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'Sun Shuyun führt uns zurück in das China der Jahre 1934/35, ein von Bürgerkrieg und japanischer Besetzung zerrissenes Land. Von der nationalistischen Kuomintang bedrängt, entschließt sich die Führung der Kommunistischen Partei zum Rückzug in die unwegsamen Nordwest-Provinzen. Innerhalb eines Jahres legen 90 000 Rotarmisten in entbehrungsreichen Gewaltmärschen 12 500 Kilometer zurück, nur 8 000 erreichen das Ziel, den Bezirk Yan an an der Grenze zur Mongolei. Sun Shuyun hat mit Veteranen des Marsches gesprochen und lokale Archive aufgesucht. Meisterhaft gelingt es ihr, die Leidenschaft und…mehr

Produktbeschreibung
'Sun Shuyun führt uns zurück in das China der Jahre 1934/35, ein von Bürgerkrieg und japanischer Besetzung zerrissenes Land. Von der nationalistischen Kuomintang bedrängt, entschließt sich die Führung der Kommunistischen Partei zum Rückzug in die unwegsamen Nordwest-Provinzen. Innerhalb eines Jahres legen 90 000 Rotarmisten in entbehrungsreichen Gewaltmärschen 12 500 Kilometer zurück, nur 8 000 erreichen das Ziel, den Bezirk Yan an an der Grenze zur Mongolei. Sun Shuyun hat mit Veteranen des Marsches gesprochen und lokale Archive aufgesucht. Meisterhaft gelingt es ihr, die Leidenschaft und Opferbereitschaft der Teilnehmer, aber auch ihre Verzweiflung und Wut angesichts des hohen Blutzolls und der fragwürdigen Entscheidungen der Führung um Mao Zedong lebendig werden zu lassen.
Autorenporträt
Sun Shuyun, geboren 1963 in einem Dorf in Zentralchina. Ihr Vater war Mitglied der Kommunistischen Partei, glühender Verehrer Mao Zedongs und Teilnehmer an der Kulturrevolution. Nach ihrem Studium in Peking erhielt Sun Shuyun ein Stipendium der Oxford University. Sie lebt und arbeitet heute als Schriftstellerin, Film- und TV-Produzentin in Peking und London.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2009

Chinesische Stahlgewitter
Die Mythen vom Langen Marsch der Mao-Kommunisten in den 30er Jahren sind zäh
Die Erinnerung an historische Ereignisse schwankt stets zwischen Mythos und Wahrheit. Das gilt in Europa, Amerika, Afrika oder Asien gleichermaßen. Fast jede Nation hat ihren Gründungsmythos. Für die chinesische Volksrepublik ist es der Lange Marsch. Ein Ereignis, das Chinas Kommunisten auf eine Stufe stellen mit dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Daher soll jeder Chinese diese Geschichte kennen: Wie die noch in ihren Anfängen steckende Kommunistische Partei und ihre rund 200 000 Mann starke Rote Armee Anfang der dreißiger Jahre von den regierenden Nationalisten unter Chiang Kai-shek aus ihren Stützpunkten im Süden des Landes vertrieben wurden. Wie sie, von ihren Gegnern verfolgt, umzingelt und bedrängt, den einzig verbliebenen Ausweg wählten – einen Weg, auf dem ihnen niemand folgen konnte: über Berge und Flüsse, durch Sümpfe und Steppen.
Jeder Chinese kann angeblich erzählen, wie Mao diesen Ausweg fand und von Sieg zu Sieg eilte, wie die Rote Armee nach zwei Jahren und einem Marsch von mehr als 14 000 Kilometern durch ein unglaubliches Durchhaltevermögen, getragen von Mut und Hoffnung, entgegen aller Wahrscheinlichkeit das unfruchtbare Lößplateau im Nordwesten Chinas erreichte. Nur ein Fünftel der ursprünglich Aufgebrochenen kam dort an – erschöpft, zerlumpt, doch allen Widrigkeiten trotzend. In weniger als einem Jahrzehnt hatten die Kommunisten zurückgeschlagen, Chiang Kai-shek besiegt und in der Hitze der Revolution das Neue China auf den Weg gebracht.
Leerer Magen, schlechte Schuhe
Das ist die offizielle Version. Doch wie lautet die inoffizielle? Das hat sich Sun Shuyun gefragt und dann auf den Weg gemacht – im wahrsten Sinne des Wortes. Die 1963 in einem zentralchinesischen Dorf geborene Tochter eines KP-Mitglieds, der ein glühender Verehrer Mao Zedongs und Teilnehmer der Kulturrevolution war, hat den Langen Marsch nicht nur historisch Schritt für Schritt nachvollzogen. Die Schriftstellerin, Film- und Fernsehproduzentin, die nach einem Studium in Peking und Oxford in China wie in Großbritannien lebt und arbeitet, hat 2004, siebzig Jahre nach dem Beginn des Langen Marsches, dieselbe Route bereist. Denn nur wenige historische Dokumente blieben erhalten. Viele Unterlagen wurden auf der Flucht der Kommunisten zerstört. Zwar haben einige Generäle der Roten Armee ihre Memoiren veröffentlicht. Aber kritische wissenschaftliche Untersuchungen gibt es kaum.
Von den ursprünglich 40 000 Überlebenden des Marsches sind heute noch schätzungsweise 500 am Leben – ausnahmslos über achtzig oder neunzig Jahre alt. Sie sind in der Regel einfache Menschen, die damals auf dem Weg zurückblieben oder sich bis zum Ende durchschlugen. Mehr als vierzig von ihnen hat Shuyun auf ihrem persönlichen Langen Marsch aufgesucht. Sie reiste zwar weitgehend mit der Bahn oder dem Bus und damit deutlich komfortabler als ihre Vorgänger. Aber für sie war es gleichwohl eine noch immer entmutigende Reise durch Gegenden, die sich bis in die Gegenwart kaum verändert haben: unzugänglich, bitterarm und unterentwickelt.
Diese persönliche Erfahrung mag erklären, warum auch für Shuyun das, was die Teilnehmer des historischen Marsches durchmachen mussten, mit nichts zu vergleichen ist. Das schwierige Gelände in Höhen von bis zu 6000 Meter lässt sie nicht nur erahnen, sondern zunehmend bewundern, was die damaligen Marschierer auf sich genommen haben – mit leerem Magen, schlechtem Schuhwerk und dünner Bekleidung, durch Hinterhalte und im Bombenhagel, ohne Ruhepause zwischen den Kämpfen mit mobileren und besser ausgerüsteten Truppen des Feindes.
Diesen Menschen hat Shuyun mit ihrem Buch ein eigenes Denkmal zu setzen versucht. Ihnen will sie eine eigene Stimme geben neben der offiziellen Erinnerung. Daher lässt sie die Veteranen einfach erzählen: vom Hunger und der verzweifelten Suche nach Nahrung; von der Feindseligkeit der Tibeter; vom grausamen Schicksal vor allem der weiblichen Rotarmisten, in Gefangenschaft systematisch misshandelt und vergewaltigt vom Gegner; von der Ankunft an einem vermeintlichen Ziel, nur um dort zu erfahren, dass noch mehr Strapazen vor ihnen liegen; und schließlich von ihrem Gelobten Land, das dann doch nicht so herrlich war, wie die Parteiführung ihnen prophezeit hatte.
Doch in diesem Einfach-Erzählen-Lassen liegt zugleich die Schwäche von Shuyuns Darstellung. Denn sie schafft leider eben nicht ausschließlich das, was sie bezwecken will: ein Bild des Langen Marsches ohne die üblichen Ausschmückungen und Lobhudeleien. Sie schafft ein Bild, das gerade wegen seines menschelnden Charakters andere Ausschmückungen und Lobhudeleien enthält – nicht die des kommunistischen Regimes, dafür aber die von Shuyun selbst.
So stellt sich die Frage, ob die Interviewerin ihre Gesprächspartner wirklich richtig verstanden hat, wenn sie im Epilog zu derlei Aussagen kommt: „Wenn sie Zweifel hatten, wurden diese überwunden. Sie wussten von den Säuberungen, von den Desertionen, aber sie blieben loyal und machten weiter. An diesen Leuten konnte ich sehen, wie die Revolution zum Erfolg wurde. Sie gingen – Männer wie Frauen – durchs Feuer, und sie gingen gestählt daraus hervor.”
Hier werden nicht nur Erinnerungen an Ernst Jüngers „In Stahlgewittern” wach. Es hat auch den Anschein, als ob sich dieses Buch entgegen allen Beteuerungen seiner Autorin eben nicht allein um die Geschichte der Veteranen dreht, sondern desgleichen um die ihrer Interviewerin. Doch auch das ist in der Geschichtsschreibung an sich nichts Neues.
THOMAS SPECKMANN
SUN SHUYUN: Maos Langer Marsch. Mythos und Wahrheit. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 382 Seiten, 22,90 Euro.
Im Schatten von Mao Zedong sieht sich nicht nur diese Besucherin des Militärmuseums in Peking, in dem eine Statue des „großen Vorsitzenden” steht. Auch mehr als 30 Jahre nach Maos Tod und mehr als 70 Jahre nach dem legendären „Langen Marsch” der kommunistischen Truppen zählt dieses Ereignis noch zu den unantastbaren Gründungsmythen der Volksrepublik China. Reuters
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Höchst verdienstvoll und aufschlussreich findet Rezensent Tilman Spengler diese "Entglorifizierung" von Maos Langem Marsch durch die chinesische Historikerin Sun Shuyun, in denen sie seinen Informationen zufolge viel goldenen Lack abblättern lässt und manche Legende als historische Lüge entlarvt. Zum Beispiel jene, dass sich die Kämpfer von Maos so genannter Volksbefreiungsarmee ihm freiwillig angeschlossen hätten, und von der Bevölkerung überall jubelnd empfangen worden seien. Insgesamt erschüttert die Historikerin aus Spenglers Sicht zwar nicht wirklich den gegenwärtigen Stand der Forschung, kann ihn aber mit einem sehr subjektiven Blick auf die verschiedenen Schichten chinesischer Selbstwahrnehmung zwischen gestern und heute gewinnbringend ergänzen.

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