19,80 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Durs Grünbeins neues Gedichtbuch ist ein poetisches Erinnerungswerk, zugleich ein Buch der Übergänge und Verwandlungen. In sieben Abteilungen und einer Vielzahl von Versformen entfaltet sich hier ein Bilderbogen zum Weltbild. Gedichte zur Herkunft stehen am Anfang, bevor sich, just im Reisegedicht, die Unheimlichkeit moderner Mobilität erweist. Ein Interludium, Strophen für übermorgen, führt zu jenem zentralen Ort, an dem der Dichter seit einem Vierteljahrhundert zu Hause ist: Transit Berlin. Genau in der Mitte der Metropole (und des Buches) findet sich auf der Museumsinsel die konzentrierte…mehr

Produktbeschreibung
Durs Grünbeins neues Gedichtbuch ist ein poetisches Erinnerungswerk, zugleich ein Buch der Übergänge und Verwandlungen. In sieben Abteilungen und einer Vielzahl von Versformen entfaltet sich hier ein Bilderbogen zum Weltbild. Gedichte zur Herkunft stehen am Anfang, bevor sich, just im Reisegedicht, die Unheimlichkeit moderner Mobilität erweist. Ein Interludium, Strophen für übermorgen, führt zu jenem zentralen Ort, an dem der Dichter seit einem Vierteljahrhundert zu Hause ist: Transit Berlin. Genau in der Mitte der Metropole (und des Buches) findet sich auf der Museumsinsel die konzentrierte Durchdringung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Doch erneut übt die Ferne ihre Magie. Eine Folge seltsam irreal angelegter 'Charakterstücke' von liedhaftem Sprechgestus begleitet die Überquerung der Alpen in Richtung einer imaginären Antike und führt zur eigentlichen Frage dieser Lyrik: Was ist Imagination? Eine persönliche Bilanz in einer der strengsten lyrischen Formen, im Sonett, zieht der Dichter am Schluß des Bandes: Liebesgedichte und Lebensstudien.
Autorenporträt
Durs Grünbein wurde am 9. Oktober 1962 in Dresden geboren. Er ist einer der bedeutendsten und auch international wirkmächtigsten deutschen Dichter und Essayisten. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs führten ihn Reisen durch Europa, nach Südostasien und in die Vereinigten Staaten. Er war Gast des German Department der New York University und der Villa Aurora in Los Angeles. Für sein Werk erhielt er eine Vielzahl von Preisen, darunter den Georg-Büchner-Preis, den Friedrich-Nietzsche-Preis, den Friedrich-Hölderlin-Preis, den polnischen Zbigniew Herbert International Literary Award sowie den Premio Internazionale NordSud der Fondazione Pescarabruzzo. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin und Rom.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2007

Wenn einem so viel Schönes wird beschert

Nymphen, Cognac und Amphoren - der neue Gedichtband von Durs Grünbein verspricht zwar "Strophen für übermorgen", enthält aber eher geformte Kurzprosa von gestern

Der Dichter Peter Rühmkorf stellte einmal die maliziöse rhetorische Frage, ob und wenn: welche Durs-Grünbein-Gedichte denn ein moderner Bildungsbürger auswendig könne. Antwort: keine. Ganz so düster sieht es mit dem meistgelobten deutschen Lyriker, der im Alter von 33 Jahren schon den ehrenvollsten Literaturpreis, den Büchnerpreis, zugesprochen bekam, dann doch nicht aus. Viele seiner Gedichte haben es in Anthologien, einige sogar in Schulbücher geschafft. Die Voraussetzungen zum Auswendigwissen sind also gegeben. Aber Rühmkorf hat einen wunden Punkt berührt. Grünbeins aktuelle Texturen - und das zeigt auch sein neuer Gedichtband "Strophen für übermorgen", der genau hundert Gedichte und kurze Gedichtzyklen aus der jüngsten Produktion versammelt - muss man eher als geformte Kurzprosa verstehen. Warum?

Grünbeins Assoziationen, seine Metaphern, lassen sich meist schnell aufschlüsseln, sie haben gewissermaßen nur zwei Dimensionen, wo Klassiker der modernen Lyrik wie Trakl oder Benn semantisch dreidimensionale Konstrukte herstellen. Für die mythologischen Anspielungen - Grünbeins angebliches Markenzeichen - kann ein einschlägiges Lexikon verwendet werden: über den Assoziationswert hinaus haben sie meist keine weitergehende Bedeutung, sie wirken oft wie aufgesetzt. So überzeugen die kurzen Texte, die Beobachtungsminiaturen wie das Gedicht "Winterfliege" am ehesten: "Spät im Jahr noch setzt sie sich aufs Buch / Müde, müde ihres Fliegenlebens. (. . .) Unverständlich wird, was sie berührt, aschgrau. / Schrift, auf die ein Fliegenschatten fällt". Die weitschweifigen Reisebeobachtungen wie der Zyklus "Venezianische Sarkasmen" schüren den Verdacht, dass man hier mit entsprechend verdichteter Prosa, einem knackigen Essay, besser bedient worden wäre.

Überhaupt: wie kann man einen Gedichtband "Strophen für übermorgen" nennen? Das ist sowohl ein Klischee, das an die muffige Werbung von Stromkonzernen erinnert (Energie für übermorgen), oder es ist unangenehm arrogant, denn der heutige Leser ist nun mal von heute, und die Gedichte sind beim besten Willen nicht so hermetisch, dass sie erst übermorgen ihren Sinn preisgeben würden. Ob der Anspruch, vor Ewigkeitswert nur so zu strotzen, wirklich von den Texten eingelöst wird, ist (für den Dichter) eine ausgesprochen heikle Frage.

Grünbeins Texte sind da am stärksten, wo Welt erzählt wird, auch wenn man sich mehr poetische Reflexion wünschte, wo nur mythologische Folien aufgelegt werden. Durch die Aufrufung der Antike oder der Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts entsteht eine Art temporaler Erhabenheitseffekt, der, allzu oft angewendet, leider Kitsch erzeugt, Erhabenheitskitsch - Texte wie das Memento mori mit der Winterfliege mal ausgenommen. Der Blick auf die Berliner Heimat des Dichters ist fixiert auf den Straßenkampf im Zweiten Weltkrieg, was an sich kein Schade wäre, bliebe es nicht immer der gleiche Assoziationsraum, den wir schon aus den vorangegangenen Grünbein-Bänden kennen.

Oft begegnen unfreiwillig komische Lyrismen: "In den Parks schlug es dreizehn an jeder Blumenuhr / Weißgraue Nymphen schlangen den Marmorarm / Um Amphoren, mit Cognac gefüllt". Das erinnert, mit Verlaub, an die poetische Qualität einer Asbach-Uralt-Werbung.

In sieben Kapitel gliedert Grünbein seine Texte. Viele Reisebeschreibungen, Italien, Paris, Tokio, Kopenhagen, lassen einen dennoch unbefriedigt. Zufrieden macht einen nur, dass ein Ossi die Reisefreiheit produktiv nutzt. Der Vergleich von Notre Dame mit einem Urfisch-Skelett ist ja noch ausgesprochen naheliegend, wenngleich deshalb kaum poetisch wertvoller. Wenn es dann aber heißt "Strahlend weiß, was dem schwärzesten Mittelalter entkam", dann zweifelt man am Geschichtsbild des Autors - hatte hier doch das Mittelalter seine lichtesten Momente.

Der Autor begreift sich offenbar als Herr der Zeiten. Man könnte seine Sprecherposition etwas abgegriffen als postmodern bezeichnen, also als jenseits der Geschichte, womit allerdings ein Übermorgen sich erledigt hätte. Aus Grünbeins Lyrik spricht ein Zustand von leider gar nicht frecher, sondern fast schon phlegmatischer Hybris.

MARIUS MELLER

Durs Grünbein: "Strophen für übermorgen". Gedichte. Suhrkamp-Verlag 2007. 205 Seiten, 19,80 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008

Schaukastendichtung
Venedig, Paris und immer wieder Berlin: Durs Grünbein liest „Strophen für übermorgen”
Vielleicht war es der Knabe in der Naturkundesammlung, der in seinem frühen Staunen vor den Schaukästen schon unmerklich begann, den Blick des späteren Dichters einzuüben: „In den Museen stand er lange vorm Diorama / Mit den Tieren im Stillstand, natürlich gruppiert / Vor gemalte Fernen, Urwaldszenen und Himalayas." Wenn sich Durs Grünbein diesem Knaben seiner Kindheit nähert, ist auch eine Urszene seines Schaffens abgeleitet. Sein neuer Band „Strophen für übermorgen” versammelt Gedichte als poetisch-museale Schaukästen, die Welt für die Nachwelt fixieren. Eine Auswahl dieser Strophen bietet Grünbein nun auf dem Tonträger dar, als Weltpräparate in gebundener Sprache: Die Familiengeschichte im Osten Deutschlands, Orte des Durchgangs wie Bahnhof und Flughafen, besonders häufig aber Miniaturen europäische Metropolen – Venedig, Paris und immer wieder Berlin.
Diese dioramatische Dichtung ist ein plastisches Verfahren. Wie die Schaukästen im Zusammenspiel von zweidimensionalem, gemaltem Hintergrund und Modellen im Vordergrund den Effekt einer stimmigen Gesamtschau erzeugen, so treten auch in Grünbeins Gedichten die Bauwerke, Szenen und Arrangements einzelner Figuren detailgenau hervor, und erscheinen doch in ihrer lyrischen Einbettung erst als Teil einer Welt. Im Diorama dürfen Figuren und Hintergrund nicht beliebig positioniert sein. Die Abstände müssen stimmen. Im Gedicht kümmert sich darum die Form. Grünbein greift häufig zu Pentameter und Hexameter. Das Metrum legt beim Hörer den Modus der Wahrnehmung fest, stimuliert ihn zu einer Haltung, in der er bereit ist, Vergangenes zu vergegenwärtigen. So viel Wille zur musealen Gestaltung läuft dabei nicht Gefahr, leblose Gebilde zu produzieren. Die Hörfassung der Gedichte stellt dem monumentalen Strophenbau mit dem gesprochenen Wort ein befreiendes Moment des Flüchtigen an die Seite. Und was im Gedicht dem Knaben im Museum ein einmaliges Erlebnis war, als er die großen Schmetterlinge betrachtete und es ihm schien, als bebten noch ihre Flügel, das wird dem Hörer eine beständige Wonne: „Vielleicht, daß ein Luftzug durch Schaukästen ging”. CHRISTOPH SCHMAUS
Durs Grünbein
Strophen für übermorgen
Ausgewählt und gelesen von Durs Grünbein. Regie: Marie-Luise Goerke. Der Hörverlag, München 2008. 1 CD, 75 Min., 14,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In Durs Grünbeins jüngstem Gedichtband legt sich das lyrische Ich bei Wanderungen durch Venedig Erinnerungsvorräte zu und wird dabei selbst unwillkürlich von Erinnerungen an die Kindheit überfallen, schreibt Rezensent Roman Bucheli. Nicht nur bei den Venedig-Gedichten dieses Bandes steht Erinnerung im Mittelpunkt, sei es als Proustsche "memoire involontaire" oder als bewusst dem Gedächtnis für "übermorgen" überantwortet, erklärt der Rezensent. Der Band enthält für den Geschmack des Rezensenten durchaus auch abgegriffene oder gar gedrechselte Verse, er begeistert sich aber für Grünbeins Gespür für die "kleinen Dinge des Lebens" und für die aufmerksame Behutsamkeit, mit der er ihnen begegnet. Die gelungensten Verse sind für Bucheli die, in denen der Lyriker diese kleinen Dinge ganz unspektakulär und skizzenhaft zu fassen bekommt und ihren "Herzrhythmus" festhält.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Dieses Gedicht ist eine Vergänglichkeitsklage, doch wunderbar unangestrengt, von einer schwebenden Eleganz von Reim zu Reim.« Joachim Sartorius Frankfurter Allgemeine Zeitung 20100529
"Der derzeit tauglichste Anwärter auf das Amt des Nationaldichters."