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Ihre Texte blieben ungedruckt. Zu offen, zu kritisch, zu modern waren sie in den Augen der Zensoren. Doch wer auf Freiheitssinn und eigener Sprache bestand, hatte als Dichterin in der DDR nicht selten einen hohen Preis zu bezahlen. Ines Geipel ist auf Spurensuche gegangen. Sie bringt Gesichter, Namen, Texte ans Licht: bewegende Schicksale von Dichterinnen, die in Ostdeutschland nicht zur Literaturgeschichte gehören sollten.
Ines Geipel schildert erschütternde Lebensgeschichten von Autorinnen in der DDR, deren Werke aus politischen Gründen ohne Öffentlichkeit blieben. Als staatsgefährdend
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Produktbeschreibung
Ihre Texte blieben ungedruckt. Zu offen, zu kritisch, zu modern waren sie in den Augen der Zensoren. Doch wer auf Freiheitssinn und eigener Sprache bestand, hatte als Dichterin in der DDR nicht selten einen hohen Preis zu bezahlen. Ines Geipel ist auf Spurensuche gegangen. Sie bringt Gesichter, Namen, Texte ans Licht: bewegende Schicksale von Dichterinnen, die in Ostdeutschland nicht zur Literaturgeschichte gehören sollten.
Ines Geipel schildert erschütternde Lebensgeschichten von Autorinnen in der DDR, deren Werke aus politischen Gründen ohne Öffentlichkeit blieben. Als staatsgefährdend eingestuft, zensiert oder völlig totgeschwiegen, entstanden die Texte ohne jede Rezeption durch das Publikum. Es wurden Dokumente künstlerischer Authentizität in einer Zeit, in der Kritisches durchweg extrem behandelt wurde. Das Buch ist ein originärer Beitrag zur Aufarbeitung der deutschen Nachkriegsgeschichte. Als Überblick über regimekritische, bislang unbekannte Autorinnen eröffnet es zugleich einen neuen Blick auf die Angst der Diktatur vor dem Wort.
Autorenporträt
Ines Geipel, geb. 1960 in Dresden, sechs Jahre DDR-Hochleistungssport mit Zwangsdoping und Weltrekord über 4 x 100 Meter. Nach dem Germanistik-Studium in Jena 1989 Flucht nach Westdeutschland und Studium der Philosophie und Soziologie in Darmstadt. 1996 gibt sie Gedichte und Prosa von Inge Müller heraus; daneben u.a. eigene Texte (ein Roman, eine Gedichtsammlung). Heute ist sie Professorin an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und Mitarbeiterin des Hannah-Arendt-Instituts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2009

Zum Schweigen gebracht

Literatur war in der DDR nicht nur, was dort offiziell veröffentlicht werden konnte: Der Schriftstellerin und Germanistin Ines Geipel gelingt eine eindrucksvolle Rehabilitierung unterdrückter weiblicher Stimmen aus der Diktatur.

Auf der Frontseite des Buchumschlags schauen uns vier junge Frauen an, zwei weitere auf der vorderen Umschlagklappe. Unter dieser Fotoreihe steht: "Autorinnen in Ostdeutschland 1945-1989". Da müssten wir sie eigentlich kennen, wenigstens einige von ihnen. Warum sind sie uns so fremd? Doch dann lehrt ein Blick auf den Buchtitel, dass wir uns zu schnell von den anmutigen Gesichtern haben ablenken lassen. "Zensiert, verschwiegen, vergessen" verkünden rote Lettern über den Fotos, und was das heißen soll, darüber informiert, kurz und drastisch, der Verlag in seinem Klappentext: "Dieses Buch erzählt von einer unbekannten literarischen Welt. Von Dichterinnen, deren Texte zur DDR-Zeit unveröffentlicht blieben. Ihre Gedichte galten als tendenziös, ihre Prosa als hetzerisch, ihre Lebenshaltung als systemzersetzend. Nicht wenige wurden verfolgt und verhaftet."

Insgesamt sind es zwölf Frauen, um deren Leben, Denken und Dichten es hier geht. Über neun von ihnen lässt sich genau das sagen, was der Klappentext uns vermittelt. In drei Fällen stimmt dessen Information nicht ganz: Die Autorin des Buches, Ines Geipel, beginnt ihre Darstellung mit Person und Werk der Ricarda Huch, und sie lässt keinen Zweifel daran, dass diese Dichterin nicht in die ostdeutsche Ecke des Vergessens abgeschoben wurde. Wie sollten Ulbrichts Kultur-funktionäre so etwas auch fertigbringen? Das gelang ja nicht einmal den braunen Machthabern, gegen die Ricarda Huch ebenfalls aufgemuckt hatte. Ihr Ruhm war in beiden Fällen einfach schon zu groß. So nimmt es nicht wunder, dass ihr Name alle Ausgaben des "Lexikons deutschsprachiger Schriftsteller" aus dem VEB Bibliographisches Institut Leipzig ziert und ihre Dichtungen dort umfangreich und detailfreudig vorgestellt werden. Allerdings gehen die Lexikon-Herausgeber nirgends darauf ein, dass die Schriftstellerin Huch 1947, kurz vor ihrem Tod, aus der damaligen Sowjetischen Besatzungszone flüchtete.

Die zweite Literatin, deren Schaffen nicht so ganz unbekannt blieb, heißt Susanne Kerckhoff. Sie war einst Feuilletonchefin der "Berliner Zeitung" im Osten der geteilten Stadt, schrieb Gedichte, auch einen Roman, veröffentlicht im Mitteldeutschen Verlag, Halle. Ihr Mädchenname lautete Harich, daher gehörte sie von vornherein in die Reihen der frühen Ost-Prominenz. Die Mutter, Eta Harich-Schneider, war eine angesehene Cembalistin. Der Vater, Walther Harich, war Schriftsteller. Der Halbbruder, Wolfgang Harich, aus des Vaters zweiter Ehe stammend, war Schriftsteller und Philosoph, später Staatsfeind; Ulbrichts Gerichte bestraften ihn 1957 wegen seiner "falschen Auffassungen" vom Sozialismus mit zehn Jahren Zuchthaus. Die Schwester hat das nicht mehr miterlebt, sie starb im März 1950 - durch Selbstmord, wie es offiziell hieß, und zwar aus unerfüllter Liebe, so wurde gemunkelt. Im selben Jahr erschien, ebenfalls im Mitteldeutschen Verlag, ein "Gedenkbuch für Susanne Kerckhoff", das zahlreiche Proben ihrer Lyrik und Prosa darbot, dazu Würdigungen der Verstorbenen aus den Federn des Dichters Arnold Zweig und des Literaturkritikers Paul Rilla. Im DDR-Schriftstellerlexikon freilich, dessen erste Ausgabe 1960 auf den Markt kam, sucht man den Namen Kerckhoff vergebens.

Mit Selbstmord endete 1966 auch Inge Müller, Ehefrau des Dramatikers Heiner Müller. Ihr Name und ihr OEuvre werden vom Schriftstellerlexikon nicht verschwiegen, wohl aber die Art ihres Todes und die eventuellen Gründe dafür. Ines Geipel dagegen versucht herauszubekommen, was einen solchen Menschen bedrückte und warum sie so dramatisch reagierte. Es ist natürlich schwierig, aus ferner Vergangenheit eherne Beweisstücke zu graben. Aber einleuchtende Indizien fördert Ines Geipel durchaus zutage. So zum Beispiel Ermittlungsberichte der Stasi, in denen es heißt, "die politische Einstellung der Müllers" sei negativ, Heiner wie Inge gingen "vor allem sehr westlich gekleidet", und die Nachbarn empörten sich dagegen. Der Druck, den derartige Existenzbedingungen ausüben, hat seinerzeit auch andere Persönlichkeiten zerstört.

Umso mehr imponiert es, dass die übrigen neun Dichterfrauen dies zu überstehen vermochten. Sie wurden in finstere Winkel gedrängt, einige von ihnen inhaftiert und dem barbarischen Alltag in DDR-Haftanstalten überantwortet. Keine von ihnen konnte vor dem Ende des Ost-Staates darauf hoffen, anerkannt zu werden und die Ergebnisse ihrer literarischen Bemühungen veröffentlicht zu sehen. Die Folge ist, dass ihre Namen uns nicht vertraut sind, wir hier zum ersten Mal von ihnen, ihrem Leben und Leiden, ihren Gedichten und Erzählungen erfahren. Sie heißen Edeltraut Eckert und Ursula Adam, Eveline Kuffel und Jutta Petzold, Hannelore Becker und Heidemarie Härtl, Gabriele Stötzer, Sylvia Kabus und Raja Lubinetzki. Nicht alle, aber immerhin einige haben ihre Schreibarbeit wiederaufgenommen, nachdem 1989/90 der schier unerträgliche Druck der Obrigkeit von ihrem Leben, Denken und Schaffen gewichen war. Doch würde die neue, die gesamtdeutsche Öffentlichkeit wohl nicht viel von ihnen wahrnehmen, von den durchstandenen Leiden, den Kämpfen, wäre da nicht dieses Buch der Ines Geipel, das tief in jenen Teil deutscher Vergangenheit blicken lässt.

Zu den bemerkenswerten Leistungen von Ines Geipel gehört auch die einfühlsame Sprache, mit der sie ihre Leser in die unbekannten Literaturstücke hineinführt. Sie vermittelt den Eindruck, als sei sie mit den zitierten Stellen ganz und gar intim und deshalb in der Lage, auch uns in dieses Kunsterlebnis zu integrieren. Wer nur ein bisschen interessiert ist, wird von ihr viel lernen können, und das mit Leichtigkeit. Nur ganz selten unterlaufen ihr ein paar von den sprachlichen Patzern, die das moderne Deutsch leider verunzieren, wie etwa "beinhalten", "schlussendlich", "zögerlich". Auch sachliche Fehler kommen vor, so bei der Erwähnung des Stalin-Nachfolgers Chruschtschow, der hier mit dem Vornamen Nikolai ausgestattet ist, tatsächlich aber Nikita hieß. Oder im Zusammenhang mit Susanne Kerckhoff, über die, so liest man, von November 1950 an ein "Schreibverbot für die Tagespolitik" verhängt wurde. Zu jenem Zeitpunkt war sie jedoch schon acht Monate tot.

Hier müsste man wohl vor allem dem Verlag ins Gewissen reden, der seiner Autorin mehr korrigierende Unterstützung schuldig gewesen wäre. Aber eigentlich ist es nur die eindrucksvolle Lektüre, die einen bedauernd auf Schönheitsfehler schauen lässt, welche die große Leistung dieses Buches aber nicht schmälern.

SABINE BRANDT

Ines Geipel: "Zensiert, verschwiegen, vergessen". Autorinnen in Ostdeutschland 1945-1989. Patmos Verlag, Düsseldorf 2009. 288 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Sabine Brandt stellt dieses Buch eine große Leistung dar. Seine kleinen sprachlichen und sachlichen Patzer fallen ihr nur aus diesem Grund überhaupt auf. Eine Sache des Lektorats, findet sie und widmet sich ganz Ines Geipels Versuch einer Rehabilitierung unterdrückter Autorinnenstimmen aus der DDR. Von den behandelten zwölf Frauen, deren Leben und Dichten Geipel vorstellt, sind Brandt drei (darunter Ricarda Huch) zwar nicht so unbekannt wie der Klappentext vermittelt. Doch die Autorin selbst weiß in diesen Fällen zu unterscheiden. Zu Inge Müller dagegen gibt Geipel der Rezensentin Indizien aus den Ermittlungsberichten der Stasi an die Hand, die ein neues Licht auf den Selbstmord der Dichterin werfen. Und die Geschichten hinter Namen wie Ursula Adam oder Sylvia Kabus hört Brandt hier zum ersten Mal. Geschichten, die die Rezensentin dank der "einfühlsamen" Sprache und intimen Kenntnis der Autorin tief in einen unbekannten Teil deutscher Vergangenheit blicken lassen.

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