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Colognesis Untersuchung zeichnet die Beschäftigung Max Webers mit der Wirtschaft der Antike nach.
Max Webers gewaltiges Lebenswerk ist zu wesentlichen Teilen aus seiner Habilitationsschrift von 1891 "Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht" hervorgegangen. Capogrossi Colognesis Untersuchung legt die Linien frei, die sich von dieser Arbeit bis in das Spätwerk Webers ziehen. Die Darstellung zeichnet sich durch eine sehr intime Kenntnis der intrikaten rechtlichen und feldmesserischen Institute aus, die in dem Erstling in höchst origineller Weise…mehr

Produktbeschreibung
Colognesis Untersuchung zeichnet die Beschäftigung Max Webers mit der Wirtschaft der Antike nach.

Max Webers gewaltiges Lebenswerk ist zu wesentlichen Teilen aus seiner Habilitationsschrift von 1891 "Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht" hervorgegangen. Capogrossi Colognesis Untersuchung legt die Linien frei, die sich von dieser Arbeit bis in das Spätwerk Webers ziehen. Die Darstellung zeichnet sich durch eine sehr intime Kenntnis der intrikaten rechtlichen und feldmesserischen Institute aus, die in dem Erstling in höchst origineller Weise behandelt worden sind. Der sorgfältig und einfühlsam übersetzte Text beweist darüber hinaus eine hohe Sensibilität für die Tatsache, dass sich aus den soziologischen, Antike und Neuzeit verbindenden Analysen Max Webers auch wesentliche Aufschlüsse für das Verständnis der Moderne gewinnen lassen.
Autorenporträt
Luigi Capogrossi Colognesi ist Professor für Römisches Recht an der Universität Rom.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2005

Antike als Jungbrunnen
Luigi Capogrossi Colognesi ist eine gute Weberologie gelungen

Es war einmal - es war einmal eine Zeit, in der an westlichen Universitäten und bei westlichen Intellektuellen ständig das Wort "Marx" zu fallen hatte und auch reichlich fiel. Dieses Verhalten, eine ziemlich harte Realität, hatte nichts Märchenhaftes an sich, aber märchenhaft mutet es einen an, daß seit geraumer Zeit das Wort "Marx" durch die beiden Worte "Max Weber" ersetzt zu sein scheint, zwei Worte, die vorher nur Hohn oder allenfalls mitleidiges Lächeln hervorgerufen hatten. Das ist um so märchenhafter, als dem keine gründliche wissenschaftliche Diskussion vorausgegangen ist, die etwa zum Ergebnis gekommen wäre, daß die Marxschen Kategorien unzutreffend seien, die Weberschen jedoch zutreffend. Nein, so etwas nur zu denken ist bereits naiv und verkennt den Charakter einer bestimmten Art wissenschaftlicher Diskussion, der darin besteht, daß es darauf ankommt, von welcher Seite der Wind weht. Der hat sich bekanntlich gedreht, und das dürfte um das Jahr 1989 herum geschehen sein.

Natürlich sind solche Bemerkungen dann ungerecht, wenn man etwa übersehen wollte, daß schon vorher wesentliche Bemühungen um die endgültige Erschließung des Werkes von Max Weber unternommen wurden; an herausragender Stelle ist die seit 1984 erscheinende Max Weber-Gesamtausgabe zu nennen, abgekürzt MWG, wobei auch das fehlende Schluß-A sie deutlich von der MEGA abhebt. Eine solche Edition hatte ja nur dann Sinn, wenn ein wissenschaftliches Bedürfnis danach bestand, sich auf einen gesicherten Text stützen zu können. Und dieses Bedürfnis gab es schon damals, und es nimmt ständig zu.

Parallel dazu liefen zahlreiche Studien, deren Absicht es war, tiefer in Max Webers Werk einzudringen und es für die eigene Arbeit nutzbar zu machen. Da Weber mit einer Arbeit über die römische Agrargeschichte habilitiert worden ist und auch anschließend der Geschichte des Altertums einen großen Teil seiner wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gewidmet hatte, sind die die Habilitationsschrift interpretierenden Texte Jürgen Deiningers sowie vor allem die kleineren Arbeiten Wilfried Nippels hervorzuheben, von denen man den hoffentlich nicht trügenden Eindruck hat, daß sie als Vorarbeiten zu einer umfassenden Darstellung gedacht sind. Eine eigene Art der Auseinandersetzung stellt das hier vorzustellende Buch dar. Es erhebt nämlich ausdrücklich nicht den Anspruch, sich inhaltlich mit Webers Arbeiten zur antiken Wirtschafts- und Sozialgeschichte auseinanderzusetzen, sondern es will nur "den Gedankengang Webers verstehen und wiedergeben", aber natürlich zu dem Zweck, die pragmatische Forschung zu fördern; dem dient auch das sehr nützliche Sachregister.

Max Webers Ansichten über die antike Geschichte unterlagen einem starken Wandel. Zum einen erweiterte sich das Untersuchungsfeld ständig. Es nahm seinen Ausgang von den römischen Agrarverhältnissen, die er in der Monographie von 1891 und in sich ihrerseits wieder voneinander unterscheidenden Handbuchartikeln behandelte, er wandte sich dann kurz den sozialen Ursachen des Untergangs der Antike zu und endete mit der unvollendeten Arbeit über die Stadt im weltgeschichtlichen Vergleich von etwa 1913/14, wobei er die altorientalischen und die mittelalterlichen Verhältnisse heranzog; zudem nahm er häufig auf die Antike in späteren Arbeiten Bezug. Zum anderen wurden zahlreiche unterschiedliche Sachverhalte und Begriffe behandelt, teils nur angerissen, teils genauer entwickelt.

Zur Sprache kamen etwa die Bedeutung der römischen Feldmeßkunst, die antike Sklaverei, der Küstencharakter der antiken Zivilisation, der sich aber auf das Festland erweiterte und somit veränderte, die spezifische Form eines antiken Kapitalismus, die Entstehung des Individualismus, der Unterschied zwischen Konsumentenstadt und Produzentenstadt, die Rolle des rationalistischen sowie der Unterschied zwischen vorwiegend politischem und vorwiegend ökonomischem Denken, die entscheidende Funktion der Religion, insbesondere der christlichen, die Charakterisierung der antiken und dann überhaupt der okzidentalen Stadt dadurch, daß ihre Bewohner aus der Organisation nach Geschlechterverbänden heraustraten und in nüchterne, rechtliche Beziehungen zueinander traten, Weber nennt das "Verbrüderung".

Schon die Habilitationsschrift über die römische Agrargeschichte war durch eine Quellenbehandlung gekennzeichnet, die Deininger "großzügig" nennt, und diese Tendenz zu großräumigen Entwürfen und Hypothesen verstärkte sich später deutlich. Da Weber sich auf den jeweils aktuellen Stand der Forschung bezog, der sich natürlich änderte, also seltener selber aus den Quellen forschte, und da die Texte eher verstreut publiziert wurden - "Die Stadt" wurde sogar erst im Nachlaß gefunden -, hatte es die Fachwissenschaft nicht leicht, ihm in allem zu folgen, ja ihn überhaupt sachgerecht zu interpretieren. Da aber Webers Fragestellungen und insbesondere seine Vergleiche außerordentlich anregend sind und weil außerdem sein Sprach- und sein Denkstil eine große Anziehungskraft ausüben, gibt es zahlreiche Bemühungen, seine Texte für die eigene Arbeit fruchtbar zu machen. Dabei ist nun eine gewisse Verlegenheit zu beobachten, die darin besteht, daß man bei aller Anerkennung seiner Genialität und der heuristischen Kraft seiner Modelle Weber aus sachlichen Gründen in vielem widersprechen muß.

Daher ist ein Buch wie das vorliegende willkommen, das den schon genannten begrenzten Zweck hat, Webers Denken in seiner historischen Entwicklung vorzuführen, das also "Weberologie" betreibt, um einen Ausdruck Wilfried Nippels zu verwenden. Obwohl manchmal etwas mehr Sorgfalt im Äußerlichen hätte walten können - so wechselt das falsche "Ptolomäer" mit dem richtigen "Ptolemäer" auf derselben Seite wild durcheinander ab - und obwohl es manchmal ermüdet, ständig Referate in indirekter Rede oder mit "nach Webers Ansicht" und ähnlichem lesen zu müssen, kommt das Buch dem selbstgesetzten Ziel doch gut nach. Insbesondere aufschlußreich ist die Anbindung an den jeweiligen Stand der Fachwissenschaft seiner Zeit, so daß Webers Arbeit selber konsequent historisiert wird. Dadurch tritt das Zeitgebundene seines Denkens hervor; ein ebensolches Verfahren hätte Karl Marx und der seriösen Wirkung seines Denkens seinerzeit auch gutgetan.

Dadurch wird aber auch deutlich, welche seiner Intuitionen und Fragestellungen über das Ephemere hinauswirken und zur wirklichen Erkenntnis beitragen können - die oben gemachte Aufzählung gibt vielleicht einen Begriff davon. Das gut übersetzte Buch hilft also dabei, eine Dogmatisierung Max Webers zu verhindern und ihn gerade dadurch überzeitlich wirken zu lassen. Es sei denn, der Wind dreht sich abermals.

WOLFGANG SCHULLER

Luigi Capogrossi Colognesi: "Max Weber und die Wirtschaft der Antike". Aus dem Italienischen von Brigitte Szabó-Bechstein. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge, Band 259. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2004. 432 S., geb., 99,- [Euro].

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'Luigi Capogrossi Colognesi ist eine gute Weberologie gelungen' (Wolfgang Schuller in der Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Außer dass sich der politische Wind in den 90er Jahren gedreht hat, sieht Rezensent Wolfgang Schuller keinen Grund, weshalb in akademischen Debatten "Marx" durch "Max Weber" ersetzt worden ist. Zumal dem seines Erachtens keine wissenschaftliche Diskussion vorausgegangen sein soll. Das Interesse an Weber ist also immens gestiegen, was sich einerseits an der seit 1984 erscheinenden Max-Weber-Gesamtausgabe zeigt, andererseits an den zahlreichen Untersuchen zu Webers Werk ablesen lässt. Die vorliegende Arbeit aus Italien erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, betont Schuller, sich inhaltlich mit Weber auseinanderzusetzen, es will dessen Arbeiten zur antiken Arbeits- und Sozialgeschichte verstehen helfen und liefert deswegen auch ein fabelhaftes Sachregister, das bei Schuller lobende Erwähnung findet. Weber hat sich mehrfach mit der Antike beschäftigt; das vorliegende Buch schafft es Schuller zufolge Webers Denken in seiner Entwicklung aufzuzeigen und auch jeweils an den Stand der Fachwissenschaft seiner Zeit anzubinden. "Das Zeitgebundene seines Denkens tritt dadurch stärker hervor", begründet Schuller seinen Standpunkt, zugleich komme aber auch das Überzeitliche seiner Untersuchungen zur Geltung. So hätte man damals auch mit Marx verfahren sollen, seufzt der Rezensent.

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