Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 2,68 €
  • Gebundenes Buch

In Büchners Novelle zieht sich der Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz zurück, da er die Welt nur auf dem Kopf gehend erträgt. Der Schriftsteller Lenz in Albert Ostermaiers neuem Roman flüchtet sich vor dem Betrieb, dabei gleichzeitig süchtig nach dem dauernden Online-Sein, dem Erwähnt-Sein. Er entdeckt für sich Beirut, das ihm eine Lösung verspricht und damit ein Ende der Schreib-und Selbstkrise: Doch Beirut ist die Stadt der Gegensätze, der Vieldeutigkeiten, und damit ein Beispiel für eine Zukunft. All das sieht, spürt Lenz, als er 2014 durch die Stadt irrt: Er gerät zwischen den…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
In Büchners Novelle zieht sich der Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz zurück, da er die Welt nur auf dem Kopf gehend erträgt. Der Schriftsteller Lenz in Albert Ostermaiers neuem Roman flüchtet sich vor dem Betrieb, dabei gleichzeitig süchtig nach dem dauernden Online-Sein, dem Erwähnt-Sein. Er entdeckt für sich Beirut, das ihm eine Lösung verspricht und damit ein Ende der Schreib-und Selbstkrise: Doch Beirut ist die Stadt der Gegensätze, der Vieldeutigkeiten, und damit ein Beispiel für eine Zukunft. All das sieht, spürt Lenz, als er 2014 durch die Stadt irrt: Er gerät zwischen den Fronten unter Beschuss und flüchtet in Ruinen, er gerät zwischen die Fronten von Liebenden und Hassenden und flüchtet in das Halbdunkel, er erinnert sich an den Bürgerkrieg, an Szenen, die er nicht erlebt haben kann, Albträume, denen er entkommen wollte.

In seinem neuen Roman erkundet Albert Ostermaier bis ins erschreckendste Detail das gegenwärtige Kaleidoskop der Gewaltexplosionen: im einzelnen Menschen und zwischen den Mächtigen. Dies zu erleben und schreibend zu bewältigen ist Aufgabe des Schriftstellers. Albert Ostermaiers Lenz im Libanon erzählt in seinem blutige Realität und metaphorische Erforschung verbindenden voranstürmenden Rhythmus von Alltag und Sehnsucht eines Schriftstellers.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2015

Beirut, 2014

Der Schriftsteller Lenz ist auf der Flucht. Er will raus aus seinem alten Leben, aus einer schmerzlichen Affäre, raus aus einem Leben voller Gegensätze. Er flieht also die "winterdunkle" Bundesrepublik und fliegt in den Libanon. Die inneren und äußeren Widersprüche aber begleiten ihn: Er hält sich selbst kaum aus, betont aber, sich "selbst" zu suchen, er hasst Körperkontakt und ist doch auf der Suche nach Sinnlichkeit. Er erträgt das Leiden nicht und halluziniert ständig Gewaltausbrüche. Schnell wird klar: Was er eigentlich sucht, was er sich verspricht von Beirut, ist das "Aushaltenkönnen der Widersprüche". Dabei ist er zerrissen zwischen Erfahrungshunger und Ruhebedürfnis, lustvoller Bedrohung und hilfloser Überforderung. Immer wieder befällt ihn eine "unbeschreibliche Angst", dann vermischt er sein eigenes Erleben mit Eindrücken aus dem Fernsehen. Lenz sucht die Wirklichkeit und findet Bilderserien.

Nachts läuft er durch Steinwüsten und Häusergerippe, tanzt in Clubs. Tagsüber besucht er ein Flüchtlingslager. Die Obszönität seiner eigenen Flucht wird ihm hier unerträglich. Seine Leiden müssen lächerlich wirken im Vergleich zu den Opfern des Terrors und der Bürgerkriege: "Was für Phantomschmerzen in den Augen derer, die hier warteten, geduldig die Bürokratie der Menschwerdung über sich ergehen ließen."

Albert Ostermaiers Roman ist eine Reise in die, wie er es nennt, "Darkrooms der Seele" - des Protagonisten Lenz, aber auch der jungen Männer, die im Namen Allahs in den Krieg ziehen. In den Monologen seiner Hauptfigur und den langen Gesprächen mit seinen Bekanntschaften wechseln politische Aktualität und philosophische Erörterung. Der Roman wird hier manchmal fast zu einem dialogischen Essay. Gleichzeitig spielt der Autor mit literarischen Referenzen. Neben wörtlichen Auszügen aus Georg Büchners Erzählung "Lenz" finden sich auch Bezüge zum Existentialismus, zu Albert Camus' "Fremden" zum Beispiel.

Das ist eine ziemlich schwindelerregende Mischung. Und auch wenn die Poetisierungslust mit dem Autor dabei manchmal durchgeht, wenn manches Wortspiel gewollt, manche Alliterationsreihe übertrieben wirkt, entwickelt Ostermaiers "Lenz" eine poetische Wucht: "Diese Betonblocks, diese Betonbalkone, Fenster wie Zielscheiben. (. . .) Beton mit Hautausschlag, Bürgerkriegsakne, platzender Asphalt, bröckelnder Verputz, Platten, Plakate. (. . .) Lenz denkt an die Weihnachtsbäume, atmet die kalte Luft ein und wünscht sich den Schnee auf den Berghängen in die Hände. Einen Ball zu formen und ihn auf einen der jungen Soldaten zu werfen."

Mit seinem ihn selbst anwidernden Selbstmitleid, seinen subtil beschriebenen inneren Konflikten und seinem manchmal an deren Unbarmherzigkeit verzweifelnden Blick auf die Welt steht Lenz bei Albert Ostermaier exemplarisch für die Aporien der westlichen Welt. Ihm selbst ist das Aushalten der Widersprüche am Ende nur um den Preis innerer Leere vergönnt. Den Sieg über die Angst bezahlt er mit hoffnungsloser Gleichgültigkeit. Die Gesellschaft hat ihn wieder.

Constantin Hühn

Albert Ostermaier: "Lenz im Libanon". Roman. Suhrkamp, 190 Seiten, 19,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Albert Ostermaier hat mit Lenz im Libanon eine neue Ebene in seinem Werk erreicht."
Sabine Dultz, Oberbayerisches Volksblatt Online 24.04.2015

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schon vor der Lektüre von Alfred Ostermaiers neuem Roman "Lenz im Libanon" hatte Rezensentin Lena Bopp ihre Zweifel: Was kommt dabei heraus, wenn der Autor seine bei einer Libanon-Reise mit Frank Walter Steinmeier gesammelten Erfahrungen mit seiner eingängigen Büchner-Lektüre verbindet? Zunächst viel Pathos, verpackt in Alliterationen, Anaphern und weiteren "Buchstabenspielereien", berichtet die Kritikerin und kann auch den gelegentlichen poetischen Ausflügen des Autors nicht viel abgewinnen. Nicht nur inhaltlich, auch formal, etwa durch das Übereinanderblenden verschiedener Wahrnehmungsebenen fühlt sich Bopp immer wieder an Büchners "Lenz" - und andere Werke des Autors - erinnert, kann einen Mehrwert aber nicht erkennen: Aktuelle Fragen werden zwar gestellt, auch diskutiert, präzise Antworten findet die Kritikerin aber nicht. Ein wenig mehr persönliche Auseinandersetzung hätte dem Buch gut getan, schließt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH