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Jane Smiley zeichnet ein erfrischend unprätentiöses Portrait des großen englischen Schriftstellers Charles Dickens.

Produktbeschreibung
Jane Smiley zeichnet ein erfrischend unprätentiöses Portrait des großen englischen Schriftstellers Charles Dickens.
Autorenporträt
Jane Smiley ist eine der bekanntesten amerikanischen Schriftstellerinnen. Ihr berühmtester Roman, "Tausend Morgen", wurde mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet und in großer Besetzung verfilmt. Sie lebt in Nordkalifornien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2004

Paß auf, Neuland
Modern auch als Liebhaber: Jane Smileys Dickens-Biographie

Penguin Lives, die biographische Reihe des amerikanischen Verlagszweigs, beruht auf der Idee, Schriftsteller über Schriftsteller schreiben zu lassen, in aller Kürze. Wie es der Pulitzerpreis-Trägerin Jane Smiley ("Feuerpferd", "Tausend Morgen") mit Charles Dickens ergangen ist, kann man jetzt auch auf deutsch nachlesen.

Dickens, der rund zwei Dutzend lange Romane, ferner Theaterstücke, Rezensionen und Reisenotizen hinterlassen hat, der als Verleger, Herausgeber und Schauspieler auftrat, der eine zehnköpfige Familie, Eltern und mittellose Verwandte unterstützte, der zahllose wohltätige Projekte begleitete, der dauernd verreiste oder umzog - neben diesem Dickens würden moderne Manager verblassen. Doch die Qual der Auswahl ist dieser Biographie nicht anzumerken. Jane Smiley hat sich für die lange Essayform entschieden, mit soziologischen, historischen, psychologischen und wirtschaftlichen Ansätzen. Ihre Kenntnisse über den Roman als Form und ihre eigenen Erfahrungen als Schriftstellerin läßt sie einfließen, so daß diese Charles-Dickens-Biographie ein doppelter Text ist und man auch einiges über Jane Smiley erfährt.

Ihre zentrale These lautet, daß Charles Dickens der erste moderne Schriftsteller gewesen sei: ein knallharter Selfmademan und Verhandler, ein Starautor, dessen Bekanntheitsgrad dem eines heutigen Filmschauspielers entsprach. Dickens war ein Medienphänomen, betrachtet man etwa seine sechsmonatige Lesereise 1842 nach Amerika, von der Smiley behauptet, daß es eine Weltpremiere gewesen sei. Dickens, den die Neugier seiner Leser aufregte und der diese durch seine Starrköpfigkeit enttäuschte, kehrte genervt nach England zurück. Erst im fortgeschrittenen Alter stellte er sich mit öffentlichen Lesungen wieder dem Publikum.

Jane Smiley beschreibt Dickens als einen Mann, der zu Stimmungsumschwüngen neigte und der sich viele Jahre zwischen den Extremen des privaten Haustyranns und öffentlichen Wohltäters bewegte. Daß er mit seiner Ehescheidung 1857 schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wusch, deutet Smiley als Vorwegnahme der heutigen "Scheidungskultur". Danach habe Dickens sich entschieden, ein Doppelleben zu führen. Er hielt seine Beziehung zu der jungen Schauspielerin Ellen Ternan geheim und verabschiedete sich von der Rolle eines viktorianischen pater familias. Die Biographin legt nahe, daß dieser innere Konflikt zu seinem frühen Tod beigetragen hat.

In ihrer Betrachtung des Schriftstellers setzt Jane Smiley eigene Schwerpunkte. Sie läßt "Barnaby Rudge" aus, erwähnt Klassiker wie "David Copperfield" am Rande; kann dem späten Revolutionsdrama "A Tale of Two Cities" viel abgewinnen. Die grotesken und anarchischen Züge Dickens' würdigt sie mit dem Argument, daß die geschlossene Form des Romans nicht zu psychologisch abgerundeten Charakteren verpflichte. Auf das Argument, der Fortsetzungskünstler Dickens habe lückenhaft und oberflächlich gearbeitet, läßt sie sich gar nicht erst ein. Ansonsten entsteht Dickens so, wie seine Zeitgenossen ihn erlebten. Er war das junge, unbeschwerte Genie, dessen bedrückende Kindheit erst spät bekannt wurde. Immer wieder macht Smiley den Horizont des zeitgenössischen Publikums klar. Sie weist darauf hin, daß die Geisteszustände des Geizkragens Scrooge jedem Leser nach Freud einleuchten, damals aber ästhetisches und theoretisches Neuland besetzten.

Der Romanschriftstellerin Jane Smiley verdanken die Leser dieser Kurzbiographie starke Einsichten. Die Biographin hätte sorgfältiger vorgehen können. Sie bezieht sich auf ihre Vorgänger John Forster, Peter Ackroyd und Claire Tomalin, verzichtet aber auf die entsprechenden bibliographischen Angaben. Auch ein tabellarischer Lebenslauf im Anhang hätte nicht geschadet, da Smiley sparsam datiert. Ihren leichten und flüssigen Schreibstil kann man nur ahnen, denn die deutsche Übersetzung holpert etwas und klingt mit vielen substantivischen Wendungen noch sehr englisch.

TANYA LIESKE

Jane Smiley: "Charles Dickens". Aus dem Englischen übersetzt von Constanze Krings. Claassen Verlag, München 2003. 272 S., geb., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jane Smileys Kurzbiografie stellt Charles Dickens als den "ersten modernen Schriftsteller" vor, neben dem "moderne Manager verblassen" würden, berichtet uns Tanya Lieske, die in Smileys Schilderungen neben dem "Medienphänomen" Dickens vor allem dessen groteske, anarchische Züge und private Konflikte, besonders in seinem Liebesleben, dargestellt findet. So bilden sein zwischen Extremen pendelndes Doppelleben und seine literarischen Neuerungen die Schwerpunkte Smiley Biografie. In erster Linie profitiere das Buch dabei von den schriftstellerischen Erfahrungen der Pulitzerpreis-Trägerin; dagegen komme die biografische Sorgfalt etwas zu kurz, bemerkt Lieske, da die Autorin "sparsam datiert". Einige bibliografische Angaben und ein tabellarischer Lebenslauf hätte dem Buch nicht geschadet, beanstandet unsere Rezensentin, die auch mit der Übersetzung nicht so recht zufrieden ist: denn die "holpert etwas". Ansonsten, so Lieske, zeigt die Autorin Dickens so, wie seine Zeitgenossen ihn erlebten, "das junge unbeschwerte Genie, dessen bedrückende Kindheit erst später bekannt wurde."

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