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Unzählig sind die Erscheinungsformen des Rassismus, millionenfach seine Opfer. Delacampagne behandelt die wichtigsten historischen Etappen des Rassismus seit der Antike. Von der Judenfeindschaft im Mittelalter als fataler Vorstufe des modernen Rassenwahns bis in die Zeit der kolonialen Eroberungen. Opfer sind nun die Indianer und die Schwarzen in Amerika. Es entsteht die wahnhafte Idee einer weißen oder germanischen "Herrenrasse", die dem Nationalsozialismus die ideologische "Rechtfertigung" für den millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma liefern wird. Vehement verurteilt Delacampagne…mehr

Produktbeschreibung
Unzählig sind die Erscheinungsformen des Rassismus, millionenfach seine Opfer. Delacampagne behandelt die wichtigsten historischen Etappen des Rassismus seit der Antike. Von der Judenfeindschaft im Mittelalter als fataler Vorstufe des modernen Rassenwahns bis in die Zeit der kolonialen Eroberungen. Opfer sind nun die Indianer und die Schwarzen in Amerika. Es entsteht die wahnhafte Idee einer weißen oder germanischen "Herrenrasse", die dem Nationalsozialismus die ideologische "Rechtfertigung" für den millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma liefern wird. Vehement verurteilt Delacampagne den Rassismus der Gegenwart in Europa, aber auch den in vielen Weltregionen verübten Völkermord aus rassistischen Motiven.

"Delacampagnes Gesamtschau ist übersichtlich gegliedert, hochinformativ und allgemein verständlich, Überdies werden hier längst Überfällige Korrekturen an unserem Geschichtsbild vorgenommen."

R. Habermas, Frankfurter Rundschau zu Delacampagnes "Geschichte der Sklaverei"
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.03.2005

Monstren überall
Unfreiwillige Vorläufer: Christian Delacampagnes seltsame Ansichten über Rassismus
Im Jahr 2000 hat Christian Delacampagne sechs Bücher publiziert, die er in seiner Vita unter dem Rubrum „Hauptwerke” aufgezählt hat. Für das Jahr 2002 sind dort vier neue Bücher von ihm aufgeführt, eines über die Geschichte der Sklaverei, eines über die Angst vor dem Tod, eines über die Frage, ob Kriege unvermeidlich seien, und eines über den Maler Balthus.
Nachdem das Buch über die Sklaverei von der deutschen Kritik recht gut aufgenommen wurde, hat der Verlag nun eines der Bücher aus dem Jahr 2000 herausgebracht: „Die Geschichte des Rassismus”. Schon in seiner Dissertation hat der Autor, der seit 2002 an der angesehenen Johns Hopkins University über frankophone Literatur doziert, sich mit dem Rassismus beschäftigt. Man könnte also annehmen, dass er sich in der Thematik etwas auskennt. Sein Buch zeugt davon freilich wenig.
In der U-Bahn fängt es an
Rassismus ist ein schillernder Begriff, dies nicht nur, weil er die moralische Beurteilung des Phänomens, das er bezeichnet, schon in sich trägt, sondern vor allem deshalb, weil er so jung ist: Erst im 20. Jahrhundert kam er in Gebrauch. Bezogen auf alle vorhergehenden Epochen ist der Ausdruck mithin anachronistisch; wer ihn trotzdem verwendet, muss darlegen, was er darunter versteht.
Aber schon hier hapert es bei Delacampagne. Zu Beginn seines Buches schreibt er: „Kurz gesagt ist Rassismus der Hass auf den Anderen, weil er anders ist. Der Hass auf Schwarze, weil sie Schwarze sind, auf Polizisten, weil sie Polizisten sind, auf Homosexuelle, weil sie homosexuell sind.” Auch „der Hass - dieses Gefühl, das uns manchmal ankommt, wenn uns ein ,Scheißkerl‘ in der U-Bahn auf die Füße steigt”, sei „bereits Rassismus”.
Hinter dieser zunächst harmlos wirkenden „Geisteshaltung”, erklärt Christian Delacampagne, stecke die „immer unterschwellig vorhandene Überzeugung, dass sich manche psychischen oder kulturellen ,Mängel‘ der Angehörigen der verhassten Gruppe wie von selbst, automatisch sozusagen, aus bestimmten physischen Eigenschaften ergeben, die diesen angeboren sind. Anders gesagt, aus gewissen ,genetisch‘ bedingten Eigenschaften, die sie zu einer ,Rasse’ machen.”
Mit diesen Sätzen hat der Autor sein Buch von Anfang an unmöglich gemacht. Zu dem anachronistischen Ausdruck „Rassismus” und einem allzu breiten Verständnis davon, was das sei, gesellt sich nun der gleichfalls anachronistische Ausdruck „genetisch”. Bezüglich der altgriechischen politisch-sozialen Unterscheidung der Menschen „in freie Männer einerseits und in Frauen, Kinder und Sklaven andererseits” schreibt Delacampagne: „Diese Klassifizierungen stellen aber sehr wohl biologische Einteilungen ,rassistischer‘ Natur dar.” Sodann behauptet er, dass Aristoteles letztlich wohl doch ein Rassist gewesen sei, weil er Barbaren, Frauen und Sklaven weniger Rechte als den freien griechischen Männern zumaß. So gesehen, wäre auch Diogenes ein Rassist gewesen, weil er jemanden nicht leiden konnte, der ihm den Blick auf die Sonne verstellte.
Zwischen politischen und biologischen Argumenten differenziert Delacampagne nicht. Auch ist der religiös bedingte Antijudaismus des Mittelalters und der frühen Neuzeit für ihn das Gleiche wie der rassistische Antisemitismus, der anschließend hinzukam. Andere gibt es, die das ähnlich sehen, und sich darum bemüht haben, ihre Ansicht zu belegen. Dieser Autor indes ist um die Gründe für seine Behauptungen nicht sonderlich bemüht. Er schreibt für ein Publikum, das seiner Meinung ist und einer echten Erläuterung nicht bedarf.
Menstruation und Eugenik
Über ein auf Griechisch abgefasstes altägyptisches Schriftstück sagt er: „Man erfährt hier in wenigen, schon alles besagenden Worten, dass es zu dieser Zeit in Memphis Leute gab, ,die die Juden zum Kotzen fanden‘”. Nichts ist damit besagt - vom Kontext, der nicht erklärt wird, gar nicht zu reden, wüsste man gern, was der Autor dieses Satzes tatsächlich geschrieben hat.
Weil Frauen menstruieren, beschuldigt Delacampagne Antike und Mittelalter immer mal wieder, die Frau quasi als „Monstrum” zu betrachten. Zitate dafür nennt er nicht. Das Wort indes kommt ihm gelegen und wird mehrmals erwähnt. Man fragt sich, ob Delacampagne weiß, dass der Begriff jahrhundertelang ein üblicher Terminus der Naturgeschichte war, bis Maupertuis im 18. Jahrhundert Aufsehen mit der These machte, dass die so genannten Monstren in Wahrheit bedauernswerte Geschöpfe seien, echte Menschen, die zu ihrem Unglück entstellt auf die Welt kamen. Die 17 Zeilen, die Maupertuis in diesem Buch gewidmet sind, werden hingegen von dem Fazit gekrönt, er sei der „unfreiwillige Vorläufer der Rassenlehre eines Adolf Hitler” gewesen. Immerhin: unfreiwillig.
Dass Delacampagne den Aufklärungsdenkern vorwirft, sie hätten späteren Konzepten der „Erbgesundheit” den Weg bereitet, nimmt den Leser dann nicht mehr wunder - „die Eugenik lässt grüßen”, schreibt er, immer noch im Hinblick auf das 18. Jahrhundert, eine Zeit, da man wusste, nichts Genaues darüber zu wissen, warum bestimmte Eigenschaften sich vererbten, wozu viele gelehrte Zeitgenossen nicht nur die Hautfarbe zählten, sondern auch - zum Beispiel - Tapferkeit im Kampf.
So verzerrt die Darstellung im Einzelnen ist, so erratisch ist der Aufbau des Buches. Der Autor hat einzelnen verfolgten Ethnien je ein Kapitel gewidmet. Zunehmend gleitet er allerdings von der Ideengeschichte in die Ereignisgeschichte über und beschäftigt sich unter anderem mit den Völkermorden an Armeniern, Juden, Sinti und Roma.
Auf den letzten rund hundert Seiten seines Buches, die dem 20. Jahrhundert gelten, sagt Delacampagne seinen Lesern wenig Neues. Freilich überrascht er auch hier mit bizarren Ansichten. Ein Beispiel muss genügen: „Die Gleichgültigkeit”, die Jospins Regierung angeblich gegenüber antisemitischen Übergriffen an den Tag gelegt habe, sei „wahrscheinlich einer der Gründe für ihre Wahlniederlage im April 2002” gewesen. So überzeugend wie dieser Satz ist Delacampagnes ganzes Buch.
FRANZISKA AUGSTEIN
CHRISTIAN DELACAMPAGNE: Die Geschichte des Rassismus. Geschichte und Mythos. Aus dem Französischen von Ursula Vones-Liebenstein. Artemis und Winkler, Düsseldorf 2005. 324 Seiten, 24, 90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Franziska Augstein hat sich in keiner Weise überzeugen lassen von Christian Delacampagnes "Geschichte des Rassismus". Vielmehr zweifelt sie sehr an der fachlichen Kompetenz des Autors. Begrifflich geht es ihrer Ansicht nach in einem Maße drunter und drüber, dass Delacampagne sich bereits nach den ersten Seiten "unmöglich gemacht" hat. Darüber hinaus gibt der Dozent der Johns Hopkins University sich, so der Eindruck der Rezensentin, wenig Mühe mit dem Belegen seiner "bizarren" (Augstein) Ansichten, etwa der These, Aristoteles, der in seinen Schriften den freien Männern mehr Rechte zugestanden hat als Frauen, Kindern und Sklaven, sei auch ein Rassist gewesen. Hartes Fazit: Verzerrte Darstellung im Einzelnen, "erratischer" Aufbau des Ganzen.

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