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»Das Böse in Nieburg, ich möchte wissen, wo es herkam und wie man ihm widersteht.«Klaus Marbach und seine Frau, die Juristin Manon de Montmollin, haben sich in der Arbeit am sogenannten Bergier-Bericht über die Schweizer Neutralitätspolitik im Zweiten Weltkrieg kennengelernt. Als sie sich trennen, setzt er seine Recherche im badischen Nieburg, im Herzen des Bühlerschen Aluminium-Imperiums, auf eigene Faust fort: »Das Böse in Nieburg, ich möchte wissen, wo es herkam und wie man ihm widersteht.« Lange merkt Marbach nicht, daß er ausgezogen ist, das Fürchten zu lernen. Denn die Verstrickung der…mehr

Produktbeschreibung
»Das Böse in Nieburg, ich möchte wissen, wo es herkam und wie man ihm widersteht.«Klaus Marbach und seine Frau, die Juristin Manon de Montmollin, haben sich in der Arbeit am sogenannten Bergier-Bericht über die Schweizer Neutralitätspolitik im Zweiten Weltkrieg kennengelernt. Als sie sich trennen, setzt er seine Recherche im badischen Nieburg, im Herzen des Bühlerschen Aluminium-Imperiums, auf eigene Faust fort: »Das Böse in Nieburg, ich möchte wissen, wo es herkam und wie man ihm widersteht.« Lange merkt Marbach nicht, daß er ausgezogen ist, das Fürchten zu lernen. Denn die Verstrickung der Kriegsgeneration und diejenige ihrer Nachkommen wird zu seiner eigenen. Es ist Imogen Selber-Weiland, die letzte der Bühler-Dynastie und Alleinerbin, die seine Nachforschungen protegiert und sich seiner Phantasie zunehmend bemächtigt. Bald gerät Marbach auch auf die Spur ihrer ehelichen Verbindung mit dem auf geheimnisvolle Weise abwesenden genialischen Schriftsteller Iring Selber. Von einer Grenzüberschreitung zur nächsten führt Marbachs Passion zu dieser älteren Frau ihn schließlich zu den Quellen seiner Existenz und ins Labyrinth einer unvergangenen Geschichte. Adolf Muschg hat eine Liebesgeschichte geschrieben von kühner Offenheit und zugleich eine Geschichte des europäischen Bewußtseins. Wie für den Roten Ritter Parzival stellt sich auch in diesem Roman die Frage nach dem 'rechten Leben', nach dem 'einen, das not tut'. Und es zeigt sich dies am Ende als das, was der europäischen Zivilisation (noch) nicht gelungen ist.
Autorenporträt
Adolf Muschg wurde 1934 als Sohn von Adolf Muschg senior (1872-1946) und seiner zweiten Frau in Zollikon, Kanton Zürich/Schweiz geboren. Er studierte Germanistik, Anglistik sowie Philosophie in Zürich und Cambridge und promovierte über Ernst Barlach. Von 1959 bis 1962 unterrichtete er als Gymnasiallehrer in Zürich, dann folgten verschiedene Stellen als Hochschullehrer, unter anderem in Deutschland (Universität Göttingen), Japan und den USA. 1970 bis 1999 war er Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. 1975 war Muschg Kandidat der Zürcher Sozialdemokratischen Partei für den Ständerat. Er wurde zwar nicht gewählt, äußerte sich nach wie vor regelmäßig zu politischen Zeitfragen. Adolf Muschg ist seit 1976 Präsident der Akademie der Künste Berlin, Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Lesereisen führten ihn bisher nach Deutschland, England, Holland, Italien, Japan, Kanada, Österreich, Portugal, Taiwan, USA. Er lebt in Männedorf bei Zürich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.02.2009

Wandelnde Bankgeheimnisse
Schweiz total: Adolf Muschgs Roman „Kinderhochzeit”
Man hält dieses Buch von Adolf Muschg in der Hand wie eine kostbare Schweizer Uhr: Im Innern rührt sich ein tausendfältiges Räderwerk, aber indem man das weiß und den Zeiger vorrücken sieht, hört man durch das diskrete Gehäuse nur das allerleiseste Ticken dringen.
An Aktion fehlt es dem umfangreichen Roman keineswegs. Er spielt in der Hauptsache am alemannischen Oberrhein; dort befindet sich die fiktive Doppelstadt Nieburg, das schweizerische und das badische. Auf der deutschen Seite steht das gewaltige Aluminiumwerk der ALUBUAG, aber es ist im Besitz der Schweizer Familie Bühler – eine Konstellation, die offenbar Anleihen beim nahen Rheinfelden und der dortigen Degussa macht. Nunmehr, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, scheint es dem jungen Berliner Klaus Marbach an der Zeit , die etwas unklaren Verhältnisse dieser kriegswichtigen Industrie während der Jahre 1933 bis 1945 zu erforschen. „Jung” ist allerdings relativ, Marbach zählt auch schon vierzig Jahre, aber das übrige Personal hat die sechzig durchweg schon gut hinter sich. Die wichtigen unter ihnen waren zusammen in einer Schulklasse, und in diesem Umfeld kam es zu jenem merkwürdigen Ereignis, der „Kinderhochzeit”, die dem Buch den Titel gibt.
An verlässlichen Dokumenten existiert eigentlich nur ein einziges Foto aus dem Jahr 1949; damals haben die Firmenerbin Imogen Bühler und das deutsche Flüchtlingskind Iring Selber, beide neun Jahre alt, ein Nienburger Stadtfest dadurch zu höherem Glanz gebracht, dass sie als Braut und Bräutigam im aufgeputzten Wagen fuhren. Und, merkwürdig genug, Imogen heiratet Iring dann später auch wirklich; die Ehe bricht schon nach wenigen Jahren auseinander, wird aber nie geschieden, ein geheimnisvolles Band besteht fort zwischen der Milliardenerbin und dem intellektuellen Windhund, der als Professor seine eigene maßgeschneiderte Akademie bekommt, Studentinnen vernascht und im Buch nie direkt auftaucht; seine Gestalt bildet dessen leeres Zentrum.
Marbach erhält die Unterstützung Imogens, er darf im Kutscherhaus ihres Anwesens wohnen. Seine Forschungen scheinen nicht recht vom Fleck zu kommen, was aber den Beirat der von Imogen unterhaltenen Stiftung zum Wohle Nieburgs, der aus sieben alten Klassenkameraden besteht, jeder fürs Nichtstun mit 20 000 Euro pro Monat entschädigt, nicht daran hindert, Marbachs Wohnung dennoch illegal abzuhören. Das Ergebnis ist selbst für sie, die sich den inoffiiziellen Namen „Der Stillstand” beigelegt haben, sterbenslangweilig.
Rituale und Wiederholungen prägen das Leben aller Beteiligten weit mehr als die Abenteuer und Verschwörungen, die nach und nach ans Licht kommen. Zwar gab es da die Entdeckung einer riesigen unterirdischen Höhle, die Stiftungsräte sind zusammengeschweißt durch eine betrunkene gemeinsame Vergewaltigung, die sie in ihrer Jugend begangen haben, Imogens Adoptivtochter Judith, eine Halbindianerin, intrigiert im Namen einer rabiaten amerikanischen Sekte, um die Kontrolle über den inzwischen todkranken Iring und das Familienvermögen zu erlangen; und noch so manches andere. Das alles jagt am Himmel der Erzählung vorbei wie Wolkenfetzen, während sich auf dem geruhigen festen Boden der Schweiz, wenn Imogen Klaus Marbach zum Tee lädt, die Dinge so darbieten:
„Er kam im einzigen Sommeranzug, den er besaß und hier erst einmal, bei der Präsentation im ,Oberrheinischen Hof’, getragen hatte. Er hatte sich sogar eine Krawatte dazu geknüpft, taubenblau. Imogen saß im Baumschatten und trug, wie für ein Konzert, ein langes weißes Kleid, das, vorne geschlossen, viel von ihrem Rücken preisgab. Das luftige Haar trug sie nicht ungepflegt, aber sorglos. Der Steintisch war festlich gedeckt, mit einem Bukett bunten Mohns und einem Teller voll gepuderten Zuckerwerks.
Ich habe nicht gefragt, ob Sie grünen Tee wünschen, sagte sie, während sie heißes Wasser aus der größeren Kanne in die kleinere umgoss.
Ich habe einmal an einer Teezeremonie teilgenommen, in der Bundesbahn. Es war eine Werbeaktion fürs Berner Oberland.”
Sie hat durchaus auch ihren Reiz, diese Kombination des Soignierten mit dem Handfesten, ja Banalen, unterfüttert stets durch namhafte Beträge in Schweizer Franken, wodurch Muschg Lokalkolorit erschafft. In jenem Hause waren Heuss, Jaspers und Heidegger zu Gast, man zitiert einander Goethe, Rilke, George, als geheime Chiffren geistern der exaltierte Barockdichter Quirinus Kuhlmann und der Mystiker Jakob Böhme herum; aber man ist auch ein wenig schwerfällig dabei, was vor allem die Dialoge sehr in die Länge zieht.
Zuletzt entscheidet sich das Schicksal des Buchs daran, ob man diesen Schweizern, die sich sämtlich eines Lebensstils befleißigen, als wäre jeder von ihnen ein wandelndes Bankgeheimnis, das verborgene leidenschaftliche Innenleben abnehmen mag oder nicht; speziell Frau Imogen, die die Fäden in der Hand hält und aus den Kulissen die Puppen tanzen lässt. Warum nur hat sie Iring geehelicht, diesen charakterlosen Niemand? Ein sakrales Opfer war es, ihm, der niemals zu lieben vermochte, die Hand zum unverbrüchlichen Bund zu reichen. Weshalb, um Himmels willen, tut sie so was?
Und sie hat sich, das erste Mal, aber dafür gleich rettungslos, verliebt, als sie des jungen Klaus ansichtig wurde, selbstverständlich ohne ein Wort davon verlauten zu lassen; man erfährt es spät und skeptisch. Auch engagiert sie dessen getrennt lebende Ehefrau Manon als Justitiarin, nur um diese, als beide schon reichlich dem Rotwein zugesprochen haben, hinterrücks nackt zu überfallen und sexuell zu unterwerfen. Das muss man als Leser wirklich nicht glauben. Von Klaus lässt sie sich, unheilbar erkrankt, erschießen, er trägt ihre Asche, um sie zu verstreuen, im tiefsten Winter über einen verschneiten Alpenpass und bleibt verschollen. Ein allzu grandioser Abgang.
Aber ein gültiges Dingsymbol gibt es doch. Als Klaus ins Kutscherhaus einzieht, liegt dort auf einem Tischtennistisch ein Schläger lose auf dem Ball, als wäre die Partie gerade kurz unterbrochen worden: die Anweisung auf ein Geschehen als nature morte. Ein halbes Buch später liegt er immer noch so da. Der Stillstand – er hätte dem Roman vielleicht den passenderen Titel geliefert.
BURKHARD MÜLLER
ADOLF MUSCHG: Kinderhochzeit. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 580 Seiten, 24,80 Euro.
Imogen saß im Baumschatten und trug ein langes weißes Kleid
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Nicht wirklich schlau ist Rezensent Dieter Borchmeyer aus dem neuen Buch von Adolf Muschg geworden. Aufklärungsroman? Aufhellung der unbewältigten Vergangenheit? Oder wolle Muschg am Ende seinen Lesern andeuten, worin wahre Poesie bestehe? Der Roman habe in seiner ?an Episoden überquellenden Handlung? nur wenige Grundlinien. Der Rezensent versucht, einige dieser Linien nachzuzeichnen: die Geschichte vom Kommissar, der den Mord an einer Millionärin aufklären soll und die ihres Großvaters, eines Schweizer Aluminiumfabrikanten. Dann komme noch ein Privatgelehrter dazu, der die Schweizer Neutralitätspolitik während des Zweiten Weltkrieges aufarbeite. Und das rätselhafte Foto einer Kinderhochzeit bei einem Festumzug im Jahr 1949. Aber so recht fügt sich für Borchmeyer, der zwar zwei kleine Shakespeare-Essays im Text brillant findet und auch sonst auf immer wieder aufschlussreiche Exkurse trifft, insgesamt nichts zusammen und am Ende zuckt er die Achseln, denn aus seiner Sicht bleiben die Zeichen des Romans blind.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Muschgs Prosa ist ... luzide, farbig, frei von Jargon und reich an jenen Details, die der Leser nach dem Wort eines anderen grossen Stilisten, Nabokov, zu liebkosen hat. Muschg beobachtet glänzend und hat einen wachen Sinn für die Komik am Rand, auch für die Komik, die sich im Morbiden versteckt.«
Michael Maar, Weltwoche