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2 Kundenbewertungen

Einen Zaun zu bauen ist eigentlich eine simple Angelegenheit: Man gräbt Löcher in die Erde, setzt einen Pfahl hinein und dann noch einen und noch einen, dann spannt man Drähte dazwischen usw. Hat man es allerdings mit Zaunbauern wie Tam und Richie zu tun, wortkargen Heavy-Metal-Fans, die immer im Doppelpack auftreten und sich nur widerwillig von Schottland nach England versetzen lassen, dann wird so ein Zaunbau zu einer bizarren Unternehmung. Die englische Landschaft ist gnadenlos trist, das Glück besteht in ereignislosen Kneipenbesuchen am Abend. Ungeschicklichkeiten führen zu Unfällen mit…mehr

Produktbeschreibung
Einen Zaun zu bauen ist eigentlich eine simple Angelegenheit: Man gräbt Löcher in die Erde, setzt einen Pfahl hinein und dann noch einen und noch einen, dann spannt man Drähte dazwischen usw. Hat man es allerdings mit Zaunbauern wie Tam und Richie zu tun, wortkargen Heavy-Metal-Fans, die immer im Doppelpack auftreten und sich nur widerwillig von Schottland nach England versetzen lassen, dann wird so ein Zaunbau zu einer bizarren Unternehmung. Die englische Landschaft ist gnadenlos trist, das Glück besteht in ereignislosen Kneipenbesuchen am Abend. Ungeschicklichkeiten führen zu Unfällen mit tödlichen Folgen für diverse Auftraggeber - aber aufs Vergraben sind die beiden ja spezialisiert. Lakonik ist der herrschende Tonfall bei Mills. Die merkwürdigen Geschäftspraktiken der Hall-Brüder, in deren Zaunbau-Territorium die beiden Schotten samt ihrem englischen Vorarbeiter nichts ahnend eingedrungen sind, schweben als immer düsterer werdende Bedrohung über der Sache. Magnus Mills hat ei nen Blick für das Skurrile, das im Alltäglichen steckt, und versteht es, den Umschlag ins Absurde nur allzu logisch erscheinen zu lassen: Dienen die besonders hohen Elektrozäune am Ende dazu, nicht Tiere, sondern Menschen einzupferchen? Werden Tam und Richie in der Wurstfabrik der Gebrüder Hall der gerechten Strafe für ihre vertuschten Morde überführt?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Weit hinaus
Magnus Mills erkennt die Welt beim Zäunebauen

Arbeit ist in Deutschland von jeher eine ernste Sache gewesen. Bei ihrer literarischen Darstellung gab es schon bei Arno Holz und Gerhart Hauptmann nichts zu lachen, geschweige denn im Wiederaufbau zwischen Dortmund und Bitterfeld. Anders in Großbritannien, wo die Arbeit bekanntlich nicht erfunden wurde, weshalb auch die Arbeiterliteratur eine Tradition des komischen Naturalismus herausgebildet hat. Seit den Umwälzungen der Thatcher-Ära wird solcher Humor zunehmend diabolisch instrumentiert. So hat zum Beispiel Jeff Torrington 1998 in "Blechinferno" den grotesken Abgesang auf die alte Bandarbeit intoniert. In dem Roman wird die Welt der entfremdeten Arbeit minutiös in ihrer eigentümlichen Durchtriebenheit und Würde beschrieben und erscheint doch zugleich in chaplinesker Komik, wenn alles schiefgeht, was schiefgehen kann. Im elektronisch-gentechnischen Zeitalter werden solche Werke langsam zu Denkmälern einer vergangenen Produktionsweise.

Nun hat der ehemalige Zaunbauer Magnus Mills (geb. 1954) sein Metier dokumentiert. In seinem Romandebüt richtet er die Schauplätze so ein, wie es seit Alan Sillitoes "Saturday Night and Sunday Morning" (1958) charakteristisch für das Genre geworden ist: hier die Arbeitswelt und der tägliche Kampf mit der Tücke der Objekte und der Vorgesetzten, dort der Pub, wo man unter Gleichen ist, wenn sich nicht ein paar Mädchen einstellen. Über den Bau von Weidezäunen in ländlichen Gebieten gibt es an sich wenig zu sagen: "Einen Zaun zu bauen ist verhältnismäßig einfach. Zuerst grabt ihr eure Spannpfosten an jedem Ende ein und spannt einen Draht dazwischen. Damit erhaltet ihr eine gerade Linie, an der ihr die zugespitzten Pfosten einschlagen könnt (mit der Spitze nach unten). Danach macht ihr einen Draht nach dem anderen fest und spannt sie dann alle, und fertig ist der Zaun." Bei dieser einfachen Tätigkeit kann allerdings ebenfalls einiges schiefgehen, und das tut es für gewöhnlich auch. Zumal, wenn der Zaunbau-Trupp aus zwei langhaarigen schottischen Heavy-Metal-Fans und einem wenig autoritären englischen Vorarbeiter besteht.

Magnus Mills erzählt die Geschichte aus der Perspektive des Engländers in einem staubtrockenen Beschreibungsstil, den Katharina Böhmer umstandslos ins Alltagsdeutsche gebracht hat. Passagenweise scheint es, daß dem Leser bei Hunderten von eingeschlagenen Pfosten und etlichen Meilen Draht die Zeit so lang werden soll wie den Zaunbauern in den Bowlands. Allfällige Verrichtungen werden ebenso lakonisch notiert wie die gröbsten Unwahrscheinlichkeiten. Fast unmerklich und ohne jeden Zeigefinger aber verwandelt sich die Geschichte zum Schluß in eine finstere Parabel. Erst dann erkennt man die Kunstfertigkeit des Autors. Die immer schneller und höher zu errichtenden Zäune verwandeln sich in Metaphern des Effizienz-Drucks, durch den der abhängigen Arbeit der ehrwürdige britische Pfusch und mit den zahlreichen Tee- und Zigarettenpausen der letzte Rest von Zeitsouveränität ausgetrieben werden soll. Angesichts des sich zum Zwangssystem formierenden neoliberalistischen Arbeitslebens werden schließlich sogar die Unterschiede zwischen Schotten und Engländern unwesentlich. Das ist der bitterste Kommentar zu Tony Blairs schöner neuer Welt, den das Buch zu bieten hat. (Magnus Mills: "Die Herren der Zäune". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Katharina Böhmer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 216 S., geb., 36,- DM.)

FRIEDMAR APEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2001

Schwierigkeiten beim Zäune-Bauen
Der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapitalismus als lebendiger Antagonismus: Magnus Mills’ wahnwitzig komischer Roman aus der Arbeitswelt der britischen Landwirtschaft
Diverse Berufe, heißt es, habe er ausgeübt und irgendwann mit dem Schreiben begonnen, Zeitungsberichte über seine Erfahrungen als Busfahrer zunächst, danach einen Roman über das Zäune-Bauen. Magnus Mills, Jahrgang 1954, ist eine authentische Stimme aus der Arbeitswelt. Allerdings stehen seine Zäune nicht auf Bitterfelder Wegen oder in Bottroper Protokollen, sondern auf schottischen und englischen Weiden, und was er erzählt, klingt nicht nur echt, sondern umwerfend komisch. Dieser Autor ist mit der Gnade jenes Wahnwitzes gesegnet, den man britischen Humor nennt.
Es ist nur folgerichtig, dass dem misstrauischen Milchbauern Mr. McCrindle ein Werkzeug gegen den Kopf knallt und er tot umfällt, hat er doch Tam gerade hinterrücks angeredet, als der den obersten Draht des Zauns festzog und, durch das plötzliche Auftauchen des Auftraggebers irritiert, die Kontrolle über Kettenwinde und Klemme verlor. Mr. McCrindle ist der erste von drei Männern, die einen drei Mann starken Zaunbauertrupp – jeder kriegt seine Leiche – bei der Arbeit stören, und dass er an Ort und Stelle unter das Gras kommt, ist die erste wichtige Entscheidung des tags zuvor zum Vorarbeiter avancierten Erzählers. „Auf dem Heimweg wurde ich unruhig. ‚Er war doch richtig tot, oder?’ ‚Ich bin ganz sicher’, sagte Richie. ‚Und was wird aus seinen Kühen?’ ‚Denen geht’s gut. ’”
Tam und Richie, zwei Schotten mit Heavy-Metal-Fan-Image, sind ein eingespieltes Team. Der Dritte im Bund ist der Erzähler, ein englischer Zaunbauer, vom Firmenchef in dem Moment zum Aufpasser für Tam und Richie bestellt, als ein Auftrag aus England eingeht: „Wir wüßten nie, was sie da treiben. ” Die Entscheidung ist durchdacht, denn Tam und Richie gleichen nicht nur dem Bild, dass sich der Erzähler von den Wikingern macht, sie verkörpern auch ein vorzeitliches Arbeitsethos. Sie verschwinden spurlos während der Arbeitszeit, verschleißen Material und antworten, nach Versäumnis oder Fehler gefragt, ungelogen: „Vergessen” oder „Keine Ahnung” oder „Keine Lust”. Überdies bedeutet England für sie Exil. Der zum Vorarbeiter überrumpelte Engländer beschließt: „Wir müssen uns nur aneinander gewöhnen. ” Das gelingt so gänzlich, dass die drei „Herren der Zäune” am Ende in ein und derselben Falle sitzen und um die Frucht – oder, wie es heißt, das Samenkorn ihrer Arbeit –, das feierabendliche Besäufnis in der Kneipe, betrogen werden. Denn die drei arbeiten für Donald, der das Prinzip der Moderne vertritt.
Er lässt seine Leute auch am Wochenende arbeiten, zahlt ihnen das Geld erst auf Nachfrage aus, thatchert sie mit fremden, unbekannten Wörtern ein und veranschaulicht ihnen die Begriffe Perfektion, Rentabilität, Produktivität durch Taten. Mal haut er selbst Eisenbahnschwellen in die Erde, ein Auftrag, vor dem seine Leute Reißaus nahmen, mal schnappt er sich einen seiner Schotten und absolviert mit ihm einen „effizienten Arbeitstag”, den der als „gebrochener Mann” überlebt. Dank Effizienz stieg Donald vom Obstkistenhersteller zum Firmenchef auf, sein Ex-Kompagnon, Robert, hingegen zum „Überflüssigen” ab. Robert wird der dritte Unfalltote der Geschichte, während Donald den Weg vom Spanndrahtzaun in die Zukunft des Elektrozauns beschreitet. Sein nächster Kunde, der englische Fleischfabrikant Mr. Hall, ein Mann noch größeren Kalibers, ordert bei Donald meterhohe Zäune und stabile Pferche fürs Vieh sowie Zaunbauer, die so spuren wie seine Fabrikarbeiter. Die Widersprüche spitzen sich zu.
Mills erzählt die Geschichte von der Entmachtung der „Herren der Zäune” als Groteske. Er spult das Geschehen im Eiltempo ab und konzentriert es ganz auf die Konfliktparteien. Auch wenn sich Donald für den Fortschritt schindet und Mr. Hall an der Expansion seines Unternehmens leidet, „Wir sind Schlachter. Und hätten das auch bleiben sollen”, sind die beiden mit sich und den Zwängen von Modernisierung und Akkumulation im Reinen. Tam, Richie und der Vorarbeiter, die Helden des Romans, fallen hingegen aus allen Wolken. Mills porträtiert sie als zerrissene Persönlichkeiten. Sie sind weder motorisch noch verbal in der Lage, den Anforderungen der Flexibilität zu entsprechen, obwohl sie Neuerungen nicht ablehnend gegenüberstehen und stolze Arbeiter sind. Richie etwa erwirbt eine elektrische Gitarre und stottert sie ab, obwohl es bei ihm zu Hause keinen Strom gibt. Tam lehnt das Angebot eines Kunden, ihnen Tee zu bringen, ab: „Weil wir keine Landstreicher sind. ”
Mills verwickelt seine Helden in absurde Situationen und aberwitzige Dialoge, er wiederholt einzelne Szenen und Wortwechsel, wodurch er die Komik bis an die Schmerzgrenze treibt. Mit dem tragisch zum Anhängsel der Maschine entfremdeten Chaplin in „Moderne Zeiten” haben Tam, Richie und der Vorarbeiter nichts gemein. Doch in der Art und Weise, in der Mills, ein hinreißender Dialogschreiber, sie stockend, mit endlosen Verzögerungen auf die Zumutungen von Arbeit- und Auftraggeber antworten lässt, taucht der alte Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital als ziemlich lebendiger Antagonismus auf. Und wenn am Ende Tams und Richies Väter, Kleinbauern und schottische Hinterwäldler, wenngleich der eine schon einen Golfplatz angelegt hat, auch ihr Eigentum neu einzuzäunen beginnen, scheint es, als sei sogar Schicksal im Spiel. Dass die drei Zaunbauer schließlich, in ihrem Wohnwagen auf Mr. Halls Fabrikhof kaserniert, sich abends nicht einmal mehr im nächsten Pub betrinken können, ist jedenfalls so traurig wie wahr.
AGNES HÜFNER
MAGNUS MILLS: Die Herren der Zäune. Roman. Aus dem Englischen von Katharina Böhmer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2000. 216 Seiten, 36 Mark.
Magnus Mills
Foto: Jerry Bauer
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Udo Taubitz` Rezension des Buchs ist gleichzeitig ein Porträt des Autors, in das der Rezensent auch Passagen eines Interviews mit Mills einfließen lässt. Mills zeigt sich enttäuscht darüber, dass sich die Öffentlichkeit mehr für seinen eigentlichen Beruf - er ist Busfahrer - interessiert, als für seine Literatur. Doch auch für Taubitz spielt das eine große Rolle ebenso wie die Tatsache, dass Mills Engländer ist. Der Rezensent Taubitz versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass der Roman sich durch einen "staubtrockenen und schwarzhumorigen" Ton auszeichnet, der für Taubitz typisch englisch ist. Die Geschichte der drei Zaunbauer selbst scheint dabei für den Rezensenten von untergeordneter Bedeutung zu sein. Was ihm viel mehr an dem Buch gefällt, ist der "lakonische Erzählstil", den Mills nicht nur bei alltäglichen Ereignissen anwende, sondern auch dann, wenn es um "die gröbsten Unwahrscheinlichkeiten" gehe. Die Fähigkeit des Autors, "mit wenigen, simplen Worten das begrenzte Leben einfacher Menschen zu beschreiben", gehört für Taubitz zu den großen Stärken dieses Romans.

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