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Owen Brynmor, ein verkrachter Journalist, der mit seinen dreißig Jahren schon zahlreiche Zeitungen im ganzen Land hinter sich gebracht hat, wollte nie mehr zurück nach Stepford, Pennsylvania, in seine Heimatstadt. Aber dann kommt er - um Boxer zu werden. Weil er nebenbei Geld verdienen muß, heuert er als Lokalreporter an und erregt sogleich Aufsehen mit dem Bericht über einen Werwolf, den "Teufel von Blue Ball", der Stepford in Angst und Schrecken versetzt.
Auf der Suche nach der Legende vom "Kornwolf" stößt Owen auf Ephraim Bontrager, einen stummen Halbwaisen, der sich an den Rändern der
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Produktbeschreibung
Owen Brynmor, ein verkrachter Journalist, der mit seinen dreißig Jahren schon zahlreiche Zeitungen im ganzen Land hinter sich gebracht hat, wollte nie mehr zurück nach Stepford, Pennsylvania, in seine Heimatstadt. Aber dann kommt er - um Boxer zu werden. Weil er nebenbei Geld verdienen muß, heuert er als Lokalreporter an und erregt sogleich Aufsehen mit dem Bericht über einen Werwolf, den "Teufel von Blue Ball", der Stepford in Angst und Schrecken versetzt.

Auf der Suche nach der Legende vom "Kornwolf" stößt Owen auf Ephraim Bontrager, einen stummen Halbwaisen, der sich an den Rändern der diskriminierten Amish-Gemeinde herumtreibt. Mit seinem merkwürdigen Verhalten bringt er das ganze Tal gegen sich auf. Am Ende rottet sich die Bevölkerung zu einer gigantischen Hetzjagd zusammen.In wem, fragt diese spannende Geschichte, nimmt "das Böse" eigentlich Gestalt an - in einem Monster oder in den Menschen, die Jagd darauf machen? Des Autors Sprachgewalt ist den Katastrophen, die der Roman heraufbeschwört, gewachsen. Ebenbürtig steht Kornwolf neben Monument für John Kaltenbrunner, Tristan Egolfs hochgerühmtem, furiosem Erstling.
Autorenporträt
Tristan Egolf wurde 1971 geboren und wuchs in Pennsylvania auf. Er brach das College ab, spielte in einer Punkrockband und reiste quer durchs Land. Mit 24 zog er mit seiner Gitarre durch Europa und begann die Niederschrift an seinem ersten Roman Lord of the Barnyard. Nachdem Egolf in den USA keinen Verlag für sein Debüt fand, brachte der renommierte französische Verlag Gallimard 1998 das Buch heraus. Der Roman wurde ein großer Erfolg und in mehrere Sprachen übersetzt; unter dem Titel Monument für John Kaltenbrunner erschien er 2000 auch in Deutschland. Sein zweiter Roman Skirt and the Fiddle von 2002 wurde im Frühjahr 2003 als Ich & Louise im Suhrkamp Verlag veröffentlicht.
Tristan Egolf nahm sich im Alter von 33 Jahren in Pennsylvania das Leben.
Frank Heibert, geboren 1960 in Essen, lebt in Berlin. Er übersetzt aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und Portugiesischen. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören Amos Oz, Don DeLillo, Richard Ford und Yasmina Reza.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2009

Wenn geprügelte Hunde zum reißenden Wolf werden

Im Bannkreis der Zerstörung: Der amerikanische Schriftsteller Tristan Egolf nahm sich 2005 im Alter von vierunddreißig Jahren das Leben. Kurz zuvor vollendete er seinen letzten Roman "Kornwolf", in dem er eine Teufelslegende unter den Amischen für einen wütenden Rundumschlag gegen die Sünden Amerikas nutzt.

Auch wenn der Gestaltwandler seit jeher zur europäischen Mythologie gehört, einen Werwolf ins Zentrum der Handlung zu rücken ist in der zeitgenössischen Literatur ein Drahtseilakt. Denn der Lykanthrop treibt tendenziell und zumeist in ironischer Brechung eher in der trivialen Populärkultur, in gut verkäuflichen Genrefilmen und -romanen sein Unwesen: Michael Jackson war einer in "Thriller", Stephen King ließ ihn wüten, ebenso wie Stephenie Meyer oder Joanne K. Rowling.

Für Tristan Egolf hingegen, Autor des vielbeachteten Debüts "Monument für John Kaltenbrunner", ist der Wolfsmensch zuvörderst eine Spielart des Außenseiters, des Underdogs, jenes geprügelten Hundes, der davon träumt, die ihn peinigende Umgebung ins Chaos zu stürzen und an ihr blutige Rache zu nehmen. Zugleich, und das mag ein weiterer Grund für dieses außergewöhnliche Sujet gewesen sein, bietet ihm dieser Topos die Gelegenheit, seiner vor Kraft strotzenden Sprachgewalt, die auch seinen Erstling auszeichnete, freien Lauf zu lassen.

In seinem letzten vollendeten Werk "Kornwolf" nimmt der 1971 geborene amerikanische Schriftsteller und Punk-Musiker, der 2005 Selbstmord beging, die historisch dokumentierte Legende des Peter Stubbe beim Wort. Der Journalist Owen Brynmor, in dem fraglos Züge des Autors angelegt sind, kann die beunruhigenden Vorkommnisse (Vandalismus, Einbrüche, die Sichtung eines "Unfalls der Schöpfung") in der Amisch-Gemeinde von Stepford, Pennsylvania, bis zu einem im späten sechzehnten Jahrhundert hingerichteten, vermeintlichen Werwolf zurückverfolgen. Dabei wittert er anfangs nur eine gute Story, die ihm im Provinzblatt seiner verhassten Heimatstadt zum raschen Durchbruch verhelfen soll, zu einer Artikelserie über den Teufel von Blue Ball beziehungsweise den Kornwolf, an deren wahren Kern er zwar zunächst nicht glaubt, die sich aber hervorragend dazu eignet, sie für eigene Zwecke auszuschlachten.

Denn auch Brynmor ist ein Eigenbrötler, von Anstellung zu Anstellung tingelnd und getrieben von einer Verachtung für die dumpfe Bevölkerung, die er nur zu gerne einmal aus ihrer Lethargie reißen möchte, notfalls durch den Abwurf einer Atombombe, wie er es sich als Heranwachsender wünschte. Dass er während seines Boxtrainings im West Side Gym bei Jack Stumpf dem genetischen Erbe des Peter Stubbe bedrohlich nahe kommt, ahnt er allerdings nicht. Doch jene Spur, das sich für ihn wie für den Leser nur allmählich zusammensetzende und haarsträubende "Gesamtbild aus Tatsachen, Vermutung und Mythos", wird ihn immerhin bis zu Ephraim führen, einem Außenseiter unter Außenseitern, einem verwilderten, zum Himmel stinkenden und für stumm gehaltenen Mitglied der Amisch, der von seinem angeblichen Vater, dem korrupten und saufenden Prediger Benedictus Bontrager, regelmäßig misshandelt und gedemütigt wird. An ihm wird sich beweisen, dass die Grausamkeiten der Vergangenheit bis in die Gegenwart wirken.

"Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein" - mit diesem Leitspruch aus dem Jakobus-Brief legitimiert diese christliche Religionsgemeinschaft die eigene Isolation, das Leben fernab technischer Errungenschaften und moderner Verlockungen. Dass der Teufel in Menschengestalt ausgerechnet aus ihren Reihen stammt, ist nur eine böse Pointe von vielen in Egolfs sarkastischem Sermon, der unaufhaltsam auf ein apokalyptisches Ende zurast, das in atonalem Getöse, in heulenden Hundechören, Pandämonien, hedonistischer Entrückung und einer einzigen Kakophonie von Furcht und Zittern kulminiert.

Mit Ephraim schließlich ruft er eine negative Erlöserfigur ins Leben, die aller Frömmigkeit hohnspricht. Die Befreiung von menschlichen Sünden, von Scheinheiligkeit und Niedertracht, erfüllt sich nicht durch ein gottgefälliges Dasein, sie ist allein durch die Wiederkehr einer infernalischen "Zeit des Tötens" zu erlangen, die freilich alle Beteiligten, auch die Polizei, in ihren zerstörerischen Bann zieht. Sie mündet in eine mörderische Treibjagd an Halloween, in der zwischen Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden ist. "Nichts war heilig, nicht mal das Profane" - dies wird zu einem ironischen Motto Egolfs, das gleichberechtigt neben seiner immer wieder auftauchenden Anrufung der Zwietracht steht: "Heil dir, Discordia!"

Doch was soll diese berserkerhafte Stänkerei, dieser beständige, in seiner Unbedingtheit verzweifelt wirkende Aufruf zum Umsturz? Der Übersetzer Frank Heibert schreibt in seinem Nachwort, "Kornwolf" sei als erster Teil eines Zyklus geplant gewesen, "in dem jeweils eine andere der großen Sünden Amerikas durch den Werwolf als Katalysator aufgedeckt worden wäre". Egolf spielt mit seiner intensiven Prosa, durchdrungen von einer hyperbolischen Metaphorik, den Aufrührer, dem die Drastik zum aufklärerischen Instrument wird. Produktive Lösungsansätze hat er nicht parat; es muss genügen, die grässliche Fratze der Heuchelei, die "Entweihungskampagne" gegen eine zersiedelte Landschaft und einiges mehr in schillernden Farben auszumalen.

Mag sein, dass er sich damit zu viel vorgenommen hat. Der narrative Rundumschlag trifft nicht immer sein Ziel, der Plot weist Erklärungslücken auf, und einige untergeordnete Erzählstränge verlaufen ob des hohen Tempos ins Leere. Doch der barock überbordende und ausschweifende Stil, das Anrennen des erschöpften Selbst gegen das Bollwerk der unerträglichen Wirklichkeit, gehört genauso zum literarischen Programm Egolfs wie die mitreißende Sinnlichkeit der Sprache und der gelegentlich aufblitzende Humor. Nicht umsonst wird es zu einem Running Gag, dass der Teufel von Blue Ball laut diverser Zeugen eine gewisse Ähnlichkeit mit Richard Nixon hat.

Die von den Gespenstern der Vergangenheit heimgesuchte Rachegeschichte des Kornwolfs sollte ursprünglich niemals enden; es wäre Tristan Egolf zu wünschen gewesen, um vielleicht doch noch einen Weg aus der Sackgasse zu finden.

ALEXANDER MÜLLER

Tristan Egolf: "Kornwolf". Roman. Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 432 S., geb., 26,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.12.2009

Sie sind spät, Mr. Lowe
Tristan Egolf lässt einen deutschen Werwolf sein Unwesen in Pennsylvania treiben, und sein Übersetzer Frank Heibert hat noch etwas Deutsches dazuzulegen: „Kornwolf” Von Burkhard Müller
Heimkehr kann eine tiefe Demütigung sein. Owen Brynmor hat sich geschworen, es dazu niemals kommen zu lassen, denn sein Heimatort Stepford, das ist eine „durchgetestete Nullmöglichkeit”. Owen, der als Teenager eine Atombombe auf diese Kleinstadt in Pennsylvania werfen wollte, wo es keine Bars oder Billardtische gibt, ja nicht einmal Bürgersteige, sondern bloß einen Quik Mart, jede Menge Kirchen und eine riesige Hamburgerfabrik, vierzigtausend Quadratmeter Asphalt und Plexiglas – Owen also fährt, nachdem er bei mehreren anderen Zeitungen rausgeflogen ist, mit seinem alten Subaru Legacy auf der Route 30 Richtung Osten, um eine Stelle als Reporter für den „Stepford Daily Plea” anzutreten, und fasst es nicht, „dass er sich tatsächlich freiwillig wieder in diese Welt der Scheiße begeben hatte”.
Und dann fällt ihm sofort eine einmalige Story in den Schoß. Die Jäger in den hiesigen Wäldern verwenden gern, um sich einen Überblick über die Bewegungen des Wildes zu verschaffen, Fotofallen – vollkommen legal übrigens! –, mit denen die Hirsche sich sozusagen selbst knipsen; und mitten unter diesem ziemlich langweiligen mechanisch erzeugten Material findet sich ein Bild, das in seiner grässlichen Undeutbarkeit für tiefe Verstörung sorgt, das Bild von „etwas, das in der Natur nicht vorkommen sollte und auch nicht vorkommt. Etwas direkt von irgendeiner Müllkippe in Jersey. Oder aus den Tiefen eines Dixi-Klos.” Ist das eine Schnauze, was man da sieht? Oder ein Hinterkopf mit einem entzündeten Furunkel? Witzbolde erklären es zu einem idealtypischen Porträt von Richard Nixon. Was es auch sein mag, es handelt sich um ein Wesen von unausdenklich kläglicher Scheußlichkeit, von dem nur eines feststeht: Es hat den Auslöser betätigt und war folglich da.
Es ist ein großartiger Einstieg, den Tristan Egolf bietet. Egolf, der aus eben dieser Gegend stammt, in der sein Roman spielt, und dort auch im Jahr 2005, nur 34 Jahre alt, Selbstmord beging, hat seinem Buch auch im amerikanischen Original schon den deutschen Titel „Kornwolf” gegeben. Das Deutsche hat ja im Amerikanischen immer seinen eigenen Gruselklang, wirksam selbst noch in der Parodie. (Man denke an die „Rocky Horror Picture Show” mit ihrer zentralen Enthüllungsszene: „Doctor Scott – or should I rather say Dr. Von Scott?”).
Owens Ermittlungen führen ihn zu der örtlichen Gemeinde der „Einfachen Leute”, der Mennoniten vom Old Order, die weder Elektrizität noch Automobile benutzen, sondern sich in ihren malerischen Kostümen mittels Tretrollern und Pferde-Buggys fortbewegen, den „Deitschis”, wie sie abschätzig heißen, angegafft und abgefilmt von den „Englischen” oder „Rotröcken” – so nennen die Deitschis wiederum verächtlich ihre angelsächsischen Nachbarn.
Ihre altertümliche Frömmigkeit bewahrt die Gemeinde nicht vor Konflikten und dunklen, schmutzigen Geheimnissen; ja gerade in den starr patriarchalischen Familienverhältnissen gedeihen Inzucht, Wahnsinn, Gewalt und ein Groll, der sich nicht den Weg ins Freie bahnen kann und darum Jahrzehnte schwärt. Schon bald wird ahnbar, dass Ephraim, ein stummer Jugendlicher, ein Außenseiter unter den Außenseitern, etwas mit dem Erscheinen der werwolfartigen Kreatur zu tun haben muss, die nachts umherstreift und für Übergriffe aller Art, besonders auf das Vieh, verantwortlich gemacht wird. Länger im Dunkeln bleibt, welche Rolle Jack, „Der Trainer”, spielt, bei dem Owen sich zum Boxer ausbilden lässt – denn dass die beiden Handlungsstränge, zunächst nur locker in der Person Owens verbunden, früher oder später zusammentreffen , ist klar. Tristan Egolf entwirft ein außerordentlich lebendiges Bild dieser beiden sozialen Welten, die er offenbar sehr gut kennt, des Boxrings und der „Einfachen Leute”.
Allein schon um dieser Schilderungen willen lohnt sich die Lektüre des Buchs. Seine Schwachstelle liegt darin, dass es sich nicht entscheiden kann, was es nun genau mit dem „Kornwolf” auf sich hat: Handelt es sich um eine genuine Horrorgestalt, die die zusammenhängende Alltagserfahrung sprengt, oder doch bloß um ein soziopathologisches Phänomen, einen armen Menschen, der radikal durchdreht?
Je weiter der Roman voranschreitet, desto mehr gewinnt das Zweite die Oberhand und bereitet dem Leser, der sich durch den Anfang hat verlocken lassen, eine gelinde Enttäuschung. Der Plot gerät zunehmend unübersichtlich, während gleichzeitig die Aktionsmacht des Werwolfs zu einem besonders hartnäckigen Fall von Vandalismus einschrumpft. Der Teufel von Blue Ball sei zurück, heißt es, die „Zeit des Tötens” habe wieder begonnen; aber wenn es sich bei den Opfern dann um verwüstete Veranden oder Dachrinnen handelt, hat das leicht antiklimaktische Wirkung. Nach dem verheißungsvollen Start bringt das Buch keine einzige Stelle mehr hervor, die bei der Lektüre richtig schaudern ließe.
Wenn man „Kornwolf” dennoch nicht schlechterdings als ein missglücktes Buch bezeichnen mag, liegt das an der sprachlichen Haltung, die es findet, einem coolen, trotzigen Witz, mit dem besonders Owen seiner alten und neuen Umwelt entgegentritt. „Der Knabe war so unverwüstlich wie ein Feuerhydrant aus New Jersey”, oder, die Gleichgültigkeit von Rassenfragen im Boxsport betreffend, „ob schwarz, ob weiß, ob gar geringelt, Hauptsache die Kasse klingelt” – solche Sätze entschädigen den Leser für Manches.
Wesentlichen Anteil daran hat die Übersetzung von Frank Heibert. Er rechnet mit einem deutschen Publikum, das amerikanischen Verhältnissen nicht völlig fremd gegenübersteht und dem man nicht erklären muss, was eine „Gym” ist oder was es heißt, wenn einer „upstate” hinter Gitter geht. Einen riskanten Kurs steuert er, wo er die deutsche Sprache direkt ins englische Gleis zwingen will: „Sie sind spät, Mr. Lowe.” Geht das oder geht das nicht? Von nun an, so will es Heibert, soll es gehen, das soll sich das Deutsche gefälligst zu eigen machen, denn das eigentlich erforderliche „Sie sind spät dran” oder gar „Sie haben sich verspätet” transportiert den Ton nicht.
„Falls from grace”, das hätte jeder andere mit Sündenfällen oder dem Fallen in Ungnade übersetzt; Heibert macht daraus „Abstürze aus der Gnade” – es geht um plötzliche, unerklärliche Niederlagen beim Boxen – und gewinnt durch solch sperrige Buchstäblichkeit tatsächlich eine neue Intensität von Bedeutung.
Seinen eigenwilligsten Beitrag leistet Heibert, indem er die Dialoge der „Einfachen Leute” aus dem Englischen, worin Egolf sie belassen hatte, mit erheblichem Aufwand in das zugrundeliegende Pennsylvania Dutch verwandelt, jenes aus pfälzischen, schweizerischen und englischen Bestandteilen gemischte Idiom, dessen uns anheimelnder alteuropäischer Klang der Lebensweise des Old Order das Maß nimmt.
Im Original hätte das keinen Sinn gehabt, es wäre bloß unverständlich gewesen. Einem deutschen Publikum aber öffnet sich ein anderer und direkter Zugang, wenn es hört: „Of course nett. Und nah wäiß ich recht nett was zu sagen.” Diese Leute stehen uns näher als denjenigen, unter denen sie wohnen; jetzt kehren sie heim. Manchmal bietet die Übersetzung Chancen, die dem Original verwehrt bleiben.
Tristan Egolf
Kornwolf
Roman. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Frank Heibert. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 431 Seiten, 26,80 Euro.
„Ob schwarz, ob weiß, ob gar geringelt – Hauptsache, die Kasse klingelt.”
Noch unheimlicher als ein Werwolf ist ein „Kornwolf”, denn das Deutsche hat im Amerikanischen immer schon seinen eigenen Gruselklang, wie nicht nur Tristan Egolf (unten) aus Erfahrung weiß. Fotos: defd, Philippe Matsas
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dieses Buch liest sich, als sei dem Autor "im Rausch des Zorns" die "Great American Novel" zum "Splatter Movie" geraten, schreibt die Rezensentin Marie Schmidt. Für sie ist dieses Buch eine gnadenlose Abrechnung mit der Mehrheitsgesellschaft. Der Autor Tristan Egolf, fügt sie hinzu, hat sich 2005 mit vierunddreißig Jahren das Leben genommen. Im Buch geht es um die Halbwaise Ephraim. Er wächst unter Amish-People in Pennsylvania auf, die von den Touristen begafft werden. Ephraim ist nochmal ein Außenseiter in dieser Gruppe von Außenseitern, so entstellt, dass er als "Werwolf" verspottet wird. Zum Ausgleich unternimmt er unerkannt üble Raubzüge in der benachbarte Gemeinde und wird deshalb gejagt. Die Jäger, so scheint es, sind allerdings um einiges unsympathischer als Ephraim. Die Rezensentin hatte beim Lesen das Gefühl, kalter Ekel habe diesem Autor die Hand geführt, kein Mitleid mit dem Protagonisten spürt sie hinter diesem "raffinierten Erzählgerüst", das sie jedoch im "apokalyptischen Fanal" zerfasern sieht. Aber sie spürt eine so "fürchterliche Verzweiflung", die für jeden Trost unerreichbar ist, dass sie das Buch doch tief beeindruckt aus der Hand gelegt hat.

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