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'Selten haben sich persönliche Biographie und zeitgeschichtliche Brennpunkte so eng verwoben wie bei Walter Laqueur, einem der renommiertesten Historiker unserer Zeit. Wenn er auf die prägenden Einflüsse seines Lebens zurückblickt, ergibt sich wie von selbst eine politische Bilanz des 20. Jahrhunderts, spannend und lehrreich zugleich.
Laqueur, Jahrgang 1921, verbrachte die Kindheit in der Weimarer Republik, die Jugend im Dritten Reich. Mit siebzehn floh er vor den Nazis nach Palästina. Hier erlebte er den Zweiten Weltkrieg und den israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948. Seine Familie
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Produktbeschreibung
'Selten haben sich persönliche Biographie und zeitgeschichtliche Brennpunkte so eng verwoben wie bei Walter Laqueur, einem der renommiertesten Historiker unserer Zeit. Wenn er auf die prägenden Einflüsse seines Lebens zurückblickt, ergibt sich wie von selbst eine politische Bilanz des 20. Jahrhunderts, spannend und lehrreich zugleich.
Laqueur, Jahrgang 1921, verbrachte die Kindheit in der Weimarer Republik, die Jugend im Dritten Reich. Mit siebzehn floh er vor den Nazis nach Palästina. Hier erlebte er den Zweiten Weltkrieg und den israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948. Seine Familie wurde im Holocaust ermordet. 1950 ging er in die USA und wurde in der Ära des Kalten Krieges zum führenden Russland-Experten und zum Begründer der Terrorismus-Forschung. Die Stationen seines Lebenswegs haben ihn zu den großen Themen des "ungeliebten" 20. Jahrhunderts geführt, mit denen er sich zeitlebens beschäftigt hat: Warum konnten Hitlers Machtergreifung und die Rückkehr der Barbarei nach Europa nicht verhindert werden? Warum übten Marxismus und Sowjetkommunis-mus lange Zeit eine solche Faszination aus? Warum hat sich die israelisch-palästinensische Nachbarschaft in einen unlösbaren Weltkonflikt verwandelt? Warum haben die Geheimdienste und politischen Analysten des Westens weder den Untergang der Sowjetunion noch die neuen Gefahren des internationalen Terrorismus vorausgesehen? Laqueur nimmt uns mit auf seine persönliche Bildungsreise durch ein turbulentes Jahrhundert, erzählt im abgeklärten Ton eines auf sein Leben zurückschauenden Weisen.
Autorenporträt
Walter Laqueur, geboren 1921 in Breslau, 1938 nach Palästina emigriert, lebt heute in London und Washington. Von 1964 bis 1991 war er Direktor des angesehenen Londoner Institute of Contemporary History and Wiener Library. Seit 1973 ist er zugleich Vorsitzender des International Research Council im Washingtoner Center for Strategic and International Studies.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2010

Marsch durch die Desillusionen
Der Historiker und Publizist Walter Laqueur zieht seine eigene Bilanz des zwanzigsten Jahrhunderts
Walter Laqueur gelang eine erstaunliche Karriere – als Autodidakt, ohne Universitätsabschluss wurde er Historiker und Publizist. Er leitete jahrelang das Londoner Institute of Contemporary History (Wiener Library), bekleidete Professuren an amerikanischen Hochschulen, gründete Fachzeitschriften und war ein führender Kopf der politischen Thinktank-Szene in den USA. Bekannt geworden ist Laqueur als Autor von mehr als zwei Dutzend Büchern zu zeitgeschichtlichen Themen.
So geradlinig diese Laufbahn erscheinen mag, so dramatisch verliefen Laqueurs frühe Jahre. Dass er ein „Amerikaner deutsch-jüdischer Herkunft” ist, deutet auf die Brüche in seiner Biographie. 1921 geboren, wuchs Laqueur in Breslau auf. Nach dem Abitur (einen Tag vor der „Reichskristallnacht”) floh er 1938 nach Palästina. Seine Eltern und viele Verwandte überlebten den Holocaust nicht. Laqueur wurde Kibbuz-Mitglied und Landarbeiter, später Journalist. Von seinen publizistischen Anfängen als Reporter im israelischen Unabhängigkeitskrieg berichtete er 1995 in „Wanderer wider Willen” – einem großartigen Werk, das viel über die Triebkräfte seines Schaffens verriet: Geschichte aus dem Blickwinkel dessen, der sie am eigenen Leib erfahren hat.
Nun hat Laqueur, inzwischen 88, ein weiteres Erinnerungsbuch vorgelegt: „Mein 20. Jahrhundert”. Es handelt sich nicht um klassische Memoiren. Das Buch steckt voller autobiographischer Rückblenden, doch es folgt nicht der Chronologie des eigenen Werdegangs. Geordnet ist es nach Themen, denen sich der Autor seit langem widmet – Laqueur zieht Bilanz. Dabei schwankt die Darstellung zwischen gelehrtem Essay und launig-sprunghafter Kaminplauderei; und Laqueur wechselt oft recht unvermittelt zwischen der Rolle des Historikers und der des Zeitzeugen. Aber solche Eigenwilligkeit sieht man ihm nach, weil er tatsächlich ein imposantes Epochenbild entstehen lässt. Waren es doch die großen Ideologien und Projekte seiner Generation, die Laqueur vor allem beschäftigt haben: Faschismus und Kommunismus, Zionismus und Einigung Europas (zudem gilt Laqueur als Begründer der Terrorismusforschung). Sein heutiger Blick ist abgeklärt, skeptisch – wer ihm durch das 20. Jahrhundert folgt, begibt sich auf einen Marsch durch Desillusionen.
Das beginnt mit der Weimarer Republik, deren liberale Kultur weitgehend eine Erfindung späterer Jahrzehnte sei. In Wirklichkeit habe nach 1918 ein kollektivistischer Zeitgeist geherrscht, dem die NS-Ideologie ihre Anziehungskraft verdankte. Wie groß auch die totalitäre Versuchung von links war, illustriert Laqueur am eigenen Beispiel: Als junger Mann faszinierte ihn die Sowjetunion – die Entfremdung fiel umso heftiger aus, als er das Verbrecherische des Stalinismus erkannte. Viel Raum verwendet Laqueur darauf, die antikommunistische Haltung zu bekräftigen, die er im Kalten Krieg einnahm. Kopfschüttelnd erinnert er an die linken Intellektuellen, die damals den Westen für die Konfrontation der Blöcke verantwortlich machten.
Pessimismus und Schwärmerei
Doch der Siegeszug des Kapitalismus ließ ihn erneut ernüchtern. Was die Demokratie heute bedrohe, sei nicht zuletzt die „immer größere Kluft zwischen Armen und Reichen”. Und Laqueur fragt sich, ob „wir mit der Verunglimpfung der marxistischen Ideen zu weit gegangen sind”. Seine letzte Enttäuschung ist die europäische Einigung. Hatte Laqueur 1970 ein optimistisches Buch veröffentlicht („Europa aus der Asche”), so zeichnet er heute ein trübes Bild. Eine echte politische Einigung des Kontinents bleibe Utopie, auf der Weltbühne werde Europa auch künftig keine Rolle spielen, weil es unentrinnbar von fremden Mächten abhängig sei – militärisch von den USA, bei der Energie von Asien und Russland.
Ein pessimistisches Buch? Ja, aber auch eines der Fabulierlust und der Schwärmerei. Laqueur gefällt es, den Boden der Realität immer wieder zu verlassen und sich ins Kontrafaktische zu träumen. „Was wäre gewesen, wenn . . .?”, fragt er auch in eigener Sache – und überlegt ausführlich, in welcher Epoche er am liebsten gelebt hätte. Seine Wahl fällt auf das späte 19. Jahrhundert. Staunend flaniert er durch die Metropolen jener Zeit, bewundert technischen Fortschritt und kulturelle Blüte, ergötzt sich an der allgemeinen Aufbruchsfreude. Auch einem Skeptiker wie Laqueur bietet die Geschichte Anlass zur Begeisterung – wenn sie einer verlorenen Welt gilt. HUBERT LEBER
WALTER LAQUEUR: Mein 20. Jahrhundert. Stationen eines politischen Lebens, Propyläen Verlag, Berlin 2009. 352 Seiten, 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Keine Frage, meint Hubert Leber, dieser Mann ist ein Skeptiker ersten Ranges. Die Brüche in der Biografie des Historikers Walter Laqueur kann Leber in den autobiografischen Rückblenden in diesem thematisch, nicht chronologisch geordneten Buch, einer Mischung aus Essay und Kaminplauderei, wie Leber erklärt, erspüren. Mal Historiker, mal Zeitzeuge, breitet der Autor vor den Augen des Rezensenten seine großen Themen aus, die Projekte und Ideologien seiner Generation, ein Epochenbild. Laqueurs Bilanz jedoch ist geprägt von Desillusionen. Kommunismus, Zionismus, Einigung Europas - für Laqueur sämtlich Enttäuschungen. Um so beeindruckender für den Rezensenten, wenn Laqueur dann doch manchmal ins Schwärmen kommt und sich "ins Kontrafaktische" träumt, ins späte 19. Jahrhundert etwa.

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