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Erschossen wie Robert Blum heißt ein bekanntes Sprichwort. Viel mehr weiß man heute nicht von diesem Vorkämpfer der Demokratie in Deutschland, der 1807 in Köln geboren wird, in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, als Theatersekretär nach Leipzig kommt und dort in wenigen Jahren zu einem der führenden oppositionellen Fortschrittsmänner seiner Zeit aufsteigt. Zunächst ohne Mandat, als Publizist, Redner und Organisator von politischen Vereinen und Festen. 1846 wird er Stadtverordneter, im Mai 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt und avanciert schnell zum führenden Sprecher der…mehr

Produktbeschreibung
Erschossen wie Robert Blum heißt ein bekanntes Sprichwort. Viel mehr weiß man heute nicht von diesem Vorkämpfer der Demokratie in Deutschland, der 1807 in Köln geboren wird, in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, als Theatersekretär nach Leipzig kommt und dort in wenigen Jahren zu einem der führenden oppositionellen Fortschrittsmänner seiner Zeit aufsteigt. Zunächst ohne Mandat, als Publizist, Redner und Organisator von politischen Vereinen und Festen. 1846 wird er Stadtverordneter, im Mai 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt und avanciert schnell zum führenden Sprecher der Linken. Im Oktober ist er in dem von der Gegenrevolution bedrohten Wien, wird verhaftet, standgerichtlich verurteilt und am 9. November 1848 erschossen.
Es ist der erste deutsche 9. November. Der gewaltsame Tod macht ihn zum Märtyrer der Demokratie, die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts verehrt ihn als einen ihrer großen Vorkämpfer.
Autorenporträt
Peter Reichel ist Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg. Mit seinen Büchern "Der schöne Schein des Dritten Reiches (1993) und "Politik mit der Erinnerung" (1999) ist er als Kenner der Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Folgen hervorgetreten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2007

Die deutsche Hoffnung
Peter Reichel erinnert an den Revolutionär Robert Blum
Es liegt etwas tragisch Deutsches in der Lebensgeschichte des großteils vergessenen Revolutionärs und linken Vernunftrepublikaners Robert Blum. Geboren am 10. November 1807, vor genau 200 Jahren, wuchs Blum in ärmlichen Verhältnissen auf, wurde Theatersekretär, Publizist, Zeitungsgründer, Politiker und zog am 18. Mai 1848 als Abgeordneter der Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche ein. Er kämpfte für ein vereintes Vaterland, ein mitreißender Redner, ein Star der demokratischen Bewegung. Im revolutionären Auftrag nach Wien entsandt, wurde er – ausgerechnet, muss man rückblickend sagen – am 9. November 1848 von den kaiserlichen Truppen standrechtlich erschossen.
Peter Reichel will mit seinem biographischen Essay über Robert Blum den Vorkämpfer der Demokratie zurück ins Gedächtnis der Deutschen bringen. Die Betriebstemperatur des leidenschaftlichen Blum erreicht er in seinem streng chronologischen Lebensabriss jedoch kaum. Dabei ist Blum schon äußerlich alles andere als eine unauffällige Gestalt, die „unförmliche Dicke der kurzen Gestalt, Mangel an Hals, runde Apfelwangen, kleine Augen, stumpfe Nase, großer Mund, mächtiger impertinent blonder Bart und abenteuerlicher Lockenwuchs machen aus Robert Blum eine lebendige Carrikatur”, hieß es über ihn. Der Spott ist aber auch eine Reaktion auf die Bedeutung Blums als Fraktionsführer der Linken in der Paulskirche. Blum ist ein publizistisch-politischer Hansdampf, gründet Zeitungen und kann das Volk in seinen Reden für sich einnehmen.
Reichel, Professor für historische Grundlagen der Politik in Hamburg, gerät die Einfühlung in seine Figur zuweilen etwas hölzern. Auch die Zeitstimmung wird bei Reichel ohne erzählerischen Geist abgehandelt. In Zeiten „strukturellen Wandels, der Ausdifferenzierung und Zuspitzung von Konflikten”, schreibt er, „kommt es in besonderem Maße auf das Geschick, den politischen Instinkt, Standfestigkeit und Führungskraft Einzelner an.”
Dabei ist es gar nicht allein der symbolträchtige Todestag (siehe SZ vom 9. November), der Blums politischem Wirken seine exemplarische Bedeutung in der deutschen Geschichte verleiht. Blum war ein Volkstribun, der in der Paulskirche von rechts und links aufgerieben wurde. „Die radikale Linke argwöhnt in dem pragmatischen Parlamentarier einen Renegaten, für seine konservativen Gegner ist er gerade deshalb und wie kein anderer die personifizierte, latente Gefahr einer roten Republik”, so Reichel. Blums Rolle als gemäßigter Führer der Mitte-links-Parteien, der Redetriumphe feiert, aber Abstimmungsniederlagen in Serie einstecken muss, ja selbst das Auseinanderbrechen seiner eigenen Fraktion in radikale Flügel machtlos mitansehen muss, wird in diesem Buch wenig anschaulich. Die Nationalversammlung in Frankfurt nennt Reichel ein Jahrhundertereignis, das damals wohl die größte Hoffnung der Deutschen gewesen sei. Von Begeisterung, demokratischem Aufbruch, Heinrich Heine und dem Jungen Deutschland, ja von einem Gefühl für das Dramatische dieser euphorischen Stimmung ist jedoch kaum etwas zu spüren.
Die Stärken des Politikwissenschaftlers Reichel kommen in der Einordnung der programmatischen Äußerungen Blums besser zur Geltung. In seinen Schriften und Reden erkennt Reichel ein Programm, in dem bereits die Grundzüge der Verfassung einer deutschen Republik stecken: „Freiheit im Staate, im Leben, in der Gesellschaft, im Glauben, in der Kirche, im Handel, überall und für Alle, auf dem Boden des Rechts und des vernünftigen Gesetzes. Gleiches Recht und gleiche Gerechtigkeit für Alle, für die Regierungen wie für das Volk, Wahrheit und Heiligkeit der Verträge und Verfassungen . . . und Ausbildung der letzteren zu wahren Repräsentativverfassungen.” Ein Friedrich Ebert des 19. Jahrhunderts hätte aus Blum werden können. Aber noch die kollektive Fassungslosigkeit im Lande über den Justizmord an Blum wird bei Reichel lapidar abgehandelt. Ordentlich werden die Totenfeiern aufgelistet. Ein Eindruck von der Empörung im Volk ergibt sich daraus nicht.
Als Politiker war Robert Blum seiner Zeit voraus – und wurde im 20. Jahrhundert doch vergessen. Reichel gemahnt, mit dem kostbaren Erbe respektvoll und pfleglich umzugehen. Das ist verdienstvoll; ein entschiedenerer und temperamentvollerer Zugriff hätte zu diesem Zweck aber nicht geschadet. LUTZ LICHTENBERGER
PETER REICHEL: Robert Blum. Ein deutscher Revolutionär 1807-1848. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2007. 232 Seiten, 19,90 Euro.
Robert Blum, vor genau 200 Jahren geboren, beim Aufstand der 1848er an der Sophienbrücke in Wien Foto: Ullstein
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In der hier von Peter Reichel aufgeschriebenen Lebensgeschichte des Revolutionärs Robert Blum wittert Lutz Lichtenberger "etwas tragisch Deutsches", nicht zuletzt, weil dieser große "Vorkämpfer der Demokratie" nach einem so rasanten Aufstieg ebenso rasch in Vergessenheit geriet, wie Lichtenberger erklärt. Dankbar nimmt der Rezensent das Buch zur Hand. Enttäuscht wird er bald durch den "hölzernen", mitunter wenig anschaulichen Stil des Politikhistorikers Reichel. Dem Heißsporn Blum hätte er einen Biografen mit mehr Temperament gewünscht. Reichels Stärken liegen für Lichtenberger dort, wo es um die "Einordnung" der Blum'schen Programmatik geht, um die Ahnung von der Grundlegung einer deutschen Republik in dessen Schriften und Reden.

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