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Florentine ist ein wildes Mädchen. Ihr passiert so ziemlich alles, was anderen nicht passiert. Sie rettet Tauben, schüttet Waschpulver ins Heringsfass, träumt vom Weltuntergang und versteckt Ostereier auf dem Dach. Sie hält alle um sich herum in Atem und dichtet nebenbei auch noch freche Verse. Und die machen nur noch neugieriger darauf, was Florentine als nächstes anstellt.

Produktbeschreibung
Florentine ist ein wildes Mädchen. Ihr passiert so ziemlich alles, was anderen nicht passiert. Sie rettet Tauben, schüttet Waschpulver ins Heringsfass, träumt vom Weltuntergang und versteckt Ostereier auf dem Dach. Sie hält alle um sich herum in Atem und dichtet nebenbei auch noch freche Verse. Und die machen nur noch neugieriger darauf, was Florentine als nächstes anstellt.
Autorenporträt
James Krüss (1926-97), geb. in Helgoland, entschloss sich nach einem Lehrerstudium, Autor zu werden. Gefördert von Erich Kästner, lebte er lange in München, bevor seinen neuen Lebensmittelpunkt auf einer anderen Insel fand, Gran Canaria. Er hat zahlreiche Kinderbücher, Geschichten, Romane und vor allem immer wieder Gedichte geschrieben. Viele davon wurden Vorlagen für Bilderbücher. 1968 wurde James Krüss für sein Gesamtwerk mit der weltweit höchsten Auszeichnung für Kinder- und Jugendbücher bedacht, mit der Hans-Christian-Andersen-Medaille.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2002

Florentine heißt ein Kind
Wenn es mager ist und spinnt: James Krüss in neuer Edition

Kapitän Arnold Rickmers fuhr zur See, bis ihm ein Mast das linke Bein zerschlug. Da wurde er Leiter des Hamburger Hafens. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Reihenfolge festzulegen, in der die Schiffe in den Hafen einfuhren. Doch die Schiffsnamen auf den täglichen Listen gruppieren sich ihm bald unwillkürlich zu rudimentären Perioden: "Langsam wurde das Sätzebilden zur fixen Idee bei ihm, und das Spaßige war, daß er das gesamte Personal des Hamburger Hafens allmählich damit ansteckte. Als die großen Hebeschiffe ,Kraft', ,Macht', ,Wille' eines Tages auf der Werft repariert wurden, da riefen die Dockarbeiter lachend: ,Wille macht Kraft!'"

Doch die Umsetzung dieser Wortphantasien in lesbare Wirklichkeit scheitert naturgemäß an dem begrenzten Spektrum der Schiffsnamen. Ganze Sätze lassen sich erst bilden, nachdem Kapitän Rickmers durchgesetzt hat, daß Schleppdampfer und Beiboote auf so nützliche Namen wie "und", "ohne" und "am" getauft werden. Dann schlägt Rickmers' Stunde: Die Schiffe "Brunnen", "Zitronenbaum" und der norwegische Tanker "Tore Dastedt" werden von den vier Schleppdampfern "am", "vor", "dem" und "ein" so geschickt in den Hafen bugsiert, daß die erstaunten Zuschauer lesen können: "Am Brunnen vor dem Tore Dastedt ein Zitronenbaum."

Die Geschichte des Kapitän Rickmers hört der zehnjährige Knabe Boy von seinem Urgroßvater auf der Insel Helgoland. Es ist eine von vielen, alle haben sie mit Sprache zu tun, und alle dienen sie nur einem Zweck: Sie lösen Boy die Zunge und ermutigen ihn zu einem neugierigen, spielerischen Umgang mit den Worten, zum Verseschmieden ebenso wie zu der Erforschung von sprachlichen Zusammenhängen und Entwicklungen.

Die Welt, wie sie der Autor James Krüss in "Mein Urgroßvater und ich" (1959) und in anderen Büchern geformt hat, ist ein Labyrinth von Geschichten und Wortspielen, in denen die außersprachliche Wirklichkeit nichts zu suchen hat, wenn sie nicht in der Drechslerwerkstatt des Urgroßvaters oder in Tante Julies Haus erzählt werden kann, wenn sie sich nicht reimen läßt oder den Stoff für eine Geschichte nach vorgegebenen Anfangsbuchstaben abgibt. Dieser Kosmos ist bevölkert von Menschen, die nur darauf warten, der Sprache auf den Grund zu gehen, ABC-Gedichte zu verfassen oder den Charakteristika nachzuspüren, die mit dem Buchstaben "G" verbunden sind, um dann flugs die Geschichte von Graf Gustav von Gelderland zu erzählen, der all seinen Grund, sein Gut und Gold vererben will ("In Tante Julies Haus", 1969). Ganz selten kommt es zum Kontakt mit einer Sphäre, die sich darauf nicht einlassen will, und immer siegt das Spiel mit der Sprache. Die Isolation, in der erzählt wird, trägt nicht selten den Charakter der Verzweiflung. Der 1926 geborene Krüss, der gegen Ende des Krieges noch Soldat werden mußte, entwirft immer wieder Erzählsituationen, wo es ganz offen um Leben und Tod geht, etwa in "Adler und Taube" (1963) oder in dem düster-mystischen Nachlaßband "Im Krug zum grünen Walfisch" (1999). Solange erzählt wird, tut man sich kein Leid an - dies ist die Botschaft, die Krüss manchmal geradezu verzweifelt vorbringt.

Wenn historische Ereignisse ins Spiel kommen, werden sie leicht zu Reimereien aus dem Geist der Eselsbrücke: "Wilhelm von Oranien / Kämpfte gegen Spanien" heißt es einprägsam in "Mein Urgroßvater und ich", aber diese Merksprüche können auch unversehens eine bedeutend größere Dimension erhalten. In dem scheinbar harmlosen, tatsächlich aber abgründigen Kinderbuch "Florentine" (1961/62) eifert die Titelfigur, ein elfjähriges Mädchen, Boy und seinem Urgroßvater nach. Auch sie drechselt Verse (ihre Werke "stehen kreuz und quer auf einem riesigen Bogen Packpapier, den sie - vielfach gefaltet - unter einer alten Matratze auf dem Speicher aufbewahrt"), aber es fehlt das Gegenüber, das Boy im Urgroßvater besitzt, denn Florentines Eltern arbeiten beide, und das Mädchen sieht sie kaum. Ihre echolosen Werke haben nicht selten die Autorin selbst zum Gegenstand, und wenn auch sie "ABC-Gedichte" schreibt, findet sich beispielsweise unter "F" der Eintrag: "Florentine heißt ein Kind / Wenn es mager ist und spinnt" - eine ziemlich genaue Reproduktion der Außensicht auf das hyperaktive Mädchen, das aus lauter Einsamkeit durch die Großstadt wirbelt, Chaos stiftet und kaum einmal zu sich selbst findet, außer in seinen Reimereien. Auch hier ist die Literaturproduktion ein Mittel, die Welt auf Distanz zu halten.

Krüss starb vor fünf Jahren in seiner Wahlheimat Gran Canaria. Von 1978 an hatte er sein erzählerisches Werk geordnet, mit Zwischentexten versehen und zu einem Zyklus zusammengestellt: "Die Geschichten der 101 Tage" - auch dies, in Anlehnung an Scheherazade, ein Verweis auf die lebensrettende Macht des Erzählens - wurde 1986 abgeschlossen und ist bald darauf als siebzehnbändige Taschenbuchausgabe erschienen. Sie ist heute leider vergriffen. Dafür entsteht jetzt im Carlsen Verlag eine neue Werkausgabe, von der bislang zehn Bände vorliegen. Leider orientiert sie sich nicht an der Fassung der "101 Tage", sondern greift wieder auf die einzelnen Bücher zurück. Auch ist es schwer, den neuen Illustrationen dieser Ausgabe überhaupt etwas abzugewinnen; überdies sind sie manchmal so mickrig ausgefallen und wurden so lieblos in den Text gezwängt, daß sie von vornherein in ihrer Wirkung arg gemindert werden. Immerhin sind im gleichen Verlag auch einige Bilderbücher nach Texten von Krüss erschienen, etwa das von entfesselten Illustrationen begleitete "Es war einmal ein Mann". Proportionen werden dort lustvoll gesprengt, Perspektiven munter vermischt, so wie auch keine Logik, sondern einzig der Reim über den Verlauf der Handlung entscheidet: "Das Meer war ihm zu Blau / Da ging er auf die Au / Die Au war ihm zu grün / Da ging er nach Berlin", und wie sich der Versstrom weiter wälzt. Und daß es diese Werkausgabe überhaupt gibt, daß sie auf weiteres Wachstum angelegt ist: das ist ein großes Glück.

TILMAN SPRECKELSEN.

James Krüss: "Mein Urgroßvater und ich./Mein Urgroßvater, die Helden und ich". Mit Bildern von Sabine Wiemers. Carlsen Verlag, Hamburg 2001. 276 S., geb., 18,50 [Euro]. Ab 8 J.

James Krüss: "Florentine". Mit Bildern von Linda Wolfsgruber. Carlsen Verlag, Hamburg 2001. 170 S., geb., 9,50 [Euro]. Ab 8 J.

James Krüss, Jacky Gleich: "Es war einmal ein Mann". Carlsen Verlag, Hamburg 2002. 32 S., geb., 12,50 [Euro]. Ab 3 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Scheinbar harmlos, tatsächlich aber abgründig findet Rezensent Tilman Spreckelsen dies Kinderbuch und ist begeistert. Das Mädchen Florentine ist meist allein, erfahren wir. Denn die Eltern arbeiten in der Fabrik und Florentine sieht sie kaum. Auf riesige Packpapierbögen schreibt sie ABC-Gedichte, die "nicht selten die Autorin selbst" zu Gegenstand haben. "Florentine heißt ein Kind/ wenn es mager ist und spinnt", zitiert der Rezensent und sieht das "hyperaktive Mädchen" geradezu vor sich, wie es aus "lauter Einsamkeit durch die Großstadt wirbelt, Chaos stiftet und kaum einmal zu sich selbst findet außer in seinen Reimen". Das Kinderbuch gehört, Spreckelsen zufolge, zu einer neuen Krüss-Werkausgabe, von der jetzt 10 Bände vorlägen. Leider orientiere sich die Ausgabe nicht an der vergriffenen Taschenbuchausgabe von 1987 und deren noch von Krüss selber entwickelten zyklischen Binnenstruktur. Auch den neuen Illustrationen kann der Rezensent wenig abgewinnen, so "lieblos" findet er sie manchmal in den Text gezwängt, so "mickrig" seien sie überhaupt manchmal ausgefallen. Trotz aller Mängel bezeichnet der Rezensent die neue Werkausgabe dennoch als Glück.

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