt.
"Dort, wo das größte Elend herrscht, stieß ich immer wieder auch auf eine rätselhafte Lebenskraft." (Karl-Markus Gauß)
Autorenporträt
Karl-Markus Gauß, geboren 1954 in Salzburg, wo er auch heute lebt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet, darunter mit dem Prix Charles Veillon (1997), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis (2010) und dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2022). Bei Zsolnay erschienen zuletzt Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer (2019), Die unaufhörliche Wanderung (2020) und Die Jahreszeiten der Ewigkeit (2022).
Rezensionen
"Karl-Markus Gauß vermittelt Atmosphäre mit feinster Präzision, literarischem und essayistischem Schliff. Deshalb ist sein Buch eigentlich zu wahr, um schön zu sein... Wir werden dieses bewegende Büchlein in der EU noch bitter brauchen." (Christian Schmidt-Häuer, Die Zeit 25.03.04)

"Karl-Markus Gauß ist ein neugieriger und kritischer Entdecker des "neuen" Europa. Seine Reportage liest sich wie ein stummer Aufschrei gegen die Ungerechtigkeit." (Erika Achermann, Tages-Anzeiger 27.02.04)

"Mit "Die Hundeesser von Svinia" hat Karl-Markus Gauß den Blick für Randeuropa erneut geschärft." (Michael Freund, Der Standard 28.2.04)

"Karl-Markus Gauss aber ist ein Reiseberichterstatter von nachgerade philosophischem Format: sein Sehen ist ein Schauen, und wenn er berichtet, so entsteht hinter dem gedruckten Buchstaben dasjenige, was man früher mit dem Begriff 'Aura' einzufangen versuchte." (Ursula Pia Jauch, NZZ 06.04.04)

"Karl-Markus Gauß hat in einer intensiven, einfühlsamen literarischen Reportage aus Svinia und anderen Roma Gettos der Slowakei berichtet." (Kurt Kaindl, Die Tageszeitung 21.04.2004)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mal wieder reist "der melancholische Abenteurer" Karl-Markus Gauß an "Europas Ränder", schreibt die Rezensentin Franziska Sperr, an "die Orte, an denen selbst die Ränder wegkippen", dort, "wo der Linienbus seine Endstation anfährt, wo das Leben ausfranst und, auch an bescheidensten Maßstäben gemessen, nicht mehr lebenswert scheint". Und dieses mal nehme er den Leser mit in die "Slums der slowakischen Roma". Zunächst gewissermaßen von außen, wo er anfänglich selbst noch steht und anstatt einer nachvollziehbaren Konstellation nur "zufällige Arabesken" der Bewegung zu erkennen vermag. Aus seinem Versuch, diese Zufälligkeit zu ergründen, entstehe ein komplexes Bild von einer kommunalen Politik des Ausschlusses den Roma gegenüber, sowie von einem von den Roma selbst verschuldeten Niedergang, in dem der Machtanspruch des Patriarchen sich nicht mehr aus einem - mittlerweile verlernten - Handwerk ableitet, sondern aus der Zahl der Kinder, denen auch die Schulbildung verweigert wird, um die Macht nicht aus der Hand zu geben. Doch auch Europa, so die Rezensentin, komme wie immer zur Sprache, und dies anlässlich eines Kneipenbesuchs, bei dem dem Abenteurer Gauß zwei junge slowakische Weltbürger gegenübersitzen, die sich frohgemut zu Europa bekennen, weil "es für die Slowakei leichter ist, sechzehntes Mitglied der Europäischen Union zu werden, als 51. Staat der USA". Insgesamt, so Sperr, ein "abwechslungsreiches, hübsch zu lesendes, informatives und vielseitiges Reisetagebuch", wie man es von Gauß gewohnt sei.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2004

Erdmittelpunkt der Ereignislosigkeit
Karl-Markus Gauß besucht die Slums der slowakischen Roma
Der Mitteleuropäer Karl-Markus Gauß reist mal wieder an Europas Ränder; diesmal führt ihn der Weg durch einige Städte und Dörfer der Ostslowakei. Und wie immer interessiert er sich nicht für das Touri-Programm des Kulturglobetrotters, sondern für die Orte, an denen selbst die Ränder wegkippen. Seine Ziele liegen dort, wo der Linienbus seine Endstation anfährt, wo das Leben ausfranst und, auch an bescheidensten Maßstäben gemessen, nicht mehr lebenswert scheint. Er reist an die Orte, wo sich die Menschen einrichten mussten, die überall sonst auf der Welt unerwünscht sind, als nicht vermittelbar, nicht integrierbar, nicht sesshaft gelten. Er interessiert sich für die, die niemand zum Nachbarn haben möchte, nicht in der Wohnung, in der Kneipe, im Krankenhaus oder auf der Schulbank der Kinder.
Der melancholische Abenteurer Gauß nimmt uns mit auf seine Reise in die Slums der slowakischen Roma. „Wer in einen Slum gerät, hält ihn anfänglich für gefährliches Terrain, in dem die Ordnung zerfallen ist und die Willkür regiert. Was er sieht, mutet ihn chaotisch an, unberechenbar, weil er in seinem Ablauf weder Ziel noch Struktur zu erkennen vermag, sondern nur Laune, Verhängnis, die Despotie des Augenblicks . . . Auch als ich das zweite, das dritte Mal heroben war, manche Leute bereits wiedererkannte und mir ein paar Burschen schon lässig zuwinkten, kam ich nicht dahinter, nach welchen mir verborgenen Regeln hier herumgestanden, von da nach dort gegangen, die Zeit mit wenig Handlung ausgefüllt wurde; bis ich schließlich überzeugt war, dass es gar keine besonderen Regeln dafür gab und die soziale Geometrie der Bewegungen aus zufälligen Arabesken bestand.”
Aber mit der Zufälligkeit allein gibt sich Gauß nicht zufrieden. Er will wissen, warum die Zustände so sind wie sie sind. Er schaut genau hin, setzt sich mit kommunalen Politikern, mit Architekten und Sozialforschern in Verbindung, um Strukturen auszumachen. Er hat sich vorgenommen, den Ursachen für Verwahrlosung und Elend auf die Spur zu kommen, und diejenigen zu befragen, deren Aufgabe es wäre, den Frauen, den Kindern, den Alten zu einem besseren Leben zu verhelfen, weil das zu ihrem Amt gehört. Aber Gauß weiß, dass die Schuld nicht nur bei ihnen zu suchen ist, sondern ebenso bei den Bewohnern der Slums, bei den Roma und anderen ethnischen Minderheiten, ihren Gewohnheiten und Vorlieben, ihren Traditionen.
Gauß befasst sich mit der erbärmlichen Lage der Männer, die sich längst aufgegeben haben und über keine Fertigkeiten mehr verfügen, mit denen sie in früheren Zeiten ihr Handwerk ausgeübt haben. Patriarchen, für deren Herrschaft nichts mehr spricht. Je mehr Kinder sie in die Welt setzen, je größer ihre Familie, ihr Imperium ist, desto größer ihre Macht. Macht? Sie schicken ihre Kinder nicht in die Schule, weil sie die Gefahr wittern, dass ihre Position in dem Maße geschwächt würde, in dem ihre Kinder ein Mehr an Bildung erhielten. Da kommt es nicht ungelegen, dass sie ihre Kinder vor dem real existierenden Rassismus in den Schulen schützen müssen, wo sie nach wie vor wie Aussätzige behandelt werden.
Weiter, weiter nach Osten
In diesem Reisebericht geht es aber nicht nur um die Ghettos der Roma, sondern – und wer den Autor kennt, weiß das dass so sein muss! – über Europa. Auf seiner vergeblichen Suche nach slowakischen Spezialitäten landet Gauß schließlich im italienischen Restaurant Fontana. Dort sitzt er mit drei jungen Männern am Tisch: Michal und Ján, die erstens Amerikaner, zweitens Europäer und drittens Slowaken sind, und Andrejko, der erstens Amerikaner, zweitens Ruthene, drittens Slowake und viertens Europäer ist. Sie gehören zu einer Kolonie slowakischer Studenten, die den Sommer in den USA verbringen, um Englisch zu lernen, als Kellner zu jobben und ordentlich Geld zu verdienen. Die drei sprechen fließend Englisch und fühlen sich ein bisschen als Amerikaner, dann aber doch eher als Europäer, was sie damit erklären, dass es für die Slowakei leichter ist, sechzehntes Mitglied der Europäischen Union zu werden, als 51. Staat der USA. Eine Beweisführung, die Gauß zu einem mir nicht begründeten enthusiastischen Optimismus verleitet: „Mir war völlig klar, dass mir mit diesen aufgeweckten, ehrgeizigen, sprachlich versierten, neugierigen jungen Slowaken die Zukunft Europas gegenüber saß. Sie werden es sein, mit ihrer Fähigkeit, sich Neues anzueignen, und ihrem Wunsch, es in Europa zu etwas zu bringen, die die Geschicke des Kontinents in den nächsten fünfzig Jahren prägen.”
Alles in allem hat Karl-Markus Gauß wieder ein abwechslungsreiches, hübsch zu lesendes, informatives und vielseitiges Reisetagebuch vorgelegt. Obwohl hier keine pittoresken historischen Stadtzentren sondern die Schlammstraßen der trostlosesten Outcast-Siedlungen beschrieben werden, in denen nicht nur die Untersten, sondern auch die Alleralleruntersten der europäischen Sozialpyramide, nämlich die Degesi, die Unreinen, die Hundeesser leben, könnte es allemal sein, dass unser Interesse geweckt ist, und wir uns eines Tages ins Auto steigen, über Prag hinaus fahren und dann immer weiter, weiter nach Osten.
FRANZISKA SPERR
KARL-MARKUS GAUSS: Die Hundeesser von Svinia. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004. 114 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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