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550 Jahre ist es her, dass der byzantinische Staat sein Ende fand: Im Morgengrauen des 29. Mai 1455 ließ Sultan Mehmed II. zum Sturm auf die umzingelte Hauptstadt blasen - Konstantinopel wurde zu Instanbul. Das Byzantinische Reich, das mehr las ein Jahrtausend bestand, hinterließ ein reiches Erbe. Machtvolle Bauwerke, leuchtende Mosaiken, expressive Fresken zeugen von der Ausstrahlungskraft einer großen Kultur am Kreuzungspunkt von Ost und West, von christlichem Okzident und islamischem Orient. John Haldon geleitet Sie sicher und souverän durch die bewegte Epoche der byzantinischen Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
550 Jahre ist es her, dass der byzantinische Staat sein Ende fand: Im Morgengrauen des 29. Mai 1455 ließ Sultan Mehmed II. zum Sturm auf die umzingelte Hauptstadt blasen - Konstantinopel wurde zu Instanbul.
Das Byzantinische Reich, das mehr las ein Jahrtausend bestand, hinterließ ein reiches Erbe. Machtvolle Bauwerke, leuchtende Mosaiken, expressive Fresken zeugen von der Ausstrahlungskraft einer großen Kultur am Kreuzungspunkt von Ost und West, von christlichem Okzident und islamischem Orient.
John Haldon geleitet Sie sicher und souverän durch die bewegte Epoche der byzantinischen Geschichte und führt Ihnen deutlich die Kräfte vor Augen, die den Kosmos der Byzantiner geprägt haben: das Fortleben der antiken Kultur, der Glanz des Kaisertums, diesebstbewusste orthodoxe Kirche, die Begegnungen und die Konflikte mit der westlichen Christenheit.
Autorenporträt
John Haldon ist Inhaber des traditionsreichen Lehrstuhls für Byzantinistik an der University of Birmingham. Er zählt zu den international führenden Gelehrten seines Fachs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2003

Kaisers Beamte waren nicht korrupter als andere
Kundig auf neuestem Forschungsstand: John Haldon beleuchtet die Welt der Byzantiner

"Gesetzt, der Körper eines Menschen wäre nicht anmutig geformt und seine Glieder wären wie zufällig angeordnet und unharmonisch gestaltet, so würde man sagen, das Ergebnis sei Wirrnis und Unordnung. Dasselbe ist wahr für das Gemeinwesen . . ., denn wenn es nicht durch Ordnung geleitet und regiert wird, dann unterscheidet es sich in keiner Weise von der vulgären Körperbeschaffenheit jenes Menschen." Dies ist nicht etwa ein apologetischer, altertümlich formulierter Text aus dem Archiv des Deutschen Beamtenbundes, der in Zeiten, da wieder einmal allerorten die Entbehrlichkeit der teuren Beamten propagiert wird, deren Unentbehrlichkeit für die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung dokumentieren soll, sondern ein Passus aus dem "Zeremonienbuch" zur Zeit des Kaisers Konstantin VII. (913 bis 959). Ziel dieser Ausführungen ist es, die zentrale Rolle des Kaiserzeremoniells zu unterstreichen, das erst in all seiner (detailbesessenen) Regelhaftigkeit die Schönheit eines wohlgeordneten Staatswesens verkörpere. Zahlreiche Hofbeamte und niedere Chargen hatten denn auch Tag für Tag nichts anderes zu tun, als peinlich genau für die Beachtung von Rangstufen und Würdentiteln bei kaiserlichen Banketten zu sorgen.

Derartige Auswüchse höfischen Lebens gehören zu der landläufigen Vorstellung, die man sich von Byzanz und vom "Byzantinismus" zu machen pflegt, und es gehört nicht zu den geringsten Verdiensten von Haldons Buch, dieses Bild durch nüchterne Betrachtungen zu korrigieren und der Leserschaft die Rationalität eines politischen und gesellschaftlichen Systems zu verdeutlichen, das vollständig auf den Kaiser ausgerichtet war.

"Byzanz in neuem Licht", lautet das plakative Motto, unter welches der Verlag das Buch im Klappentext stellt. Angesichts diverser, auch neuester Überblickswerke zu Byzanz und Teilabschnitten seiner Geschichte (darunter Otto Mazals voluminöse, allzu konventionelle Beschreibung der Herrschaft Justinians, vgl. F.A.Z. vom 8. November 2002) ist freilich nicht zu sehen, inwiefern eine generelle Neubewertung des "byzantinischen Jahrtausends" angezeigt wäre, und so kommt der Autor des Buches, der in Birmingham lehrende Byzantinist John Haldon, denn auch sehr viel nüchterner und bescheidener daher als sein Werbetexter. Nach seinen eigenen Worten will er weder eine neue Gesamtdarstellung vorlegen noch "eine vollständige und umfassende Geschichte der byzantinischen Welt und ihrer komplexen Kultur" präsentieren, sondern nur durch die Behandlung bestimmter Aspekte zeigen, "wie der byzantinische Staat in der Realität funktionierte, wie er in der Gesellschaft, die ihn stützte, verwurzelt war und wie er diese Gesellschaft seinerseits formte".

Diesem Ziel wird das Buch in jeder Hinsicht gerecht. Es bietet in einem ersten Teil einen etwas trockenen, ereignisgeschichtlichen Abriß der Zeit von zirka 300 bis 1453 und stellt in seinem zweiten, größeren Abschnitt die "Welt der Byzantiner" vor: gelehrt, auf neuestem Forschungsstand, unter Einbeziehung archäologischer und kunstgeschichtlicher Erkenntnisse; sogar griechische Begriffe (die stets übersetzt und erläutert werden) finden sich in nicht geringer Zahl. Erkennbar nimmt hier ein Spezialist das Anliegen ernst, einem interessierten, weniger an Unterhaltung als an kundiger Unterweisung interessierten Publikum sein Thema nahezubringen.

In seinem Schlußwort postuliert Haldon eine genuin byzantinische Geschichtsschreibung der Moderne: "Byzanz sollte am besten nach seinem eigenen Recht beurteilt werden, weder als Vorläufer von irgend etwas noch als Nachfolger von etwas Größerem: des Römischen Reiches." Glücklicherweise versucht er gar nicht erst, dieses unmögliche Programm einzulösen - wie auch sollte Byzanz, das sich explizit in die Tradition des Imperium Romanum stellte, losgelöst von (spät-)römischen Voraussetzungen begriffen werden können? Haldon charakterisiert Byzanz an anderer Stelle als "die letzte antike Gesellschaft", und dieser ausgesprochen sinnvolle Blickwinkel erlaubt es ihm, die (spät-)römischen Verhältnisse als Folie und Vergleichsmuster für die Betrachtung heranzuziehen, um sowohl Kontinuitätslinien als auch Transformationsprozesse und Neuerungen in der byzantinischen Geschichte verdeutlichen zu können.

So gilt auch für Byzanz, daß mindestens achtzig Prozent der Bevölkerung auf dem Agrarsektor beschäftigt waren, die Infrastruktur sowie das Straßen- und Wegenetz gingen auf römische Anlagen zurück, das Finanz- und Steuerwesen erweist sich als Weiterentwicklung des spätantiken Kopf- und Bodensteuersystems, die byzantinischen Armeen bildeten, nicht anders als in der Spätantike, ein buntes Gemisch aus - vielfach fremden - Söldnern oder "Verbündeten" (die nicht selten eigene Ziele verfolgten), und aus dem dichten spätantiken Städtenetz, das wiederum auf der alten Polis-Kultur fußte, wurde ein byzantinisches Siedlungswesen, welches vom kastron, dem Festungsort, geprägt wurde. Entgegen weitverbreiteten Annahmen kann Haldon zeigen, daß Byzanz nicht für Bürokratie, Verkrustung und Korruption steht: "Der Verwaltungsapparat war nicht korrupter als alle anderen vormodernen, einigermaßen gut organisierten Staatswesen auch."

Fundamentale Bedeutung besaß natürlich die enge Beziehung zwischen Staat und Kirche. Kaiser Justinian (527 bis 565) hatte dieser Einheit von weltlicher und kirchlicher Macht bereits im Vorwort zu seiner sechsten Novelle programmatische und geradezu zeitlose Gültigkeit verliehen: "Die vorzüglichsten Gottesgaben unter den Menschen, verliehen von der höchsten Güte, sind die priesterliche Würde und das weltliche Herrscheramt; von denen steht jenes den göttlichen Angelegenheiten zu Diensten, dieses aber lenkt die menschlichen Angelegenheiten und trägt für sie Sorge; beides aber geht von ein und demselben Ursprung aus und schmückt das menschliche Leben."

Aus dieser geradezu symbiotischen Verbindung resultierten sowohl die Blüte der Kirchenorganisation (gerade auch in ökonomischer Hinsicht) als auch Verwerfungen in Staat und Gesellschaft: Schnell war man in Krisen- und Konfliktsituationen mit dem Vorwurf der Häresie, des Irrglaubens oder des Verrats am göttlichen Auftrag an der Hand, Sekten und Sonderkirchen schossen wie Pilze aus dem Boden, und nicht nur der in mehreren Phasen mehr als hundert Jahre (727 bis 843) andauernde Bilderstreit zeigt, daß es von der theologischen Kontroverse zum blutigen Bürgerkrieg nicht selten nur eines kleinen Schrittes bedurfte.

Stets blieb das Verhältnis zwischen sacerdotium und imperium spannungsreich und konflikthaft, und darin liegt vielleicht nicht die einzige strukturelle Gemeinsamkeit zwischen westlichem und östlichem Mittelalter. Denn es gilt schließlich jeweils, daß die Moderne ohne die über das Mittelalter vermittelte Antike nicht eigentlich zu begreifen ist, was Haldon mit Blick auf den Osten nachdrücklich hervorhebt: "Weder die Geschichte des modernen griechischen Staates und seines Verhältnisses zur Türkei noch die Geschichte der südlichen und zentralen Balkanländer erschließen sich einem tieferen Verständnis ohne die Anerkennung jenes entscheidenden Einflusses der byzantinischen Vergangenheit."

HARTWIN BRANDT

John Haldon: "Das byzantinische Reich". Geschichte und Kultur eines Jahrtausends. Aus dem Englischen von Harald Ehrhardt. Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf, Zürich 2002. 256 S., Farb- und S/W-Abb., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Klappentext verspricht, hier werde "Byzanz in neuem Licht" präsentiert. Das Buch könne das nicht halten, meint der Rezensent Hartwin Brandt, aber nicht der Autor, nur der Werbetext nehme hier den Mund zu voll. Haldons Absicht nämlich war es, "bestimmte Aspekte" der Geschichte von Byzanz noch einmal gründlich zu betrachten. So interessiert ihn insbesondere die Frage, "wie der byzantinische Staat in der Realität funktionierte" und wie er mit der Gesellschaft verknüpft war. Zentrale Erkenntnisse liegen in der Beschreibung von Byzanz als Transformationen unterliegender Fortsetzung der antiken Gesellschaft, auch in der Betonung des sehr - und oft verhängnisvoll - engen Verhältnisses von Staat und Kirche. Vom etwas "trockenen" ersten Teil, der die Ereignisgeschichte des byzantinischen Jahrtausends zusammenfasst, abgesehen, hat der Rezensent gegen das Buch keine Einwände. Der Autor erweise sich als "gelehrt" und in jeder Hinsicht "auf neuestem Forschungsstand."

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