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Natur ist nicht nur dort, wo es grün ist. Leben findet man auch im sand der Wüste, im Fels der Berge - und in den Städten. In ihren Geschichten golgt Godela Unseld den Spuren der Natur, und sie erzählt, wie die Stadt zu einem Habitat für Löwenzahn und Wegerich, Bussard, Schlange, Kaninchen und Fuchs geworden ist.

Produktbeschreibung
Natur ist nicht nur dort, wo es grün ist. Leben findet man auch im sand der Wüste, im Fels der Berge - und in den Städten. In ihren Geschichten golgt Godela Unseld den Spuren der Natur, und sie erzählt, wie die Stadt zu einem Habitat für Löwenzahn und Wegerich, Bussard, Schlange, Kaninchen und Fuchs geworden ist.
Autorenporträt
Godela Unseld lebt als Soziologin in Hamburg. Im Suhrkamp Verlag erschien 1992 ihr Buch 'Maschinenintelligenz oder Menschenphantasie?'
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2001

In Biotop-Lage
Ohne Moos nix los: Godela Unseld verliest Kleingeducktes

Am Sonntag zieht es die Städter hinaus ins Grüne. Doch nicht selten ist dieses Grün recht eintönig: nichts als güllegeschwängerte Wiesen, Rübenäcker und Maisfelder. Wer ungezähmte Natur sucht, wird mitunter eher in der Stadt fündig. Godela Unseld lenkt den Blick auf Pflanzen und Tiere, die sich zwischen Parkplätzen und Brandmauern neue Lebensräume erschlossen haben.

Mauersegler zum Beispiel sind typische Stadtbewohner, zeitweise zumindest: Von Anfang Mai bis Ende Juli tummeln sie sich hoch über den Dächern oder jagen truppweise durch enge Straßenschluchten, mit gellenden Schreien und in atemberaubendem Tempo. Zwar winkt ihnen nicht nur dort ein reichgedeckter Tisch - zu dieser Jahreszeit wimmelt es überall von nahrhaften Insekten. Das urbane Milieu bietet jedoch auch passenden Wohnraum: Eine kleine Nische an der Dachtraufe kommt den Mauerseglern gerade recht. Und sie sind nicht die einzigen, die hohe Gemäuer als Ersatz für steile Felswände akzeptieren. Turmfalken und Dohlen, Tauben und Spatzen wissen solche Quartiere ebenfalls zu schätzen. Erdverbundener als die Mauersegler, die ihre Beute stets im Luftraum erhaschen, suchen sie ihre Mahlzeiten manchmal direkt vor unseren Füßen.

Selbst darunter findet sich bisweilen eine Spur Natur. Doch wer achtet schon darauf, was sich in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen verbirgt? Winzige Moospolster ducken sich dort, ein bißchen Einjähriges Rispengras und Niederliegendes Mastkraut, ein Minipflänzchen mit nadeldünnen Blättchen und zierlichen Blütensternen. Auch die Blattrosetten des Breitwegerichs können so manchen Tritt vertragen. Fußgänger und Fahrzeuge verhelfen solch strapazierfähigen Gewächsen sogar zu besonderer Mobilität: An Reifen und Schuhsohlen haftend, lassen sich ihre Samen weit verschleppen.

Vielfältiger ist die Flora freilich dort, wo nicht ständig auf ihr herumgetrampelt wird: Wenn solche Ecken von Hacke und Herbiziden verschont bleiben, können dort die sonnengelben Blüten der Nachtkerze aufleuchten oder die scharlachroten Beeren des bittersüßen Nachtschattens. Und während aus einem feuchten Kellerloch ein Schößling des Spitzahorns sprießt, rankt sich hoch oben an der Mauer das Zymbelkraut entlang. Seine grazilen Blüten, denen des Löwenmäulchens ähnlich, wenden sich stets zum Licht hin. Doch sobald sie verblüht sind, krümmen sich ihre Stiele in die andere Richtung, dem Schatten entgegen. So haben die Samen gute Aussichten, in einer behaglichen Mauerspalte zu keimen.

Godela Unseld präsentiert freilich keinen konventionellen Naturführer. Trockenes Fachwissen auszubreiten ist ihre Sache nicht. Statt dessen greift sie auf eine Fülle eigener Beobachtungen und persönlicher Erfahrungen zurück. Je weniger sie sich selbst mit ihrem städtischen Umfeld anfreunden kann, desto mehr wächst ihre Bewunderung für all die eigenwilligen Geschöpfe, die sich dort unverdrossen behaupten. Mit leichter Hand zeichnet die Autorin poetische Miniaturen, erzählt von den Silberfischchen, die eilig in den Dielenritzen verschwinden, und von den Fröschen, die in einer vergessenen Baugrube quaken. Eine Löwenzahnpflanze, die mit ihren Blättern die Asphaltdecke des Gehwegs sprengt, wird ebenso liebevoll porträtiert wie eine junge Birke, die sich mit ihren Wurzeln zwischen Dachrand und Hauswand festklammert.

Den Umschlag des Büchleins ziert ein Fuchs, der ungeniert den Inhalt einer Mülltonne inspiziert. Im übrigen wird auf bunte Bilder verzichtet. Vielleicht ermuntert das den einen oder anderen Leser, sich auf eigene Faust und vor der eigenen Haustür auf die Suche zu machen. Wer die Augen offenhält, dürfte mancherlei entdecken und allmählich vertraut werden mit der ungezähmten Natur im Dickicht der Städte. Solche Bekanntschaften scheinen der Autorin allemal der Mühe wert: "Es soll ja bloß keiner meinen, daß das rechte Zusammenleben mit den wilden Lebewesen und den wilden Lebensformen nicht auch der Kunst und Kultur und des Wissens bedürfte, bevor es etwas Rechtes werden kann, das ist in diesem Miteinander auch nicht anders als in allen anderen Formen des menschlichen Zusammenlebens."

DIETMUT KLÄRNER

Godela Unseld: "Wegerich und Schlangenhaut". Vom wilden Leben in den Städten. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 140 S., br., 14,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dietmut Klärner hat dieses Buch offenbar mit großem Gewinn gelesen und zeigt sich verblüfft darüber, welche Entdeckungen man hinsichtlich "ungezähmter Natur" bei genauerem Hinsehen auch in der Großstadt machen kann: Mauersegler, die mit wildem Geschrei durch die Straßenschluchten fliegen, Silberfische, Löwenzahn, der sich durch den Asphalt bricht oder Breitwegerich, dessen Samen sogar von Schuhsohlen und Autoreifen weitergetragen wird. Klärner betont jedoch, dass es sich hier keinesfalls um einen "konventionellen Naturführer" handelt. Vielmehr habe die Autorin vor allem "eigene Beobachtungen und persönliche Erfahrungen" zu Papier gebracht und mit leichtem Erzählstil den Blick des Lesers auf die hartnäckigen Pflanzen und Tiere gerichtet, die sich auch in unwirtlichem Milieu "unverdrossen behaupten". Dass in diesem Band auf farbige Abbildungen verzichtet wird, tut dem Buch nach Klärner keinen Abbruch, im Gegenteil: Gerade dadurch wird der Leser ihrer Ansicht nach möglicherweise dazu angeregt, die Augen selbst offen zu halten und im städtischen Umfeld seine eigenen Entdeckungen zu machen.

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