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Was wäre passiert, hätte Eva zuerst vom Baum des Lebens gekostet und dann erst vom Baum der Erkenntnis? "Eva wäre unsterblich gewesen, und statt Adam als Sklavin zu dienen, hätte sie seine Göttin sein können. Die Chance ist verpasst. Denken wir nicht mehr daran." Anne Weber hat sich die Bücher des Alten Testaments vorgenommen und erzählt sie auf ihre ganz eigene Weise neu, nicht vollständig und all ihren Sinngebungen nachspürend, dafür immer überraschend und pointiert. Der Blick, den sie einnimmt, ist scharfsichtig, realitätssüchtig und unerbittlich. "Im Anfang war das Tohuwabohu", heißt es;…mehr

Produktbeschreibung
Was wäre passiert, hätte Eva zuerst vom Baum des Lebens gekostet und dann erst vom Baum der Erkenntnis? "Eva wäre unsterblich gewesen, und statt Adam als Sklavin zu dienen, hätte sie seine Göttin sein können. Die Chance ist verpasst. Denken wir nicht mehr daran." Anne Weber hat sich die Bücher des Alten Testaments vorgenommen und erzählt sie auf ihre ganz eigene Weise neu, nicht vollständig und all ihren Sinngebungen nachspürend, dafür immer überraschend und pointiert. Der Blick, den sie einnimmt, ist scharfsichtig, realitätssüchtig und unerbittlich. "Im Anfang war das Tohuwabohu", heißt es; und: Wer fiel eigentlich beim Sündenfall? Genau besehen: nur die Schlange, denn Gott strafte sie damit, am Boden kriechen zu müssen - woraus natürlich zu folgern ist, dass zuvor Beine die Schlange wenigstens ein wenig (vielleicht in Hundehöhe?) über den Erdboden erhoben haben, sonst wäre es ja keine Strafe gewesen. Und als Gott Noah befahl, von jeder Art zwei T iere an Bord seiner Arche zu nehmen - hatte er da die Fische nur vergessen, oder wollte er sie schonen? Mit leichter Hand rückt die Autorin das Allbekannte in ein neues Licht und macht uns wundern über das, was wir für die natürliche Ordnung der Dinge halten.
Autorenporträt
Anne Weber, geboren 1964 in Offenbach, lebt als Autorin und Übersetzerin in Paris. Sie übersetzt sowohl aus dem Deutschen ins Französische (u.a. Wilhelm Genazino und Sibylle Lewitscharoff) als auch aus dem Französischen ins Deutsche (u.a. Pierre Michon und Marguerite Duras). Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Preise, darunter den "Kranichsteiner Literaturpreis" 2010. Anne Weber schreibt auf Deutsch und Französisch, ihre Bücher erscheinen in Frankreich und Deutschland. 2015 wurde Anne Weber mit dem "Johann-Heinrich-Voß-Preis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2000

Heiliges Gemetzel

Anne Weber versteht sich als "im Postchristentum Geborene". Unter den Gestalten der hebräischen Bibel schätzt sie vor allem Kohelet. Der skeptische Zweifler habe die Hoffnung aufgegeben, "von Gott je eine klare Antwort zu bekommen". In ihren neuesten Erzählungen schreibt sich die in Paris lebende Erzählerin deshalb ihr eigenes Altes Testament. Sie will den eifernden Jahwe-Gott der Israeliten als einen eitlen Narziß entlarven, dem bei der Schöpfung nichts einfiel. "Statt etwas ganz Neues auszudenken, nahm er sich selbst zum Vorbild" und schuf menschliche Kleingötter, die ihm nur Ärger bereiten. Jahwe ist ein Neurotiker, der von seinen Geschöpfen gebieterisch Anerkennung verlangt, ohne selbst lieben zu können. Er ist launisch, weiß nicht, was er will, läßt Vorhäute abschneiden und ergötzt sich an "heiligen Gemetzeln". Er lügt, steht auf sexuelle Gewalt und sendet grausame Schicksalsschläge, damit wir unser Gewissen prüfen und Reue tun. Lauter unglückliche Gestalten hat er in die Welt gesetzt, einen Onan, der niemals onaniert, einen Josef, der Träume ohne Wiener psychoanalytische Kompetenz deutet, und eine Eva, die so dumm ist, für einen Apfel vom Baum der Erkenntnis zur Sklavin der Männer zu werden. Für Anne Weber ist Jahwes "Spiel der Liebe Gottes mit sich selbst" (Hegel) nur brutaler Terror. In einem monotheistischen Absolutheitswahn kann er keine postmoderne Pluralität vieler schöner Nebengötter ertragen. "Das göttliche Recht entspricht in etwa dem, was wir auf Erden gewöhnlich Unrecht nennen." Deshalb müssen emanzipierte Frauen Jahwe als an den Himmel projizierten Super-Macho entlarven. "Gott - was wäre er ohne uns Menschen? Ein armer Tropf. Er gliche einem König ohne Untertanen oder einem Politiker ohne Wähler. Warum unterwerfen wir uns jemandem, der so abhängig ist von uns?"

Die Kritik am eifernden Herrschergott des Alten Testaments hat im neuzeitlichen Christentum eine lange Tradition. Schon den christlichen Aufklärern galten die Exklusivitätsansprüche der Israeliten als Quelle barbarischer Metzeleien. In ihrem fröhlichen Feminismus merkt Anne Weber nicht, daß sie nur alte Stereotypen zitiert. Suhrkamps Werbeleute irren, wenn sie diese kritische Relektüre der hebräischen Bibel als "scharfsichtig, realitätssüchtig und unerbittlich" anpreisen. Webers biblische Assoziationen haben einen antijudaistischen Subtext. Sie reduziert die Religionsgeschichte Israels auf blanke Gewalt. Alte Mythen liest sie naiv gegenständlich. Soviel Ahnungslosigkeit über die religiösen Gehalte der hebräischen Bibel wirken selbst im "Postchristentum" nur peinlich. Im Hausverlag für deutschjüdische Kultur ist nun Reue angesagt. Manche Bücher sind nur ein literarischer Sündenfall.

FRIEDRICH WILHELM GRAF

Anne Weber: "Im Anfang war". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 208 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Keine Frage, Martin Krumbholz gefällt dieses Buch, in dem die Autorin Geschichten aus dem Alten Testament "mit leichter Hand und mit scharfem Witz" neu erzählt. Natürlich fühlt er sich auch an Thomas Manns Joseph-Roman erinnert, allerdings mache Weber um dessen "flagranten Freudianismus (...) einen eleganten Bogen". Mehrfach betont der Rezensent die komischen Elemente in Webers Geschichten, in denen sie nicht nur mit Gott ins Gericht geht und ihm einige Inkonsequenzen bescheinigt, sondern auch die Erzählungen des Alten Testaments mit feministischer Lesart gegen den Strich bürstet. So sei es für David "überhaupt kein Kunststück" gewesen, Goliath zu töten, denn schließlich hatte er Gott auf seiner Seite, und außerdem habe David auch mit seinem "männlichen Imponiergehabe" keine besonders gute Figur gemacht. Krumbholz betont allerdings ausdrücklich, dass sich Weber stets an den Überlieferungen orientiert und ihre "Lesarten (...) keineswegs an Absaloms langen Haaren herbeigezogen" sind.

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