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Jede Seite, jeder Satz dieses Buches ist die Gestaltwerdung eines fiebrigen Traums. Plastisch und tabulos beschreibt Paul Di Filippo eine neue Dimension körperlicher Freuden. Ein sprachgewaltiges Buch der Offenbarung und der Erlösung, das zu den Wurzeln unseres Menschseins vordringt.Amerika im Jahr 2015. Kerry Hackett unterzieht sich einer unheimlichen Transformation. Sie verschmilzt mit einem parabiologisch erschaffenen Wesen und wird zu einer Art alchemistischer Gottheit: übermenschlich, übersexualisiert und fähig, ihrer Gestalt jede nur erdenkliche Form zu verleihen. Sie verläßt die von…mehr

Produktbeschreibung
Jede Seite, jeder Satz dieses Buches ist die Gestaltwerdung eines fiebrigen Traums. Plastisch und tabulos beschreibt Paul Di Filippo eine neue Dimension körperlicher Freuden. Ein sprachgewaltiges Buch der Offenbarung und der Erlösung, das zu den Wurzeln unseres Menschseins vordringt.Amerika im Jahr 2015. Kerry Hackett unterzieht sich einer unheimlichen Transformation. Sie verschmilzt mit einem parabiologisch erschaffenen Wesen und wird zu einer Art alchemistischer Gottheit: übermenschlich, übersexualisiert und fähig, ihrer Gestalt jede nur erdenkliche Form zu verleihen. Sie verläßt die von einem totalitären Regime beherrschten USA und zieht in den Dschungel Brasiliens. Dort erprobt sie ihre neuen Fähigkeiten an jenen, die sich ihrer für würdig erweisen, und strebt auf eine neue Daseinsstufe zu.
Autorenporträt
Paul Di Filippo, 1954 in Providence, Rhode Island, geboren, ist Verfasser zahlreicher Science-fiction-Erzählungen und -Romane. Mund voll Zungen ist sein erster ins Deutsche übertragener Roman.

Dietmar Dath, 1970 geboren, ist Autor und Übersetzer. Er war Chefredakteur der Zeitschrift Spex und von 2001 bis 2007 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seit September 2011 ist er dort Filmkritiker.
Dietmar Dath veröffentlichte fünfzehn Romane, außerdem Bücher und Essays zu wissenschaftlichen, ästhetischen und politischen Themen, darunter die Streitschrift Maschinenwinter (2008) und die BasisBiographie Rosa Luxemburg (2010). Jüngst ist Dietmar Dath auch als Dramatiker und Lyriker in Erscheinung getreten. Er lebt in Freiburg und Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2011

Lasst uns ganz liederlich den Tanz der Moleküle feiern!

Sex, Gewalt und Science-Fiction: Paul Di Filippos drastischer Roman "Mund voll Zungen" führt die erotische Literatur ins Reich der spekulativen Phantastik.

Der Wunsch, eins zu werden mit dem Partner, gehört zu jenen Klischees der Liebe, die die Literatur in ihrer metaphorischen Launenhaftigkeit nur allzu gerne wörtlich versteht. Auf einem ihrer fruchtbarsten Experimentierfelder, der Science-Fiction, die freilich immer noch mit dem Hautgout der Minderwertigkeit versehen ist, treibt dieser Topos zuweilen seltsame Blüten. Der amerikanische Autor Paul Di Filippo, 1954 in Providence, Rhode Island geboren, hat eigens ein neues Subgenre geschaffen, um der biologischen Komponente der sexuellen Vereinigung Rechnung zu tragen: Ribofunk.

Diese Spielart der spekulativen Phantastik setzt sich aus einem Kürzel für die Ribosomen der Zelle und der bekannten Musikrichtung afroamerikanischen Ursprungs zusammen. Der Neologismus feiert also den eng umschlungenen, liederlichen Tanz der Moleküle. Di Filippo, konnte sich dabei auf einige einflussreiche Vorbilder berufen. Philip José Farmers Pastiche "A Feast Unknown" sowie Samuel R. Delanys "Äquinoktium" aus dem Jahr 1973, aber auch dessen umstrittener Roman "Hogg" dürften mit ihren explizit erotischen Schilderungen Pate gestanden haben für das, was Di Filippo in "Mund voll Zungen" auf die Spitze treibt.

Der 2002 im Original erschienene, der Erinnerung an Kathy Acker gewidmete Roman erzählt von einer nicht allzu fernen Zukunft in den Vereinigten Staaten: Es herrschen totalitäre Verhältnisse. Kerry Hackett, persönliche Assistentin eines hohen Tiers bei der Firma Diaverde Parabiologicals, wird von ihrem Chef sexuell belästigt, von ihrem Lebensgefährten vergewaltigt und von einem Soldaten anschließend gleich noch einmal zu sexuellen Diensten gezwungen. Fasziniert vom geheimen Benthos-Projekt ihres Arbeitgebers, einer Kreatur, die "zu 100 Prozent aus echtzeit-totipotenten Zellen besteht", flüchtet sie sich ins Labor, um sich der Macht des merkwürdig begehrenswerten Wesens hinzugeben. In einem Prozess der Transsubstantiation ergreift es Besitz von ihr. Kerry verwandelt sich daraufhin in eine unersättliche neue Lebensform, die ihren Körper den Bedürfnissen ihres jeweiligen Sexualpartners anpassen kann. Ihr Ziel ist es fortan, mit anderen zu verschmelzen, sich an männlichen Keimzellen zu laben, auf monströse Weise Leben zu schenken und sich am Ende an jenen zu rächen, die sie gedemütigt haben.

Sie reist in den brasilianischen Dschungel und bezirzt dank vielzüngiger und äußerst effektiver Praktiken einen verstümmelten Hotelbesitzer. Aufgrund ihrer heilenden Kräfte weckt sie jedoch zugleich das Interesse eines entmannten Oligarchen, was schließlich zu einem destruktiv orgiastischen Showdown führt, der unappetitlicher nicht sein könnte.

Den einen gilt Kerry in wechselnder Gestalt als lüsternes "She-Beast", den anderen als Hexe, und für die Indios ist sie eine verwirrte Heilige, die durch eine den gesamten Volksstamm verzehrende Metamorphose wieder auf den rechten Weg gebracht werden muss. Der Herausgeber Dietmar Dath, der in der Suhrkamp-Reihe "Newgothic" bereits Michael Maranos höllisch politischen Debütroman "Dawn Song" lancierte, sieht in der Protagonistin ein "zartes und verletzliches, immer hellwaches Herz, das zum hormonbrandlodernden Ungeheuer wird". Keine Frage: Sie ist ein feuchter Albtraum, an dem sich die psychoanalytisch geschulten Anhänger der Gender Studies die Zähne ausbeißen dürften. In ihr manifestieren sich Ursprung und Zukunft des Menschen zugleich, changierend zwischen der Triebhaftigkeit eines animalischen Erbes und der ewigen Sehnsucht nach Transzendenz. Di Filippos offenherzige und blumige Prosa, die vor Geschmacklosigkeiten und - womöglich ironischen - Übersteigerungen nur so strotzt, ist oft anstößig und unverhohlen pornographisch. Doch hinter den lasziven Posen der Sprache, die sich verführerisch räkelt, manchmal zu viel Schminke trägt und nie mit ihren Reizen geizt, verbirgt sich auch die Geschichte einer mehrfachen Befreiung: von den Fesseln der genetischen Determination ebenso wie von gesellschaftlichen Repressionsmechanismen.

Das vielseitig einsetzbare Vokabular der Fleischeslust, das sich "Mund voll Zungen" gierig einverleibt, führt Kerry Hacketts Streben nach biologischer, sexueller und geistiger Entgrenzung sinnfällig vor Augen.

Ob sich der Leser jederzeit mit ihrem Drang hin zu einer neuen ekstatischen Daseinsstufe identifizieren kann, sei dahingestellt. Denn Erlösung ist hier nur um den Preis von Erniedrigung und Schmerz zu haben. Wenn sich der Dschungel am Ende wuchernd der amerikanischen Stadt bemächtigt, liegt in diesem durch Kerry ausgelösten Akt der Rückeroberung gleichwohl ein so maßloses wie verlockendes utopisches Potential. Das Leben sucht sich eben immer einen Weg, und niemand kann Di Filippo vorwerfen, auf halber Strecke stehen geblieben zu sein. Das ist auf der einen Seite verstörend, ekelhaft und grausam, andererseits aber auch packend, feinsinnig und unwiderstehlich.

ALEXANDER MÜLLER.

Paul Di Filippo: "Mund voll Zungen". Roman. Aus dem Amerikanischen von Katja Bendels und Dietmar Dath. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 245 S., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alexander Müller kann sich nicht entscheiden, ob er den beträchtlichen utopischen Verlockungen dieses Science-Fiction-Romans von Paul Di Filippo nachgeben oder sich doch lieber angeekelt über die blumig gefassten, durchaus pornografischen, oft schlicht unappetitlichen Vereinigungsfantasien des Autors abwenden soll. Immerhin erscheint ihm die Geschichte der multiplen Befreiung von der genetischen Determination sowie von gesellschaftlichen Repressionen höchst reizvoll. Ob sich der Leser allerdings mit der in jeder Hinsicht entgrenzten Hauptfigur identifizieren mag, bleibt für den Rezensenten angesichts von Schmerz und Erniedrigung als den Bedingungen der neuen Lebensform immerhin zweifelhaft.

© Perlentaucher Medien GmbH