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Grammatik gilt als eine langweilige, verknöcherte Angelegenheit - Fragen wie diejenige, ob man downgeloadet oder gedownloadet sagt, werden jedoch nicht nur von professionellen Linguisten durchaus leidenschaftlich diskutiert. Robert Stockhammers Buch legt den Schwerpunkt auf die Geschichte des Wissens der Grammatik, das solche Entscheidungen zu fällen beansprucht. Dieses Wissen ist seit der Antike auch Macht, die vor allem in der Regulierung des Fremden mit den Mitteln der Schrift ausgeübt wird. Stockhammers faszinierende Studie hält nicht nur für Literatur- und Kulturwissenschaftler spannende Einsichten bereit.…mehr

Produktbeschreibung
Grammatik gilt als eine langweilige, verknöcherte Angelegenheit - Fragen wie diejenige, ob man downgeloadet oder gedownloadet sagt, werden jedoch nicht nur von professionellen Linguisten durchaus leidenschaftlich diskutiert. Robert Stockhammers Buch legt den Schwerpunkt auf die Geschichte des Wissens der Grammatik, das solche Entscheidungen zu fällen beansprucht. Dieses Wissen ist seit der Antike auch Macht, die vor allem in der Regulierung des Fremden mit den Mitteln der Schrift ausgeübt wird. Stockhammers faszinierende Studie hält nicht nur für Literatur- und Kulturwissenschaftler spannende Einsichten bereit.
Autorenporträt
Stockhammer, RobertRobert Stockhammer ist Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der LMU München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

So richtig lässt sich Robert Stockhammers "Grammatik"-Geschichte gar nicht zusammenfassen, berichtet Katharina Teutsch, zu lange wird übers Sprechen gesprochen und geschrieben und zu sehr ist sie mit der Logik und Philosophie allgemein verbandelt. Was sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, ist die Frage nach der Aufteilung in Korrekt- und "Falschheiten des Sprechens", und somit auch das Problem, dass die Sprache sich gegen diese Klassifizierung stetig sträubt, erklärt die Rezensentin, die Stockhammers Buch vor allem Lesern empfiehlt, die auf diesem Gebiet nicht gänzlich unbewandert sind.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.2014

Bitte sprechen Sie in ganzen Sätzen

Unausdenkbar, wenn Sprache einfach das wäre, was die Leute so äußern. Dagegen haben Grammatiker immer schon opponiert. Robert Stockhammer verfolgt die Geschichte ihrer Ideen und Mühen.

Man könnte Robert Stockhammers Geschichte der Grammatik mit dem derzeit bekanntesten deutschen "Sprachpfleger" Bastian Sick beginnen lassen, insofern dieser immer zu wissen scheint, wie es geht: das gute und richtige Sprechen. Man könnte aber auch gleich in die Dialektik des Themas eintauchen, etwa mit Sextus Empiricus, der im zweiten Jahrhundert bereits lehrte, dass mit "der" Grammatik kein lernbarer Gegenstand beschrieben sei. "Denn entweder", so Stockhammers Sextus-Paraphrase, "lehre man das Nicht-Existierende als Nicht-Existierendes - was jedoch nicht gehe, weil es dann, da es ja Gegenstand der Lehre sei, existiere; oder man lehre das Nicht-Existierende als Existierendes - also Unwahres, folglich doch wiederum Nicht-Existierendes; oder man lehre das Existierende als Existierendes - was man aber nicht lehren könne, da es ohnehin für alle offenbar sei."

Das Problem, so führt Sextus aus, sei einfach, dass es eine unbegrenzte Anzahl von Wörtern gebe, die vom Grammatiker allein gar nicht zu durchmessen sei. Und da es von etwas Unbegrenztem kein Wissen geben könne, sei es mit dem grammatischen Wissen nicht allzu weit her. Viele Jahrhunderte später wird Ludwig Wittgenstein vor ähnlichen Problemen stehen. Denn die akademische Grammatik hat sich zu diesem Zeitpunkt schon stark in die abstrakt-philosophische Richtung bewegt, woraus sich ein nicht aus der Welt zu schaffender Widerspruch zwischen einer logisch ermittelten Idealsprache und dem natürlichen Sprachgebrauch ergibt: "Wie seltsam", gibt Wittgenstein zu bedenken, "wenn sich die Logik mit der ,idealen' Sprache befasste und nicht mit unserer." Die Analyse des Grammatikers sei schließlich nicht die von etwas, das nicht existiere. "Sie ist also die Analyse der Sätze, wie sie sind." Doch wie sind die Sätze?

Wenn es darauf in über zweitausend Jahren eine eindeutige Antwort gegeben hätte, würde es weder Platons Schriftskeptizismus gegeben haben noch das antike trivium, bestehend aus Rhetorik, Dialektik und Grammatik; auch keine Binnendifferenzierung in Stilistik, Metrik, Semantik und Pragmatik, ebenso wenig die Sprachphilosophien der Moderne, nicht Nietzsches sprachkritische Rede von der Wahrheit als einem beweglichen Heer von Metaphern, nicht Ferdinand de Saussures strukturale Linguistik und erst recht nicht die heute nur halb im Scherz betriebene Terralinguistik, die sich mit dem Sprachvermögen von Außerirdischen befasst.

In der griechischen Antike gibt es zwar bereits Grundsatzdebatten über den Nutzen grammatischer Regelwerke. Doch ihre präskriptive Grundfunktion bleibt lange unangetastet und wird von den Römern (vor allem von Varro, Quintilian, Donatus und Priscian) übernommen. Die sich in der Spätantike entwickelnden Volkssprachen fallen aus dem Zuständigkeitsbereich der Grammatik insofern heraus, als sie als Naturerscheinungen verstanden werden, als usus-Sprachen. Latein bleibt die Sprache der Gebildeten, ist also per se grammatisch. Es sollte noch einige Jahrhunderte dauern, bis sich in Europa eine vergleichende Sprachwissenschaft entwickelt. Maßgeblich daran beteiligt sind die deutschen Sprachforscher Wilhelm von Humboldt sowie später Franz Bopp und August Schleicher, der die Linguistik erstmals mit einer Darwin-Anwendung auf ein biologisches Fundament stellt, indem er sie als Organismus behandelt.

Robert Stockhammers Geschichte der Grammatik ist kein einfach zu lesendes Buch. Es lohnt sich vor allem für diejenigen, die mit historischen Stationen der Linguistik bereits etwas vertraut sind, weil Stockhammer auch einige Korrekturen und Vertiefungen zu deren oft anzutreffenden Darstellungen beisteuert - etwa zu Ferdinand de Saussures berühmtem "Cours de linguistique générale", der postum aus Nachschriften rekonstruiert wurde und Saussure auf einige Gassenhauer der strukturalen Linguistik festlegte.

Wenn sich in diesem detailreichen Buch überhaupt etwas zusammenfassen lässt, dann dies: Zwei Grundsatzfragen durchziehen das akademische Sprechen über das Sprechen. Zum einen der immer wieder erneuerte Versuch, ein Regelwerk zu erstellen, in dem Klassifizierungen von Wortgruppen und ihren syntaktischen Möglichkeiten vorgenommen und von den sogenannten Barbarismen, den Falschheiten des Sprechens, unterschieden werden. Zum anderen ist die linguistische Fragestellung so gut wie von Beginn an auch immer eine ontologische: Hartnäckig hält sich die Hoffnung, dass eine Wissenschaft von den Tiefenstrukturen der Sprache zugleich eine des Denkens und der Logik sei. Doch, dies ist der ewige Stachel im Fleisch der Linguistik, die Sprache will sich nicht fügen!

Ein Beispiel des Humboldt-Schülers Chajim Heymann Steinthal veranschaulicht den Konflikt, den die Grammatik etwa mit der Logik ausficht: "Es tritt jemand an eine runde Tafel und spricht: diese runde Tafel ist viereckig: so schweigt der Grammatiker, vollständig befriedigt; der Logiker aber ruft: Unsinn! Jener spricht: dieser Tafel sind rund, oder hic tabulam sunt rotundum: der Logiker an sich versteht weder Deutsch noch Latein und schweigt, der Grammatiker tadelt." In Wahrheit sind Sprachnorm und Sprachgebrauch nicht wirklich voneinander zu trennen. Dennoch arbeitet die Linguistik seit jeher mit dieser Fiktion.

Einmal weist Stockhammer auf die schier unfassbare Konjunktur linguistischer Forschungsvorhaben angesichts der sich in den vergangenen zwanzig Jahren neu formierenden Neurowissenschaften hin. Die Kognitive Grammatik sei "die Rache des gesunden Menschenverstands an zweieinhalbtausend Jahren Denken". Hat das Nachdenken über das richtige Sprechen damit vielleicht gerade erst begonnen? Oder ist es mit der Terralinguistik einfach in eine von Außerirdischen des Wissenschaftsbetriebs bevölkerte Sackgasse der Forschung geraten? Die Geschichte von der babylonischen Sprachverwirrung sei unter diesen Gesichtspunkten jedenfalls heillos übertrieben, schreibt Stockhammer. "In Wahrheit sprechen wir nur leicht voneinander abweichende Dialekte von ,Earthspeak'."

KATHARINA TEUTSCH.

Robert Stockhammer: "Grammatik". Wissen und Macht in der Geschichte einer sprachlichen Institution. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 548 S., br., 22,- [Euro].

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»... Hierarchien wurden durch Grammatik stabilisiert. Eliten konnten sich erkennen und das Fremde - und die Fremden - mit den Mitteln der Schrift kontrollieren. Die Kulturgeschichte dieser sprachlichen Institution ist so spannend wie ein Krimi. Robert Stockhammer hat ihn aufgeschrieben.« Mithu Sanyal WDR 5 20140818