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Es gibt nur wenige Personen des 20. Jahrhunderts, die ähnlich umstritten sind. Für die einen ein menschenverachtender Diktator, erkannten andere in ihm eine Hoffnung verheißende Lichtgestalt. Fast 45 Jahre lang regiert Castro inzwischen Kuba, er hat die Herrscher in Washington und Moskau kommen und gehen sehen und sich aller weltpolitischen Veränderungen zum Trotz behauptet. Leycester Coltman ist Castro so nahe gekommen wie nur wenige Ausländer, in einer Zeit, als Kuba - nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums - sich neu orientieren musste.

Produktbeschreibung
Es gibt nur wenige Personen des 20. Jahrhunderts, die ähnlich umstritten sind. Für die einen ein menschenverachtender Diktator, erkannten andere in ihm eine Hoffnung verheißende Lichtgestalt. Fast 45 Jahre lang regiert Castro inzwischen Kuba, er hat die Herrscher in Washington und Moskau kommen und gehen sehen und sich aller weltpolitischen Veränderungen zum Trotz behauptet. Leycester Coltman ist Castro so nahe gekommen wie nur wenige Ausländer, in einer Zeit, als Kuba - nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums - sich neu orientieren musste.
Autorenporträt
Leycester Coltman war Ende der 80er Jahre Leiter der Lateinamerika-Abteilung des britischen Außenministeriums, von 1991-1994 Botschafter in Havanna.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2005

Das Geheimnis des Máximo Líder
Der inzwischen 79-jährige Fidel Castro gab den Kubanern ihre Würde wieder, nahm aber während seiner langen Herrschaft vielen ihre Freiheit
Vor Jahren schon ist die hasserfüllte Tochter Fidel Castros, Alina Fernández, verbal unflätig über ihren Vater hergefallen. Einen „Affen” hat sie ihn genannt. „Ich warte auf seinen Tod”, hat sie im Dezember 2004 hinzugefügt. Und hat damit vielen Kubanern, vor allem im Exil in Miami, aus der Seele gesprochen. Aber der soeben 79 Jahre alt gewordene Castro tut den Gegnern diesen Gefallen nicht. Noch nicht. Einige Schwächeanfälle, die der Máximo Líder in aller Öffentlichkeit erlitten hat, gaben bereits zu Sorge oder Häme Anlass - je nach politischer Couleur.
Der Autor einer neuen Biografie über Fidel Castro, Sir Leycester Coltman, war von 1991 bis 1994 britischer Botschafter in Havanna. Das war eine für Kuba wirtschaftlich sehr schwierige Zeit, da nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Geld- und Ölquellen versiegten, auf die Kuba wegen der US-Blockade der Insel existentiell angewiesen war. „Während Coltmans Aufenthalt änderte sich die Welt für Kuba”, heißt es im Vorwort.
Castro, der nach dem Urteil der Biografin Jeanette Erazo Heufelder, von Haus aus Ethnologin, mittlerweile „eine Art absolutistischer Staatschef” geworden ist, musste bis dahin völlig Undenkbares miterleben: eine Demonstration mit Parolen gegen ihn, am 5. Mai 1994, mitten in Havanna. „Das war der Beginn der schwersten Ausschreitungen in der Geschichte der kubanischen Revolution”, schreibt Coltman. Dass Castro gewagt hat, sich den Protesten gegen die desolaten Lebensverhältnisse zu stellen, und dass es ihm gelungen ist, die erhitzten Gemüter zu beschwichtigen, ist sicher seinem noch immer nicht verblassten Charisma zuzuschreiben. Darin ist sich die Biografin Heufelder mit vielen Kuba-Kennern einig.
„Ich bin die Revolution”
Sie zeichnet die Stationen im Leben des Fidel Castro recht farbig nach: Die Kindheit im Hause eines Großgrundbesitzers aus dem spanischen Galicien, die Schulzeit vornehmlich bei den Jesuiten, das Jura-Studium im Zeichen der von bewaffneten Banden kontrollierten Universität Havanna und danach die Tätigkeit als „Anwalt der Armen”. Es folgte seine revolutionäre Laufbahn an der Spitze der kubanischen Guerilla, die den pomadigen Diktator Fulgencio Batista im Laufe des Befreiungskriegs Ende der 50er Jahre in die Knie zwang, und schließlich der unaufhaltsame Aufstieg zur Macht. Als Staatspräsident, Ministerpräsident und Parteichef in einem macht er die kubanische Politik fast allein, nach dem Motto: „Ich bin die Revolution.”
Heufelder, die den kubanischen Politiker in seiner Widersprüchlichkeit zeigen und laut Untertitel einen „privaten Blick auf den Máximo Líder” werfen will, hat keine konventionelle Biografie verfasst. Sie legt vielmehr eine „Sammlung von Geschichten, Fakten, Legenden und Zitaten” vor, die sich kaleidoskopartig zu einem prägnanten Gesamtbild zusammenfügen. Der private Blick allerdings ist nicht so sehr ergiebig. Dass Castro gerne Domino spielt, schnorchelt, Langustenrezepte ausprobiert, für sein Leben gerne Spaghetti kocht, ganz zu schweigen von seinen sportlichen Ambitionen, seinem Baseball-Faible, ist gut zu wissen. Aber allzu viel geben diese Notizen für ein „Psychogramm der Macht” nicht her, wie der Waschzettel es verheißt. Dass sowohl der private Fidel Heufelders wie der „wahre” Castro Coltmans eher nur schemenhaft präsentiert werden, hängt damit zusammen, dass dessen Privatleben absolut tabu ist und wie ein Staatsgeheimnis behandelt wird. Wer weiß schon etwas über Dalia Soto del Valle, mit der Castro von Mitte der 60er Jahre bis zum Ende des letzten Jahrhunderts in einer nahezu monogamen Beziehung lebte, aus der fünf Söhne hervorgegangen sind, deren Vornamen alle mit „A” beginnen?
Jeanette Erazo Heufelder, deren Buch zwar einige wichtige Themen vermissen lässt, wie die Wirtschaftspolitik der ersten Jahre - Stichwort: Monokultur des Zuckers und gescheiterte Industrialisierung -, geht um so gründlicher, doch keineswegs unkritisch, auf die Errungenschaften der Revolution ein: das Bildungswesen und das Gesundheitssystem. Dass die Analphabetenrate nur noch drei Prozent beträgt, die Säuglingssterblichkeit nur noch sieben Promille, und dass die Lebenserwartung für Männer bei 75 und für Frauen sogar bei 79 Jahren liegt: Davon kann man im übrigen Lateinamerika, aber auch in manchen US-Bundesstaaten nur träumen.
Aber die Fortschritte, die diese Zahlen dokumentieren, müssen zur Legitimation von Mängeln des Systems herhalten, speziell der Defizite an bürgerlichen Freiheiten. Die Zeiten, da man die sozialen gegen die politischen Rechte ausgespielt hat, sind indes seit dem Ende des Kalten Kriegs vorbei. Sowohl Heufelder als auch Coltman gehen bei aller Sympathie für Fidel Castro mit der kubanischen Obrigkeit hart ins Gericht. Heufelder macht auf einen der zentralen Begriffe in Castros gesellschaftlichem Wertesystem aufmerksam: die „Würde”, die den Kubanern zur Zeit der Batista-Diktatur und der wirtschaftlichen Vorherrschaft der USA genommen worden war und die mit der Revolution, zum Beispiel durch die Alphabetisierungskampagne, zurückerobert werden sollte.
Bann über den Greenback
Was anfangs durchaus gelang. „Innerhalb kurzer Zeit sahen sich alle außer den sehr Reichen besser gestellt”, schreibt Coltman. Die meisten Kubaner konnten sich über weit höhere Löhne und Gehälter freuen, während sich die Mieten, die Arzneimittel sowie Strom und Gas bis zur Hälfte verbilligten. Die Umverteilung von oben nach unten in den Jahren 1959/60 hat zweifellos vielen Verarmten und Ausgegrenzten zu mehr Selbstachtung verholfen. Als Castro 1993 den Dollar als Zahlungsmittel wieder zuließ, drohte allerdings eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Während die einen mit ihren Dollars von der Verwandtschaft in Florida oder aus dem Tourismus-Betrieb recht gut leben konnten, wurden aus den anderen mit ihren abgegriffenen Pesos Deklassierte. Es ist abzuwarten, ob sich diese Entwicklung, nach dem neuerlichen Bann über den Greenback, revidieren lässt.
Die beiden Biografen gehen nur sehr spärlich auf die Sozialökonomie ein. Das ist ein gewisses Manko. Im Mittelpunkt steht der politische Mensch Fidel Castro, der von sich sagt: „Die Geschichte der Revolution und meine Biografie sind ein und dasselbe.” Weder Heufelder noch Coltman belassen es bei der bloßen
Darstellung der Lebensgeschichte
Castros. Sie mahnen vielmehr in ihren Büchern, zumindest indirekt, mehr
Demokratie in Kuba an. Mehr Macht für die pseudoparlamentarischen „Volksmacht”-Organe. Und einen anderen Umgang mit Dissidenten. Zwei empfehlenswerte Bücher.
FRANK NIESS
LEYCESTER COLTMAN: Der wahre Fidel Castro. Aus dem Englischen von Jens Knipp. Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2005. 464 Seiten, 29,90 Euro.
JEANETTE ERAZO HEUFELDER: Fidel - Ein privater Blick auf den Máximo Líder. Eichborn, Frankfurt am Main 2004. 394 Seiten, 24,90 Euro.
Seit fast einem halben Jahrhundert unumschränkter Herrscher auf Kuba: Fidel Castro.
Foto: Reuters
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2005

Starrsinnig in Havanna
Aus der Perspektive eines britischen Diplomaten: Fidel Castros Leben

Leycester Coltman: Der wahre Fidel Castro. Biographie. Aus dem Englischen von Jens Knipp. Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf 2005. 464 Seiten, 29,90 [Euro].

Kein lebender Politiker der Welt hat so lange sein Land regiert wie Fidel Castro die Republik Kuba: seit dem 1. Januar 1959. Das heutige Kuba mit seinen positiven wie auch vielen negativen Seiten ist das Werk einer einzigen Person, des mit Recht "máximo líder" genannten früheren Rechtsanwalts Fidel Castro Ruz. Nichts deutet darauf hin, daß der inzwischen 78 Jahre alte Castro vor seinem Tod auch nur einen Teil seiner Macht abgeben wird. Über Castro sind in dem knapp halben Jahrhundert seiner Herrschaft zahlreiche Bücher geschrieben worden. Die neueste Publikation in Deutschland, geschrieben von dem britischen Diplomaten und früheren Botschafter in Havanna, Leycester Coltman, erweist sich selbst den Kennern der jüngsten Geschichte Kubas von Nutzen. Coltman, lange Zeit auch Leiter der Lateinamerika-Abteilung im Foreign Office, kennt sich in den Einzelheiten des Lebens von Castro sehr gut aus. Er fällt nicht auf Gerüchte - in einem Land ohne Pressefreiheit wie Kuba besonders häufig -, Klatsch oder gezielte Fehlinformationen herein. Er setzt sich mit den Argumenten von Anhängern wie Gegnern der kubanischen Revolution auseinander und hält sich mit eigenen Werturteilen eher zurück. Der Diplomat weist eingehend auf das übertriebene Selbstbewußtsein und die fehlende Sensibilität Castros hin. Optimismus, verbunden mit einem störrischen Charakter, haben ihn für gutgemeinte Ratschläge unzugänglich gemacht.

Sehr genau zeichnet Coltman die ideologische Entwicklung Castros nach, so dessen langen Weg hin zum Marxismus-Leninismus, der in Etappen verläuft und von äußeren weltpolitischen Ereignissen - besonders auch von der Haltung der Vereinigten Staaten zu Kuba - mitbestimmt wird. Die oft gestellte Frage, wann genau Castro sich als Kommunist fühlte und als solcher zu erkennen gab, ist für Coltman von zweitrangiger Bedeutung, zumal die ideologische Entwicklung der kubanischen Revolutionäre nicht geradlinig verläuft und das Verhältnis Havannas zu Moskau von manchen Rückschlägen wie immer neuen Annäherungen gezeichnet ist. Er zitiert Gorbatschow, der nach einem Besuch in Havanna der britischen Premierministerin Thatcher auf deren Bitte, Castro zu Reformen zu bewegen, antwortete: "Wenn Sie glauben, wir könnten Castro kontrollieren, irren Sie sich leider. Er wird einen eigenen Weg einschlagen. Unsere Einflußmöglichkeiten sind gleich Null."

Der Regierungsversion allzu nahe wirkt Coltmans Darstellung des Falles Ochoa. Die Hinrichtung des populären Generals Ochoa und des Obersten de la Guardia im Juli 1989 nach einem Schauprozeß wegen angeblich eigenmächtiger Zulassung der Drogentransporte über Kuba wurde Castro selbst von guten Freunden als schlimmes Vergehen angekreidet. Die zahlreichen Hinweise darauf, daß die Hingerichteten im Auftrage höherer Stellen handelten, werden von Coltman im Gegensatz zu anderen Kuba-Experten nicht ernst genommen. Der ehemalige Botschafter bevorzugt in dem tragischen Fall Ochoa/de la Guardia eine diplomatisch-vorsichtige Version.

Coltman kritisiert die Kuba-Politik der Vereinigten Staaten als ignorant und herablassend. Er verschweigt nicht die zahlreichen Versuche amerikanischer Geheimdienste, Castro zu ermorden. Die letzten Kapitel berichten dann nur noch resümierend über jene Zeit, in der Coltman nicht mehr im auswärtigen Dienst tätig war. Als das Buch 2003 in Großbritannien erschien, war der Autor bereits verstorben. Sein Übersetzer gibt jetzt leider zahlreiche Ausdrücke weder im spanischen Original noch in deutscher Übersetzung, sondern auf englisch wieder. Da wird das berühmte Hotel Nacional zum National-Hotel und La Ciudad de México nicht zu Mexiko-Stadt, sondern zu Mexiko City. Auch ohne die bisher letzten Jahre in Castros Leben erscheint der Máximo Líder am Ende des Buches von Coltman als ein einsamer starrsinniger Mann, in der Weltpolitik alleinstehend, doch noch mit ausreichender Unterstützung im eigenen Land, um sich dort an der Macht zu halten.

WALTER HAUBRICH

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zufrieden ist Rezensent Walter Haubrich mit dieser Biografie Fidel Castros, die der britische Diplomat und frühere Botschafter in Havanna, Leycester Coltman, vorgelegt hat. Selbst Kenner der jüngsten Geschichte Kubas können seines Erachtens daraus Nutzen ziehen, weiß Coltman über Einzelheiten in Castros Lebens doch bestens Bescheid. Haubrich lobt Coltman ausgewogene Darstellung und seine Zurückhaltung bei Werturteilen. Auch die genaue Nachzeichnung der ideologischen Entwicklung Castros findet er überzeugend. Die Kuba-Politik der Vereinigten Staaten kritisiere Coltman als "ignorant und herablassend". Auch die zahlreichen Versuche amerikanischer Geheimdienste, Castro zu ermorden, verschweige er nicht. Kritik übt Haubrich nur an Coltmans Darstellung des Falls des populären General Ochoas, der 1989 nach einem Schauprozess hingerichtet wurde. Diese erscheint ihm "allzu nahe" an der Regierungsversion.

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