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Dieter Henrich hat sich seit den sechziger Jahren darum bemüht, zusammen mit einer Theorie der Subjektivität eine Theorie der Kunst auszuarbeiten. In diesem Band sind Texte zusammengeführt, die Stationen auf diesem Weg und zugleich Orientierungspunkte für die Kunsttheorie in ihrer Durchführung markieren. Am Anfang steht eine Abhandlung über Subjektivität und Kunst, welche die Grundzüge der Theorie entfaltet. Es folgen vier einflußreiche, aber zum Teil noch unveröffentlichte Abhandlungen, die im Anschluß an eine Auslegung der Systematik von Hegels Ästhetik die Grundzüge einer Diagnose der Lage…mehr

Produktbeschreibung
Dieter Henrich hat sich seit den sechziger Jahren darum bemüht, zusammen mit einer Theorie der Subjektivität eine Theorie der Kunst auszuarbeiten. In diesem Band sind Texte zusammengeführt, die Stationen auf diesem Weg und zugleich Orientierungspunkte für die Kunsttheorie in ihrer Durchführung markieren.
Am Anfang steht eine Abhandlung über Subjektivität und Kunst, welche die Grundzüge der Theorie entfaltet. Es folgen vier einflußreiche, aber zum Teil noch unveröffentlichte Abhandlungen, die im Anschluß an eine Auslegung der Systematik von Hegels Ästhetik die Grundzüge einer Diagnose der Lage der Kunst in der Moderne ausbilden. Der Band enthält zudem eine Reihe von Essays, unter anderem über Richard Wagner, über Samuel Beckett, über Ernst Gombrich und über einige besondere Aspekte der Grundlagen und der Gehalte einer Theorie der Kunst.
Autorenporträt
Geboren am 5. Januar 1927 in Marburg, studierte Dieter Henrich von 1946 bis 1950 in Marburg, Frankfurt und Heidelberg (u.a. bei Hans-Georg Gadamer) Philosophie. Seine Dissertationsschrift aus dem Jahr 1950 trägt den Titel Die Grundlagen der Wissenschaftslehre Max Webers. Nach der Habilitation 1955/56 lehrte Henrich in Berlin, Heidelberg und den USA, bevor er 1981 als Ordinarius für Philosophie an die Ludwig-Maximilians-Universität in München berufen wurde. Seit 1997 war er Honorarprofessor an der Berliner Humboldt-Universität. Dieter Henrich verstarb am 17. Dezember 2022 im Alter von 95 Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Genuß allein gilt nicht
Dieter Henrich erinnert an eine Zeit, in der Nachdenken über Kunst erste Bürgerpflicht war / Von Jürgen Kaube

Wie liest man, was vom Tage übrigblieb, am nächsten oder auch Jahre danach? Es kommt auf den Tag an. Im Zentrum des vorliegenden Bandes steht ein Vortrag, "Kunst und Kunstphilosophie der Gegenwart", den Dieter Henrich bei einem Treffen der Gruppe "Poetik und Hermeneutik" gehalten hat. Das war im September 1964. Dieser Zeitenabstand von beinahe vierzig Jahren macht die Frage interessant, in welchem Sinne diese Gegenwart noch unsere ist, in welchem Sinne also der Titel jenes Vortrages auch ohne Anführungszeichen gelesen werden kann. Vermag der Nachdruck der Essays und Marginalien, von denen der Philosoph die meisten auf dem Weg zu seiner eigenen Ästhetik, "Versuch über Kunst und Leben" (siehe F.A.Z., 20. März 2001), verfaßte, über den theoretischen und empirischen Stand der Dinge in Sachen Kunst zu informieren? Oder dokumentiert er eine zurückliegende Epoche in Werkstattstücken eines ihrer bedeutenden Vertreter?

Als gegenwärtige Kunst der Moderne sprach Henrich damals Werke an, "die wegen ihrer Widerständigkeit gegen eingewöhnte Konnotationen als ungegenständlich bekannt geworden sind", um diese Bestimmung dann auch auf die literarische und musikalische Avantgarde auszudehnen. Liest man heute seine Notizen zum Werk Samuel Becketts, zu Formalismus und Realismus oder die in jenem Vortrag angestellten Überlegungen zur Abstraktion in der bildenden Kunst, dann fällt eine doppelte Präferenz ins Auge. Zum einen für die "klassische Moderne", zum anderen für eine philosophische, oft selber hochabstrakte, jedenfalls grundsätzliche und insofern ungegenständliche Deutung ihrer Kunst. Die einzelnen Kunstwerke sagen ihr nicht nur etwas über sich selber, erschließen nicht nur spezifische Formen und Stoffe, sondern teilen etwas über die Kunst als solche mit, und Kunst als solche sagt etwas über die Bedingungen, unter denen modernes Leben geführt wird.

Henrich gehört mit diesem Vertrauen in Schlüsselqualitäten moderner Kunst einer ganzen Generation an, für die in der hierzulande nachholenden Wahrnehmung der Avantgarden und in ihrer theoretischen Durchdringung ein ganz selbstverständliches Element ihrer intellektuellen Existenz lag. Es waren die Tage von Kranichstein und Donaueschingen, der ersten "documenten" und der literarischen Debatten über das hermetische Gedicht, das existentialistische Theater, den "nouveau roman". Bei Henrichs sind solche Wegmarken der kulturellen Normalisierung avantgardistischer oder experimenteller Kunst zwar nur indirekt verzeichnet. Aber nicht nur in den Fällen, in denen seine Stücke zuerst in Programmheften oder Ausstellungskatalogen abgedruckt worden sind, handelt es sich um Begleitreflexionen dieses Vorganges. Sein Befund, daß Kunst "Lebensbedeutung" besitzt, an den er die philosophische Erörterung anschließt, warum das so ist, hat in dieser Welt eines ganz fraglosen Sichgemeintfühlens von aktueller Kunstproduktion seinen historischen Kontext.

Existiert diese Welt noch? Und: Gibt die Kunst heute noch auf gleiche Weise zu denken, fordert sie noch in selbem Maße zu ihrer Theorie heraus, wie es damals Marxisten und Existentialisten, Frankfurter Lehrer und Pariser Strukturalisten, Hans Sedlmayr, Roland Barthes und Bazon Brock gleichermaßen selbstverständlich schien?

An Henrichs Aufsätze müssen diese Fragen nicht von außen herangetragen werden. Wie wenige Autoren jener Zeit hat er die Orientierungskraft von Kunst nicht nur erkundet, sondern auch die Zweifel an ihr erörtert. "Überlegungen mit Rücksicht auf Hegel" stand im Original unter dem Titel jenes Vortrages von 1964, und das hieß: Überlegungen mit Rücksicht auf die Tatsache, daß eine der bedeutendsten philosophischen Stellungnahmen zur Kunst ihr jene Lebensbedeutung für die Moderne gerade abgesprochen hatte. Hegels Diagnose von 1822 nämlich, so der längste abgedruckte Essay "Hegels Theoreme über das Ende der Kunst", leuchtet in allen ihren einzelnen Befunden auch für die Gegenwart ein. Der moderne Künstler arbeite im Bewußtsein, nicht zu exemplarischen Darstellungen genötigt zu sein. Die Tradition zwingt ihn nicht. Seine Werke stehen vereinzelt da, sind Produkte individueller Reflexion. Das legt nahe, sie als zwar glückliche, aber doch Zufälle zu deuten, die nichts Allgemeines besagen. Utopien lassen sich an sie nicht knüpfen, Gesamtkunstwerke bleiben Programm ohne Einlösung, eine Kunst, in der die moderne Welt anschaulich erschlossen würde, gibt es nicht. Denn, so Hegel in Henrichs Deutung, die Erschließung der modernen Welt bedarf des Denkens, ja des "spekulativen Erkennens" ergibt sich aus Anschauung. Was der Kunst bleibt, sind darum harmlose Aktivitäten, historistisches Spiel mit Vergangenheiten, Humor, die okkassionelle Hervorbringung von sinnlich Ansprechendem. "Vom Schönen wird gleichsam das Scheinen für sich fixiert."

Henrich erörtert diesen Befund, die Folgerungen, die Hegel aus ihm zog, sowie diejenigen, die sich aus einem Begriff wie "objektiver Humor", der der Kunst nach ihrem Ende noch bleibe, hätten ziehen lassen. Indem er selber der Kunst gar nicht die Aufgabe zuweist, Wahrheit anschaulich zu machen, kann sie an ihr bei ihm, anders als bei Hegel, daran auch nicht scheitern. Und doch zögert der Autor spürbar, die Rede vom Ende der Kunst ganz zurückzuweisen. Schon 1966 schloß er, die Kunst der Moderne sei vielfach bedroht. Wenn sich genüßliche Kennerschaft einer delikaten Welt des Spiels diesseits "harter" Wirklichkeit dauerhaft an die Stelle von Reflexion im Umgang mit Kunst setzte, behielte Hegel in der Tat recht. Anders gewendet: Henrichs äußerst anregungsreicher Essay über die Gründe dafür, warum es Sehen und Hören, aber nicht Geruch und Geschmack zur Kunstform gebracht haben, würde eine ironische Ergänzung erfahren, wenn sich der Umgang mit Sonetten und Sonaten nicht mehr prinzipell von dem mit raffinierten Speisen und Düften unterschiede. Man kann die hier vorgelegten Stücke als Versuch lesen, aus jenen Jahren, als die moderne Kunst noch nicht alt aussah, eine Einstellung zu überliefern: die Kunst nicht als subtiles Erregungsmittel, sondern als Auslöser von Gedanken wahrzunehmen.

Dieter Henrich: "Fixpunkte". Abhandlungen und Essays zur Theorie der Kunst. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 302 S., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2003

Wahrheit der anderen Art
Humor ist die Gestalt der Kunst nach ihrem Ende: Dieter Henrichs ästhetische Theorie
Je mehr der Philosophie im vergangenen Jahrhundert das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit ihrer Erkenntnismittel schwand, desto stärker wurde der Kunst der Anspruch aufgebürdet, einen exklusiven Bezug zu einer begrifflich nicht einholbaren, anderen Art von Wahrheit herstellen zu können. Dies gilt für Heideggers Vorstellung der ins Werk gesetzten Wahrheit nicht weniger als für Adornos utopischen Begriff von Kunst als Vorschein der Versöhnung oder für Derridas methodische Transformation der symbolistischen Literaturtheorie. An der Erschließungsleistung von Kunst festzuhalten, ohne Ästhetik zur prima philosophia zu machen, ist angesichts dieser Vorgaben ein so bescheidenes wie gewagtes Unterfangen.
In dieser Hinsicht ist Dieter Henrichs Gestus zunächst der einer Selbstbescheidung: eine eigenständige Kunsttheorie zu entwickeln, die ganz im Horizont der Hegelschen Ästhetik bleibt. In ihr erkennt Henrich das „Paradigma einer Philosophie der Kunst”, welche der Kunst der Moderne ihre „hellsichtige Diagnose” stellt und „zugleich ihre Gegenwart auf den Begriff bringt”. So lässt sich der Titel der vorliegenden Aufsatzsammlung mit Beiträgen aus den vergangenen vierzig Jahren wohl vor allem in Bezug auf Hegel verstehen. Denn auf der Suche nach der „Möglichkeit eines sachlichen Anschlusses an Hegels Diagnose vom Ende der Kunst”, wo Hegels Theorie der Moderne „von ihren Defekten” befreit und weitergedacht werden soll, findet Henrich den Ort, an dem er seine eigene Theorie der Subjektivität eintragen kann.
Vor dem Hintergrund des Anschlusses an Hegel wird plausibel, wie Henrich Subjektivität zum Prinzip seiner Ästhetik machen kann. Dies ergibt sich aus einer Interpretation der Hegelschen Philosophie der Kunst in einem der wenigen bislang unveröffentlichten Beiträge dieses Bandes. Im Gegensatz zu den neueren Wahrheitsästhetiken galt für Hegel Kunst nicht als privilegierte Weise des Erkenntniszuganges. Seine These vom Ende der Kunst besagt vielmehr, dass in der Kunst die Wahrheit nicht mehr zu ihrer eigentümlichen Erscheinung kommen kann, in Henrichs Worten: das „Allgemeinbewußtsein, die ,religion civile‘ des modernen Lebens, ist nicht mehr direkt über Kunstwerke zu vermitteln.”
Widerspiel mit Kontrasten
Henrich will die Hegelsche Rede vom Ende der Kunst nicht als These über deren endgültigen Zerfall angesehen wissen, sondern als Aussage darüber, in welcher Form Kunst in der Moderne weiterhin möglich ist. Hegels Begriff des „objektiven Humors” als Endgestalt der Entwicklung romantischer Kunst liefert ihm hierzu den Ansatzpunkt: in ihm soll die Hegelsche Begriffsbestimmung der Kunst als Form des absoluten Geistes, die „eine Synthesis zwischen einem Vollzug der Subjektivität und einer Beziehung auf äußerliche Realität” verlangt, gewahrt bleiben. Der objektive Humor ist die Gestalt der Kunst nach ihrem Ende. Er bietet Henrich einen Denkansatz, in dem sich der Gegenstandsbezug von Kunst bewahren, also das Nachahmungsparadigma erhalten lässt, gleichzeitig aber auch formale Innovation und Formspiel unter dem Begriff der „freien Subjektivität” integriert werden können.
Mit dieser Hegel-Interpretation gibt sich Henrich die Stichworte für seinen eigenen ästhetischen Entwurf. Wie immer partial die Erschließungsleistung moderner Kunst gedacht sein mag, gewährt sie doch einen Erkenntniszugang eigener Art. Henrich geht aus von einer Konsonanz zwischen dem Aufbau von Werken „bedeutender Kunst” und dem Vollzug von Subjektivität. Der als Selbstbewusstsein, bei Henrich unter dem Namen „bewußtes Leben”, gedachte Mensch ist - hierin dem Heideggerschen „Dasein” nicht unähnlich - dazu genötigt, sein Leben im Wissen von sich zu vollziehen, ohne dass der Grund dieses Selbstbezuges ihm aber durchsichtig würde.
Der Nachvollzug von Kunst kann Aufschluss geben über diese Verfasstheit des Menschen. So sind die Menschen in ihrem Lebensvollzug konfligierenden Erfahrungen ausgesetzt, welche das Gelingen des Lebensganzen in Frage stellen können. Diese finden im Formverlauf moderner Kunstwerke ihre Resonanz, in der die „dynamisch verfasste Subjektivität als solche vergegenwärtigt” wird. In gleicher Weise wird im Nachvollzug von Kunst ein „Bewußtsein von der Unverfügbarkeit des Grundes” gewährt - und durch die „Bemühung um einen eigenen stimmigen Formverlauf” in der ästhetischen Kontemplation geheilt.
Henrichs Kunstbegriff bleibt allerdings bei aller Ausweitung der „Lebensbedeutung” der Kunst exklusiv: der Prozess der Verständigung über unser Leben entzündet sich „nur an bedeutenden Kunstwerken”. Zur Illustration der an Beispielen armen Ausführungen fallen einem daher immer wieder Werke der klassischen Moderne ein, die den Anforderungen an ein Prinzip formaler Einheit genügen könnten. Henrich charakterisiert die geeigneten Werke dadurch, dass in ihnen eine Anfangssituation in ein „Widerspiel mit Kontrasten” gebracht wird, die jedoch - „wie die Lebensbewegung” - auf einen Abschluss hin tendieren und „den Verlauf nicht aufsprengen”; so sollen die Kontraste dennoch in einen „Einklang” gebracht werden, ohne sie abzuschwächen oder zu verwischen.
In diesem Insistieren auf Figuren der Ganzheit und Harmonie, in der Erschließung des uns sonst entzogenen Grundes, wird eine Nähe zwischen ästhetischer und religiöser Erfahrung hergestellt, die Henrich selbst nicht entgangen ist. Als konstitutives Merkmal menschheitsgeschichtlich früher Kultformen gehört sie für ihn vielmehr zum Erbe eines emphatischen Kunstbegriffes, den seiner Ansicht nach weiterführen muss, wer nicht „den Ausstand jeglicher Affirmation als fixierte Universalprämisse” annehmen will.
SONJA ASAL
DIETER HENRICH: Fixpunkte. Abhandlungen und Essays zur Theorie der Kunst. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 302 Seiten, 12 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Eine doppelte Vorliebe findet Rezensent Jürgen Kaube in den nun nachgedruckten "Abhandlungen und Essays zur Theorie der Kunst" des Philosophen Dieter Henrich: zum einen für die "klassische Moderne", zum anderen für eine "philosophische, oft selbst hochabstrakte Deutung ihrer Kunst". So sagen die einzelnen Kunstwerke bei Henrich laut Kaube nicht nur etwas über sich selber, ihre Form und ihren Stoff aus, sondern sie teilen etwas über die Kunst als solche mit und damit etwas über die Bedingungen, unter denen modernes Leben geführt werde. Mit diesem Vertrauen in die Schlüsselqualitäten der Kunst gehört Henrich einer Generation an, so Kaube, "für die in der hierzulande nachholenden Wahrnehmung der Avantgarden und ihrer theoretischen Durchdringung ein ganz selbstverständliches Element ihrer intellektuellen Existenz lag." Für Kaube stellt sich hier die Frage, ob Kunst heute noch in gleichem Maß zu denken gibt und in gleichem Maß zu ihrer Theorie herausfordert, wie es damals selbstverständlich schien. Fragen, die nach Kaube nicht von außen an Henrichs Aufsätze herangetragen werden müssen. Denn Henrich habe in seinen Aufsätzen nicht nur die "Orientierungskraft von Kunst" erkundet, sondern auch die Zweifel an ihr erörtert.

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