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Quentin Skinner ist einer der profiliertesten Historiker der Gegenwart und führender Kopf der "Cambridge School of Intellectual History". Seine Neubegründung der Ideengeschichte auf der Grundlage der Sprachphilosophie Wittgensteins und der Sprechakttheorie Austins sowie seine daran geschulte Auseinandersetzung mit Klassikern des politischen Denkens sind international breit rezipiert worden und bilden eine höchst originelle Alternative zu der hierzulande vorherrschenden theorie- und begriffsgeschichtlich ausgerichteten Historiographie und politischen Philosophie. Der Band macht repräsentative…mehr

Produktbeschreibung
Quentin Skinner ist einer der profiliertesten Historiker der Gegenwart und führender Kopf der "Cambridge School of Intellectual History". Seine Neubegründung der Ideengeschichte auf der Grundlage der Sprachphilosophie Wittgensteins und der Sprechakttheorie Austins sowie seine daran geschulte Auseinandersetzung mit Klassikern des politischen Denkens sind international breit rezipiert worden und bilden eine höchst originelle Alternative zu der hierzulande vorherrschenden theorie- und begriffsgeschichtlich ausgerichteten Historiographie und politischen Philosophie. Der Band macht repräsentative Beiträge Skinners aus dessen dreibändiger Sammlung Visions of Politics, die das ganze Spektrum seines Forschungsansatzes abdecken, erstmals in deutscher Übersetzung zugänglich. Ein Nachwort der Herausgeber führt in das Denken Quentin Skinners ein.
Autorenporträt
Skinner, QuentinQuentin Skinner ist Regius Professor of Modern History an der Universität Cambridge und Fellow am dortigen Christ`s College. Er ist außerdem Mitglied der British Academy und Mitherausgeber der 2007 erstmals erschienenen Zeitschrift für Ideengeschichte. 2006 wurde er mit dem renommierten Balzan-Preis für Geschichte und Theorie des politischen Denkens ausgezeichnet.

Heinz, MarionMarion Heinz ist Professorin für Philosophie an der Universität Siegen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2009

Dieser Freistaat ist ja eine unmögliche Person

Gegenbegriffe und Ebenbilder: Quentin Skinners Aufsätze zur Geschichte des politischen Denkens liegen jetzt in vorzüglicher deutscher Auswahl vor.

Der Kerl mit den gefletschten Zähnen und den Teufelshörnern im Schwarzhemd ist der Böse. Das sieht jedes Kind, und sobald das Kind lesen kann, erfährt es aus der Inschrift im Bild, welcher Böse auf dem Fresko im Rathaus von Siena dargestellt ist: der Tyrann. Wer aber ist in Ambrogio Lorenzettis Gegenüberstellung der guten und der schlechten Regierung der Antitypus zum unrechtmäßigen Alleinherrscher? Nicolai Rubinstein hat den Bart-, Szepter- und Schildträger, der inmitten der Tugenden thront, als Verkörperung eines Gedankens erklärt: Der Maler habe das aristotelische Konzept des allgemeinen Wohls, des bonum commune, ins Bild und auf den Thron gesetzt. Quentin Skinners abweichender Deutungsvorschlag setzt bei der Erwägung an, dass dem Tyrannen eventuell doch ein anderer Einzelmensch, ein rechtmäßiger Herrscher, gegenübergestellt sein könnte.

Diese Möglichkeit ergibt sich für Skinner aus der staatstheoretischen Literatur der Zeit. Auch in Republiken gibt es Herren, herausragende Bürger, die durch ihre Tugenden zum Führen berufen sind und von ihren Mitbürgern in Führungsämter berufen werden. Der gute Herrscher des Freskos ist mit Attributen eines Stadtherrn ausgezeichnet. Namentlich nimmt er die Richterpose ein. Wie er zu seiner Rechten die braven Bürger sich aufreihen lässt und zur Linken die Übeltäter herankommandiert, lässt er sogar an den obersten Richter von allen denken. Die gute Regierung erscheint als säkularisierende Vorwegnahme des Jüngsten Gerichts.

Bei der Fortschreibung seiner Betrachtungen über Lorenzetti als Staatsphilosophen hat Skinner seine Deutung modifiziert. Er möchte die Figur des guten Regenten nun doch als Personifikation einer abstrakten Größe sehen, der die Gottesimitation der Säkularisierungsthese besser zuzumuten ist als dem Tugendhelden. Auf dem Schild prangt das Bild Marias, der Stadtpatronin. Die im Rathaus versammelten Bürger von Siena blicken, so Skinners These, zu ihrem Ebenbild auf: der thronenden Stadtgemeinde. Aus Traktaten kann Skinner den Gedanken zitieren, dass die Republik nach außen wie ein Herr in Erscheinung tritt.

Es wäre, mit diesen beiden Aspekten von Skinners Interpretation, also sowohl die äußere als auch die innere Verfassung der Republik von Siena dargestellt: ein Gemeinwesen, in dem Obrigkeit und Bürgerschaft identisch sind. Kommt im offiziellen Selbstbild von Siena die Selbstherrschaft zur Anschauung oder der Primat des Gemeinwohls? An den Disput von Rubinstein und Skinner, den vielfach verknüpfte, hochspezialistische Sachfragen der Philologie und Ikonologie ausmachen, lassen sich unterschiedliche Nuancierungen der Idee der Republik und der Idee der Freiheit des Bürgers in der Republik anschließen - und damit auch eine Wertungsfrage. Aber vielleicht muss man die Sache, was jedenfalls die Bedeutung des Bildes betrifft, gar nicht entscheiden.

Für höchst bedeutsam hält Skinner den Einfall eines Mitforschers, dass man dem weißhaarigen Riesen eine Legende in Gestalt eines Wortspiels beigeben könnte: "persona sena", eine alte Person oder die Person (von) Siena. Durch diesen Beschriftungsvorschlag, über dessen Plausibilität die Romanistik richten muss, wird Lorenzettis Stadtfürst auch begrifflich als Antagonist des Kunstmenschen ausgewiesen, dem er im Bildprogramm von Quentin Skinners Museum der politischen Ideengeschichte gegenübersteht. Der Leviathan des Thomas Hobbes, wie er dem Leser auf dem vielausgelegten Titelkupfer entgegentritt, ist ebenfalls die in einer Person zusammengefasste politische Gemeinschaft: das "Commonwealth", von dessen Materie und Form das Buch mit einem Begriff zu handeln verspricht, der eher für Republiken üblich war, aber auch Monarchien einschließen soll.

Solche Verbindungen über Zeit und Raum hinweg muss der Skinner-Leser selbst schlagen. Quentin Skinner, der Methodologe der Cambridger Schule der Geschichte des politischen Denkens, der seit seiner Emeritierung als Königlicher Professor der modernen Geschichte im Londoner Exil lehrt, hat Epoche gemacht, indem er darauf bestand, dass Texte der politischen Theorie aus ihren lokalen und zeitlichen Kontexten verstanden werden müssten, als Sprachhandlungen. Daher hat er seine beiden großen Forschungsfelder, die Gedankenwelt der italienischen Stadtrepubliken und die Ideenproduktion des englischen Bürgerkrieges, auf zwei Bände seiner 2002 unter dem Titel "Visions of Politics" erschienenen gesammelten und revidierten Abhandlungen verteilt; der erste Band bietet die philosophischen Untersuchungen.

In deutscher Übersetzung ist eine Auswahl soeben als Suhrkamp-Taschenbuch herausgekommen. Klugerweise haben die Herausgeber auch einen in der Sammlung nicht enthaltenen, jüngeren Aufsatz über Hobbes als Theoretiker der Repräsentation aufgenommen. In brillanter Manier führt dieses Stück die Stärken von Skinners kontextualisierendem Ansatz vor Augen. Skinner geht hier von der Feststellung aus, dass die verbreitete Angabe, Hobbes habe die erste Theorie der politischen Repräsentation ausgearbeitet, historisch nicht zutrifft. Er zeigt, dass heute vergessene Pamphletisten Hobbes nicht bloß zuvorkamen, sondern ihm tatsächlich das Problem vorgaben. Hobbes' Theorie erweist sich als Kritik der parlamentarischen Repräsentationslehren dieser republikanischen Autoren.

Scharf wie nie kann Skinner des metaphysischen Individualismus von Hobbes profilieren. Der Leviathan repräsentiert jeden einzelnen der vertragschließenden Bürger und gerade nicht deren Gesamtheit. So teilt sich für Skinner das moderne Europa in die Obödienzen zweier "Visionen" der Souveränität: In Siena war das Volk souverän, bei Hobbes ist es der Staat. Wendet man Skinners Methode auf ihn selbst an, muss man nach den polemischen Intentionen hinter seinen methodischen und systematischen Operationen fragen. Das exzellente Nachwort der Herausgeber bietet dafür vielfältige Hinweise und Anregungen.

PATRICK BAHNERS.

Quentin Skinner: "Visionen des Politischen". Herausgegeben von Marion Heinz und Martin Ruehl. Aus dem Englischen von Robin Celikates und Eva Engels. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 310 S., br., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Daran dass wir es mit "hochspezialisierten" Fragen aus Philologie und Ikonologie zu tun haben, sobald wir diese Auswahl aus Quentin Skinners "Visions of Politics" aufschlagen, lässt Patrick Bahners keinen Zweifel. Skinners grundlegenden Ansatz, politische Theorie aus ihren lokalen und zeitlichen Kontexten als "Sprachhandlungen" zu begreifen, sieht Bahners auch hier verfolgt. Dass die Herausgeber ihre Auswahl um einen jüngeren Aufsatz Skinners erweitern, freut Bahners. Führt ihm der Text über Hobbes als Theoretiker der Repräsentation doch die Stärken von Skinners Methode vor Augen. Im "exzellenten" Nachwort des Bandes lernt Bahners dagegen die polemischen Absichten hinter Skinners Methodik kennen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Manchmal sind es unscheinbare Bücher, die etwas bewegen könnten. Im vorliegenden Fall eventuell, weil es sich beim Autor um den bedeutendsten lebenden Historiker politischer Ideen handelt. Der Brite Quentin Skinner (geb. 1940) erweist sich in einer vorzüglichen deutschen Auswahl seiner Aufsätze als ein herausragender Wegweiser für Auseinandersetzungen mit der Geschichte der 'Visionen des Politischen'.« Henning Kniesche Die Warte 20091015