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Eines Tages steht eine junge Frau vor der Tür eines Münchner Komponisten, Judit aus Budapest. Sie möchte ihrem Cellospiel den letzten Schliff geben und glaubt an die hohen Ideale der Kunst. Der Komponist dagegen verdient sein Geld mit Erkennungsmelodien für Fernsehserien und plagt sich nebenher mit dem Projekt einer Mandelstam-Oper ab. Aber Judits irrlichterndes Wesen macht ein geregeltes Arbeiten zusehends unmöglich; und ihre gar nicht so kleine Familie, die ihr bald nachfolgt, bringt den Komponisten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Ihn, der im Leben die Kunst sucht und in der Kunst…mehr

Produktbeschreibung
Eines Tages steht eine junge Frau vor der Tür eines Münchner Komponisten, Judit aus Budapest. Sie möchte ihrem Cellospiel den letzten Schliff geben und glaubt an die hohen Ideale der Kunst. Der Komponist dagegen verdient sein Geld mit Erkennungsmelodien für Fernsehserien und plagt sich nebenher mit dem Projekt einer Mandelstam-Oper ab. Aber Judits irrlichterndes Wesen macht ein geregeltes Arbeiten zusehends unmöglich; und ihre gar nicht so kleine Familie, die ihr bald nachfolgt, bringt den Komponisten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Ihn, der im Leben die Kunst sucht und in der Kunst das Leben nicht findet, wissen auch die Frauen nicht zu erlösen, die ihn umgeben. Am Schluß ist die Oper noch immer nicht geschrieben; nur die Fernsehmelodien werden jetzt auch in den Ländern des Ostens ausgestrahlt.
Autorenporträt
Michael Krüger wurde am 9. Dezember 1943 in Wittgendorf/Kreis Zeitz geboren. Nach dem Abitur an einem Berliner Gymnasium absolvierte er eine Verlagsbuchhändler- und Buchdruckerlehre. Daneben besuchte er Veranstaltungen der Philosophischen Fakultät als Gasthörer an der Freien Universität Berlin. In den Jahren von 1962-1965 lebte Michael Krüger als Buchhändler in London. 1966 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker. Zwei Jahre später, 1968, übernahm er die Aufgabe des Verlagslektors im Carl Hanser Verlag, dessen Leitung er im Jahre 1986 übernommen hat. Seit 1981 war er Herausgeber der Literaturzeitschrift Akzente.
Im Jahr 1972 veröffentlichte Michael Krüger erstmals seine Gedichte, und 1984 debütierte er als Erzähler mit dem Band Was tun? Eine altmodische Geschichte. Es folgten weitere zahlreiche Erzählbände, Romane, Editionen und Übersetzungen. Die Cellospielerin ist sein erster Roman im Suhrkamp Verlag.
Michael Krüger lebt in München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.10.2000

Auf dem Fragenacker
Michael Krügers Roman über einen postmodernen Tonsetzer
Eigentlich müsste dieser Roman „Der Komponist” heißen oder „Der melancholische Tonsetzer” oder „Lebensansichten eines Musikers”. Die „Cellospielerin”, die auf dem Cover des Buches von Dalís schöner „Rückenansicht eines jungen Mädchens” (1925) verkörpert wird, ist gleichsam nur das Agens, das einen breiten Strom von Bildern und Geschichten in Gang setzt, die alle um das Leben und Schaffen des männlichen Protagonisten kreisen.
Eine heldische Figur ist er nicht, das erfahren wir gleich zu Beginn, sondern jemand, dessen Tage nicht auf geraden Bahnen verlaufen. Nur in der Morgenstunde zwischen 6 und 7 fühlt er sich im Stande, bedeutsame Entscheidungen zu treffen. Danach gelingt es ihm nicht mehr, sich von seinen „lächerlichen Verpflichtungen zu trennen und aus einem Zustand der Vieldeutigkeit in einen der Eindeutigkeit zu treten”. Dieser Tageslauf kann gleichermaßen als Metapher für das ganze, allein aus seiner Perspektive erzählte Leben des Komponisten dienen. Viele interessante, aufregende, manchmal auch bestürzende Dinge widerfahren ihm, doch am Ende findet er sich damit ab, dass „vorläufig alles beim Alten bleibt”.
Auch die Art und Weise, mit der die 20-jährige, irrlichternde Cellistin Judit in sein Leben tritt, besitzt keinerlei Zwangsläufigkeit, es ist eine Möglichkeit unter anderen. Und darin liegt die eigentliche Crux oder, aus anderem Blickwinkel, der Tenor dieses Romans. Nichts in diesem Leben geschieht mit existenzieller Konsequenz, selbst der am Ende einer schwierigen Beziehung stehende Tod Judits hinterlässt nicht mehr als ein melancholisches Nachsinnen, eine „große Frage über dem allgemeinen Fragenacker”. Der Protagonist ist nicht kathartisch erschüttert, sondern er wendet sich anderen Möglichkeiten zu. Ein anderer Virtuose des „Möglichkeitssinns”, der Musilsche Ulrich, wird trotz all seiner Ironie und Reflexionsfähigkeit im Spannungsfeld von Moderne und Tradition zerrieben. Krügers Komponist trägt zwar ein paar Lebensschrunden davon, aber er kann nach dem Ende der Geschichte unbehindert fortfahren, sich „standhaft und ohne Entzugserscheinungen” selbst zu lieben.
Hochmut und Niedertracht
Judit ist die Tochter von Maria, einer früheren Geliebten des Künstlers, die er zwei Jahrzehnte zuvor bei einem Musikfestival in Budapest kennen gelernt hatte. Offen bleibt, ob Maria ihre Tochter mit einem ominösen Auftrag nach München geschickt hat, wie der Ich-Erzähler annimmt, oder ob sie tatsächlich nur gekommen ist, um ihr Cellospiel bei einem hiesigen Professor zu verbessern. Die Cellistin, die ihrer Mutter „in Eitelkeit, Hochmut und Niedertracht, aber auch in ihrer sprunghaften Zärtlichkeit” wie eine Kopie gleicht, verführt den melancholischen Helden und bevölkert bald darauf dessen Münchner Wohnung mit ihrer zahlreichen ungarischen Verwandtschaft. An eine kontinuierliche künstlerische Arbeit ist fortan nicht mehr zu denken. Der Plan, eine Oper über das Leben Ossip Mandelstams zu schreiben, bleibt in den Anfängen einer umfangreichen Materialsammlung stecken.
Stattdessen überfällt den Erzähler eine „Erinnerungswut” an die sechziger und siebziger Jahre, die „alles und jedes noch einmal berühren will”. Ein bunter Geschichtenreigen entspinnt sich, der die Themen dieser Zeit vom Stalinismus über die Psychoanalyse bis zur gesellschaftskritischen Relevanz der zeitgenössischen Musik wieder lebendig werden lässt. In diesen Kapiteln liegt zweifellos die Stärke des Buches. Gerade weil der Erzähler bei seinen zahlreichen Begegnungen mit Kollegen, Kritikern und Musikwissenschaftlern auf diversen Kulturwochen in osteuropäischen Hauptstädten ein Voyeur bleiben will und bleiben muss, gelingen ihm treffsichere Situationsbeschreibungen und brillante Charakterstudien. Die Schilderung der Budapester Festvorlesung eines westdeutschen Germanisten über das Thema „Der hohe Ton in der deutschen Lyrik der Gegenwart” gerät zum ironischen Brennspiegel west-östlicher Befindlichkeiten in den Zeiten des Kalten Krieges. Auch das Treffen mit einem hochrangigen Vertreter des Goethe-Instituts, der den beziehungsreichen Namen Dr. Arnheim trägt, in Münchens edler „Osteria” in der Schellingstraße offenbart glänzende satirische Qualitäten.
Blass dagegen bleiben alle die Kapitel, in denen vom schweren Los des Künstlers und „seinen verborgenen Gärten und Pflanzungen” die Rede ist. Hier flaut der Roman auch sprachlich merklich ab und bemüht einen altbackenen Ton, der nicht recht zur Larmoyanz des Erzählers passen will. Dass er ein vom „Dämon des Scheiterns befallener Mensch” sei, können wir ihm ebenso wenig abnehmen wie einer seiner kurzzeitigen Geliebten die „ungebührliche Hingabe ihres Herzens”. Von „weinerlichem Selbsthass zernagt” kommentiert er die Beziehung zu Judit, die seine Tochter sein könnte – obwohl auch dies nicht wirklich wichtig ist.
Waren die Erinnyen in Max Frischs Homo Faber noch ein sehr realer, in die Moderne transformierter tragischer Topos, bleibt die „Medea”, die der Erzähler gelegentlich einflicht, nicht mehr als ein Zitat, eine Bildungserinnerung. Einer „Medea” als Heldin einer noch zu schreibenden Oper will er keine Stimme geben, und Judit, die nach einem schrecklichen Streit mit verzerrten Gesichtszügen am Fenster steht, erinnert ihn nicht an die Tod bringende Zauberin, sondern allenfalls an eine „Tragödin bei der Probe der Medea”.
Am Ende des Romans, wenn Judit den Erzähler verlassen hat und unheilbarer Schwermut anheim gefallen ist, wimmelt es geradezu von literarischen Allusionen. Dass Dr. Bricault, der französische Provinzarzt, mit dem der Erzähler an einsamen Tagen Schach spielt, ein „Mann von Flauberts Gnaden” ist, hat der Leser schon lange bemerkt, aber es wird ihm auch noch explizit mitgeteilt. „Wenn das Werk alle Liebe verschlingt, wo bleibt der Mensch?”, fragte Jakob Wassermanns gescheiterter Nürnberger Komponist Daniel Nothafft am Ende seines Künstlerlebens. Eine solche Frage ist aus dem Mund von Michael Krügers postmodernem Tonsetzer gar nicht vorstellbar. Allenfalls würde er fordern, dass „das Künstlertum verschwinden müsse”, wie ihm ein befreundeter Dirigent zuruft. Der Erzähler allerdings würde es mit fröhlicher Stimme tun.
ANDREAS KÜHNE
MICHAEL KRÜGER: Die Cellospielerin. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2000. 254 Seiten, 38 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2000

Beichten eines lauen Liebhabers
Vom Glücken eines Abgrunds: Michael Krüger läßt Cello spielen

Ein Münchner Komponist namens Georg, so um die fünfzig, erinnert sich. Aufgewachsen ist er in der intellektuellen Unruhe der sechziger Jahre, aber der Reiz des Protestes und des Marxismus ist längst verblaßt. Übriggeblieben ist davon außer einer "exzentrischen Liebe zum Sozialismu" die Tatsache der GULags: Georg arbeitet an einer Oper über Ossip Mandelstam, der in einem davon umkam. Außerdem gibt es aus der Vergangenheit allerdings noch Maria, die ungarische Sängerin und Geliebte von einst, sowie deren Tochter Judit, dreiundzwanzig, die sich eines Tages samt Cello in Schwabing einstellt, vermutlich um an den Segnungen bundesdeutscher Kulturförderung teilzuhaben. Oder bedeutet es die Heimkehr zum Papa? Ganz sicher ist sich Georg seiner Vaterschaft nicht, so daß der Kampf "mit diesem Geschöpf, um seinem Zauber nicht zu erliegen", rasch beendet ist; Georg erliegt. Eine herzzerreißende, vom möglichen Inzest tragisch lustvoll gewürzte Liebesgeschichte wird freilich nicht daraus. Denn "warum um alles in der Welt sollte Judit mich lieben?"

In der Tat: Georg, von "weinerlichem Selbsthaß zernagt", ist rundum kein Glückspilz. Seine "dekonstruktiven" Kompositionen will niemand spielen, sein Geld verdient er mit billigen Melodien fürs Fernsehen. Zwei Ehen sind gescheitert, aber mit Frauen hat er ohnehin nichts am Hut. "Manchmal kamen sie nach der Diskothek wieder zurück, wenn sie noch Licht im Fenster sahen, legten sich in mein Bett und waren eingeschlafen, wenn ich mich in der Frühe dazulegte. Peinlich war, daß ich mir ihre Namen nicht merken konnte." Statt mit Liebe und Musik füllt Judit deshalb Georgs Haus mit ihrer ungarischen Verwandtschaft, die ihn massiv beim Arbeiten stört, ein Syndikat "zur Verhinderung meines Projekts". Bloß verdient er wenig Mitleid, denn wenn er von Sandor, Janos, Julia und Laszlo einmal Ruhe hat, sucht er sich rasch andere Gesellschaft, die ihm gleichfalls nur die Zeit stiehlt, zum Beispiel den Musikkritiker Horst Leisegang, den nie dirigierenden Dirigenten Günter Sofsky sowie einen Dr. Arnheim vom Goethe-Institut, der mit einer dicken Brieftasche herumläuft.

Flüchtig also kreuzen viele Figuren Georgs wenig aufregende Lebenspfade, die ihn durch Ungarn, Polen, Spanien und Frankreich führen - mit Abstechern nach Amerika, versteht sich. In den Bereich Münchner Lokalsatire führt das Erscheinen eines (namentlich genannten) inzwischen verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten mit seinen Getreuen, "allesamt Ganovengesichter mit schweren Doppelkinnen". Von schweren Händen hingegen ist leider der Spott in diesem Buch, nicht nur hier, sondern auch wenn es um die Literatur geht. Sicher wird der Verfasser, Literaturkenner, der er ist, seine Hintergedanken bei dem Professor Gert Trares gehabt haben, "der an der Fachhochschule für den Einzelhandelskaufmann in Clausthal-Zellerfeld Literatur unterrichtete" und für den der Dichter "Klaus Kottwitz" das größte deutsche lyrische Genie seit Goethe und Heine sein soll. Aber wirklich witzig ist das nicht, und ernst läßt es sich auch nicht nehmen. Übrig bleibt die Farce über das ziemlich klägliche Leben eines Alt-Achtundsechzigers.

Einem schwachen Helden literarisches Leben einzuhauchen ist schwer, schwerer sogar noch, wenn dieser im Medium der Musik zu Hause ist, die sich den Worten entzieht. Musiker in großer Zahl werden zwar in diesem Roman genannt, aber Musik selbst klingt nicht auf und wird deshalb auch nicht Teil eines Beziehungsgeflechts zwischen den vielen Gestalten. Georg mag wohl recht haben, wenn er den eigenen Nachruf entwirft und darin von sich sagt: "Ob ihm der Abgrund zwischen der Absicht, den geschichtlichen Verlauf als politischsoziale Notwendigkeit darzustellen, und der Umsetzung dieser Absicht in musikalisches Material immer geglückt ist, sei dahingestellt." Nein, dieser "Abgrund" ist ihm nicht "geglückt" - und für Michael Krüger, der doch so schöne Geschichten erzählen kann, gilt das gleiche.

GERHARD SCHULZ

Michael Krüger: "Die Cellospielerin". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 254 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Geteilter Meinung zeigt sich Andreas Kühne über dieses Buch. Zunächst einmal vermisst er so etwas wie eine logische Notwendigkeit. Zu viel erscheint ihm beliebig, konsequenzlos. Wenn etwas geschieht, so ist es seiner Meinung nach oftmals nur "eine Möglichkeit unter anderen". Und obwohl der Protagonist doch einiges erlebt, so haben diese Ereignisse - wie Kühne feststellt - auf den Komponisten kaum einen "kathartischen" Effekt, er macht halt mehr oder weniger so weiter wie bisher. Auch die "Kapitel, in denen vom schweren Los des Künstlers" die Rede ist, findet er inhaltlich wie sprachlich wenig gelungen. Darüber hinaus stört sich Kühne an den "literarischen Allusionen", die der Leser auch bemerken würde, wenn er nicht mit der Nase darauf gestoßen würde. Gut gefallen ihm hingegen die Erinnerungen des Protagonisten an die sechziger Jahre, wenn er lebendig über die damals relevanten gesellschaftlichen und musikalischen Themen reflektiert und dem Autor dabei "treffsichere Situationsbeschreibungen und brillante Charakterstudien" gelingen.

© Perlentaucher Medien GmbH