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Alles ändert sich für David Rudan, als er der Sängerin Simone Thalmann begegnet. Die Liebe zu ihr setzt ihn, den eine Krankheit lange zurückgeworfen hatte, in Bewegung: David bricht auf, schreibt, reist - und beginnt auf dieser Suche sich mit Alban Berg zu beschäftigen: mit dem Komponisten, für den sich alles änderte, als er sich in die Prager Jüdin Hanna Fuchs-Werfel verliebte. Über zehn Jahre schrieb er ihr Briefe; seine - unerfüllte - Liebe wurde ihm zum Antrieb für sein Schaffen, seine Musik.
Indem David der Geschichte Alban Bergs nachgeht, um, wie er sagt, das Eigene im Fremden zu
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Produktbeschreibung
Alles ändert sich für David Rudan, als er der Sängerin Simone Thalmann begegnet. Die Liebe zu ihr setzt ihn, den eine Krankheit lange zurückgeworfen hatte, in Bewegung: David bricht auf, schreibt, reist - und beginnt auf dieser Suche sich mit Alban Berg zu beschäftigen: mit dem Komponisten, für den sich alles änderte, als er sich in die Prager Jüdin Hanna Fuchs-Werfel verliebte. Über zehn Jahre schrieb er ihr Briefe; seine - unerfüllte - Liebe wurde ihm zum Antrieb für sein Schaffen, seine Musik.

Indem David der Geschichte Alban Bergs nachgeht, um, wie er sagt, das Eigene im Fremden zu suchen, findet er Antworten auf seine Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen der Liebe, nach ihrem Scheitern und ihren Utopien.

Zwei Liebesgeschichten werden erzählt, die eine angesiedelt im Umfeld der Zweiten Wiener Schule, die andere in der Gegenwart, auf einer Reise von Zürich bis an die dalmatinische Küste. Auf höchst kunstvolle Weise und in einer von größter Zartheit geprägten Sprache werden beide miteinander verknüpft, in Landschaften, Motiven, Bildern. Und sie finden zusammen in der Musik, in der Aufführung von Alban Bergs Violinkonzert. Ein Thema kommt, verdichtet sich, verschwindet, ein nächstes klingt an, dazwischen Pausen, Stille, die neue Türen öffnet: in der Musik, in der Liebe, im Leben.
Autorenporträt
Faes, UrsUrs Faes, 1947 geboren, lebt und arbeitet in Zürich. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Schweizerischen Schillerpreis und dem Zolliker Kunstpreis. Seine Romane Paarbildung und Halt auf Verlangen standen auf der Shortlist für den Schweizer Buchpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2005

Sommer, Presto delirando
Eine musikalische Liebe: Der neue Roman von Urs Faes

Stille spricht. Es gibt keine Stille, die nicht mit Klang geladen ist." Dieses von John Cage entlehnte Motto leitet den neuen Roman von Urs Faes ein, dessen Titel dieses Motto fortschreibt: "Als hätte die Stille Türen". Damit ist das innere Thema des Romans, sein Programm umschrieben: Sublimation als psychologischer Prozeß künstlerischer Produktion und deren Dekonstruktion zur Erkenntnis des Sublimierten.

Dementsprechend baut Faes seinen Roman zweisträngig, wechselnd zwischen fiktionaler Erzählung und reportierter Geschichte: Im einen Strang begegnen einander der Journalist David Rudan und die Sängerin Simone Thalmann - beide beschädigte Menschen, die einander nur zögerlich näherkommen, indem sie sich und den anderen entdecken; im anderen Strang erzählt Faes von der spät entdeckten Liebe Alban Bergs zu der in Prag lebenden Hanna Fuchs-Robertin (der verheirateten Schwester Franz Werfels), die er 1925 kennen- und liebengelernt hatte und die er danach nie wieder erobern sollte. Vierzehn Briefe schrieb er ihr nach ihrer intimen Begegnung: "Denn wisse: ich bin seit diesem größten Ereignis nicht mehr ich. Ich bin ein in stetem Herzklopfen dahintorkelnder Wahnsinniger geworden" - Briefe, auf die sie nie geantwortet hat.

So zögerlich, wie Faes David und Simone einander näherkommen läßt, so langsam verbindet er die beiden Erzählstränge des Romans. Für David wird, nach einer plötzlichen heftigen Krankheit, der Tod, wird "das eigene Sterben" zum Thema, er besucht eine Tagung zum Thema Sterbebegleitung, "Transitus statt Exitus", begegnet dort Simone - beide, verlegen, äußern sich eher ironisch, distanzierend zu dem, was sie da auf einer solchen Tagung treiben. Dann wird der Erzählknoten geschürzt: David entdeckt einen Aufsatz Simones über den "Tod in der Musik. Am Beispiel des An-der-Liebe-Sterbens von Alban Berg". Und: "Die Briefe von Alban Berg an Hanna Fuchs hatte er in einer Musikzeitschrift gefunden und noch am gleichen Abend gelesen. David Rudan staunte, da hatte einer Ausdauer bewiesen und zehn Jahre lang Briefe an die Umworbene geschrieben, voller Verlangen."

"Liebe, Du, bitte verzeih, daß ich Dir nun doch schreibe, auf heimlichem Wege." Alle seine Briefe, wie dieser erste Albans an Hanna vom 23. Juli 1925, gingen solche geheimen Wege, wurden von Freunden übergeben, darunter Wiesengrund als einer der ungeschicktesten Übermittler. "Ich bin nicht mehr ich. Ich bin ein Wahnsinniger geworden . . . Mir ist alles, was mich früher bewegte, gleichgültig, unerklärlich, ja verhaßt geworden." Ob Helene Berg, deren Beziehung zu ihrem Mann Alban von Adorno einst als die eines "hohen Paares" gefeiert wurde, je von dieser Beziehung wußte? Öffentlich wurde sie jedenfalls erst nach Helene Bergs Tod, in den siebziger Jahren.

Damit hat David, der nach seiner Krankheit "wieder zu meinen Sätzen finden" will, sein Thema gefunden: "etwas Biographisches würde ihm gewiß liegen, hoffe er, eine Mann-Frau-Geschichte", erzählt er Simone - und fortan läßt Faes seinen Helden das Verhältnis von Alban Berg und Hanna Fuchs erkunden und zugleich beharrlich um Simone werben.

Doch der in diesem Buch dann die Geschichte von Alban Bergs vergeblicher heimlicher Liebe erzählt, ausgiebig Bergs Briefe zitiert und seine Gedanken und Handlungen imaginiert, das ist ganz unvermittelt nicht mehr der vorgeschobene Erkunder David, sondern sein Autor, Urs Faes, der sich nicht nur in den Liebenden Berg versetzt, sondern auch den seine vergebliche Liebe sublimierenden Komponisten phantasiert: "Er hielt fest, Worte und Töne, und er glitt in die Nacht, in die Qualen der Trennung, ins Dahindämmern, das Tenebroso, so will er den zweiten und den vierten Teil des Presto bezeichnen: Tenebroso, finster, unheimlich. Unruhig war diese Musik, elegisch, wild, ein Delirium aus Angst und Leere, ein Taumeln und Purzeln, Glissandi, abwärts gerichtet. Delirando nennt er es, Erregung, Wahn, Bewußtseinstrübung, so war ihm dieser Sommer, Presto delirando, minutenlanges Beben, vierhundertsechzig Takte lang, vom Tag in die Nacht, dann wieder der Tag, wieder die Dämmerung, die Nacht. . . So taumelte er durch diesen Sommer. Konnte nicht begreifen. Wollte nicht. Fiel und würde noch weiter fallen, ins Largo, wo der Schrei nur noch aus der Tiefe kam: desolato, tiefste Mitternacht, schrieb er in sein Heft, eine klagende Geige. Kein Sommer mehr, nur noch Kälte und Grauen. - Du, Geliebte, höre mich. Gib doch Antwort." Die Antwort kam aber nicht.

Was Faes da beschreibt, ist seine Imagination von Alban Bergs 1926 komponierter "Lyrischer Suite", die das geheime Programm von Bergs Liebe zu Hanna Fuchs entfaltet.

Mit allem, was Faes in diesem Roman über Alban Berg und seine Musik erzählt, entwirft, einfühlsam erfindet, errichtet er als Erzähler seinem Helden den Grund, auf dem der sich, auch für den Leser erkennbar, in seinem Stoff bewegen kann. In der Sängerin Simone gibt er ihm ein Gegenüber, das ihn zum Fragen bringt: nicht nur über Alban Berg, sondern auch in seiner Beziehung zu Simone selbst. So führt er seine beiden Themen mit der Zeit immer enger aneinander.

Wenn David Simone an einem Liederabend zuhört, wie sie Bergs zwei Vertonungen von Theodor Storms "Schließe mir die Augen zu" singt, deren frühe Berg für seine Frau Helene, deren spätere atonale Fassung er für Hanna geschrieben hat, dann drängen sich in seine Gedanken an diese Musik immer mehr auch Gedanken an deren Interpretin, aber unaufdringlich, wie selbstverständlich. So korrespondiert die Atonalität in der Fassung für Hanna, die er vernimmt - "Simones Stimme scheint etwas Schrilles, Beschwörendes zu haben, ihm ist, als zerstückle die Musik die Verse, breche sie auseinander, verhöhne sie" -, ihrer Beziehung in einem Stadium, das noch von Simones Fliehen aus alten existentiellen Verstörungen geprägt ist: "Ich werde bald fahren. - Wieder gehen? - Er fragt ängstlich. - Warum dieses Hin und Her, wagt er einzuwenden, warum bloß? Bist du auf der Flucht vor mir, vor dem, was sein könnte?" Später kommt darauf die Antwort, Simone schreibt: "Zögern hat auch mit Angst zu tun. - Hanna Fuchs blieb bei ihren Kindern. Und Berg bei der Musik. Entsagung. Oder Verrat? Haben nicht auch die ungelebten Möglichkeiten eine Wirklichkeit?"

Faes' Erzählstrategie, das historische Thema der Ferne Hannas zu Alban Berg mit dem imaginierten Thema der Annäherung Davids an Simone zu verschränken, kann nur aufgehen, wenn diese Verschränkung nicht erkennbar erzwungen wird, sondern wie selbstverständlich aufgeht.

Ich denke, in diesem kleinen Roman geht sie auf. Die vermittelten Erfahrungen Bergs befruchten die unmittelbaren Erfahrungen Davids und Simones, werden zum Thema in beider Gesprächen, lösen sich auf in die eigenen Erfahrungen, verdrängen die alten Ängste und vergangenen Bindungen und machen frei füreinander.

Der Schluß führt beide - David, der ihren Liederabenden hinterherreiste, Simone, die sich ihm immer wieder entzogen hat - in Rijeka zusammen, wo Alban Berg gegeben wird. "Ausgerechnet Berg. - Sie wehrt ab. - Ein Zufall sei das nicht, sie habe sich erkundigt, zudem kenne sie das Orchester. - Zusammen Berg hören, nach all den Mutmaßungen, den Gesprächen, einfach Musik, mit all dem, was sie vermöge: der Gedanke habe ihr gefallen. - Die Lyrische Suite? - Nein, die werde nicht oft gespielt, das Violinkonzert."

Da führt Faes seine beiden Themen endgültig zusammen. Er erzählt in einem anrührenden Kapitel, wie Alban Berg jenes Konzert, im Jahre seines Todes, 1935, geschrieben hat, das zu seinem eigenen Requiem wurde und gewidmet ist "Dem Andenken eines Engels", der mit achtzehn Jahren gestorbenen Manon Gropius (Tochter des befreundeten Architekten Walter Gropius und seiner Frau Alma, die zuvor mit Bergs Lehrer Gustav Mahler und danach mit Franz Werfel verheiratet war). Zeigt die Empfindung seiner zunehmenden Isolation als "entarteter Künstler", der nicht mehr gespielt wird. Denkt sich in seine Erinnerung: "Ihn hatte nie eine Muse zu schneller Arbeit beflügelt. Fast alles hatte er aus sich herauspressen müssen, langsam und stockend. Sich selbst überlisten. Mit sich ringen. So war es immer, fast immer, auch diesmal. - Nur einmal war das anders gewesen, nach jenen Maitagen in Prag-Bubene? Da hatte alles in ihm zu singen begonnen, einfach so, eine Stimme, ein Klang, weil da ein Gesicht war. - Dein Gesicht, Hanna."

Und die beiden, die endlich zueinanderzufinden beginnen, David und Simone, erfahren in diesem Konzert an sich, was ihr Erfinder, Urs Faes, an ihnen und ihrer Begegnung mit Alban Berg literarisch vollzogen hat: "Themen kehren wieder, werden variiert, suchen den Kontrast, lösen Bilder, Erinnerungen, die sich als eigene Klänge über die wahrgenommenen und wahrnehmbaren legen, sich mit ihnen verschränken, sich wieder lösen. Als sei Musik nur dazu da, das Eigene zu lösen, zu bewegen, in Gang zu bringen."

So gehen eine Künstlernovelle und ein Liebesroman aufs glücklichste ineinander auf - in einem poetischen Satz über die vom Autor in Poesie verwandelte Poetologie.

Urs Faes: "Als hätte die Stille Türen". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 174 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Zwei "Nöte" scheinen Urs Faes' neuen Roman zu "grundieren", schreibt Rezensentin Beatrice Eichmann-Leutenegger: Die Liebe wird in einer Zeit der "Ernüchterung" immer schwieriger und auch darüber zu schreiben, fällt nicht leicht. Ihr gefällt deshalb Faes' Idee, eine fiktive Liebesgeschichte der Gegenwart, deren "Tragkraft" der Autor nicht so ganz "traut", mit der realen Beziehung zwischen dem Wiener Komponisten Alban Berg und der Prager Industriellengattin Hanna Fuchs zu verknüpfen. Doch auch wenn der Autor die beiden Handlungsstränge "unaufdringlich" verbinde und sein Buch voller "schlanker, bisweilen lyrisch getönter" Prosa stecke, zeigt sich die Kritikerin nicht vollends überzeugt. Ihr scheint der Text mitunter ein wenig "blass", besonders wenn es um das "Faszinosum" der Leidenschaft zwischen Berg und Fuchs geht. Auch dass manch wichtige Person aus dem "Berg-Kreis", wie etwa Alma Mahler oder Adorno bloße "Statisten" blieben, stört sie. Ein etwas "pointierterer Gestus" wäre hier wünschenswert gewesen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Faes weiß mit Perspektiven meisterhaft umzugehen; je nach Ort, Zeit und Figur schlägt der Autor ein jeweils anderes Erzähltempo an. Mittels einer raffinierten Montagetechnik treibt Faes die Geschichten parallel zueinander voran. Dabei spiegeln sich die Schicksale auf unerwartete Weise. Der Leser wird zum Begleiter eines Liebesquartetts, Zeuge der geistigen Verwandtschaft.« Wiener Zeitung