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Seit der Aufklärung gilt das Idealbild vom mündigen Individuum, das Verantwortung für sein Handeln trägt. Durch die Übermacht der neuen Medien und den globalen Kapitalismus wird jedoch die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, systematisch zerstört. Auch Erwachsene sind tatsächlich keine mündigen Individuen, sondern verharren in einem Zustand der Unreife, der es ihnen unmöglich macht, die jüngere Generation zu Verantwortungsbewußtsein zu erziehen. Ein Generationenvertrag wird aufgelöst und das Leben auf das Lustprinzip, die bloße Gegenwart, reduziert, somit wird Vergangenheit ausgelöscht und…mehr

Produktbeschreibung
Seit der Aufklärung gilt das Idealbild vom mündigen Individuum, das Verantwortung für sein Handeln trägt. Durch die Übermacht der neuen Medien und den globalen Kapitalismus wird jedoch die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, systematisch zerstört. Auch Erwachsene sind tatsächlich keine mündigen Individuen, sondern verharren in einem Zustand der Unreife, der es ihnen unmöglich macht, die jüngere Generation zu Verantwortungsbewußtsein zu erziehen. Ein Generationenvertrag wird aufgelöst und das Leben auf das Lustprinzip, die bloße Gegenwart, reduziert, somit wird Vergangenheit ausgelöscht und eine Zukunft nach den Idealen der Aufklärung aussichtslos. Die Folgen sind eine Infantilisierung der Gesellschaft, strukturelle Verantwortungslosigkeit und eine durch manipulative Medien verursachte gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeitsstörung. Bernard Stieglers Hauptinteresse gilt dem Zusammenhang von Kultur und Technik und den Veränderungen der Gesellschaft durch Medien und Digitalisierung. Der Autor klagt die Medien an, die in ihrer Funktion als "Psychotechnologien" ein triebgesteuertes Publikum heranzüchten, das nicht mehr Sorge tragen kann und soll - Sorge um das Selbst, die Familie, die Umwelt und auch die Sorge, wie sie sich in der mündigen Kritikfähigkeit äußert. Marketing wird zum alleinigen Instrument der Sozialkontrolle, die Telekratie ersetzt die Demokratie.
Autorenporträt
Stiegler, BernardBernard Stiegler, geboren 1952, gestorben im August 2020, war Leiter der Abteilung »Kulturelle Entwicklung« im Centre Georges Pompidou. Zuvor wissenschaftlicher Leiter am Collège international de philosophie, Professor an der Technischen Universität von Compiègne (UTC) in Paris und am Nationalen Institut für Audiovisuelles INA, Direktor des IRCAM (Institut für Akustik- und Musikforschung). Begründer der Ars-Industrialis-Konferenzen, die sich mit dem Einfluss neuer Technologien auf die Gesellschaft beschäftigen. Stiegler hat öffentlich bekanntgegeben, daß er von 1978 bis 1983 wegen bewaffneten Raubüberfalls im Gefängnis saß.

Baghestani, SusanneSusanne Baghestani, geboren in Teheran, übersetzt Texte aus dem Persischen und dem Französischen ins Deutsche. Sie lebt heute in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2008

Wie man Gehirne modelliert
„Edition Unseld”: Bernard Stieglers Kritik der Psychomacht
Seit mindestens einem Vierteljahrhundert ist es um den kritischen Geist in Deutschland still geworden. Vereinzelt mag es noch Anhänger seiner historisch letzten Gestalt, nämlich des kulturkritischen Programms, geben, das nüchtern betrachtet bereits im Augenblick seiner Prägung keine Zukunftschancen mehr hatte.
Die Kritik der Kulturindustrie, wie Horkheimer und Adorno sie in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts konzipierten, war aus einem antitechnischen Affekt und hochkulturellem Ressentiment geboren und gerade wegen dieser zweifelhaften Voreinstellungen von der umfassenden Technisierung und Medialisierung des gesellschaftlichen Seins, gegen die angedacht werden sollte, sang- und klanglos weggefegt worden.
Der Untergang des kulturkritischen Projekts, das ist das Dilemma, hat auch seine wertvollste diagnostische Beobachtung mit sich gerissen, nämlich dass sich der Schwerpunkt des industriegesellschaftlichen Regimes von der Produktion auf die Konsumption verschiebt. Die medientechnisch beförderte Schematisierung, Konformisierung und Kontrolle der Bedürfnisse sollte demnach den Kern unserer zukünftigen kulturindustriellen Verfassung bilden.
Im Mutterland der Kritik ist, trotz aller Dringlichkeit, keine nennenswerte Wiederaufnahme einer Analytik der hochindustriellen Situation versucht worden, die jenseits aller gegentechnischen Grundeinstellung eine genauere Bestimmung des neuen mentalen, kulturellen und digitalen Kapitalismus und seiner medientechnischen Verfahrensweisen gewagt hätte.
Stattdessen zeigt sich immer wieder nur das Elend der Kritik. So wird etwa die Industrialisierung und Kybernetisierung der Universität, um nur ein Beispiel zu nennen, von ihren eigenen Trägern nicht etwa nur hingenommen, sondern selbst implementiert. Ein größeres Versagen und eine beschämendere Verantwortungslosigkeit der sogenannten intellektuellen Eliten angesichts der kultur- und wissensindustriellen Zumutung, ein vehementeres Eingeständnis des Endes der Kritik, als diese Selbstzertrümmerung es darstellt, ist kaum noch denkbar.
Verfügbare Zeit besetzen
In Frankreich hingegen hat seit Jahren, das ist in Deutschland weitgehend unbemerkt geblieben, eine Kritik der Gegenwart an Kontur gewonnen, die eine breite Genealogie der zeitgenössischen „Hyperindustrialisierung” unternimmt. Der Philosoph Bernard Stiegler treibt unter diesem Titel seit den neunziger Jahren in atemberaubender Geschwindigkeit Untersuchungen zur symbolischen Misere, zum Verlust an Partizipation, zur mentalen Gleichschaltung und zur Homogenisierung der Erfahrung unter den telekratischen Bedingungen der Fernseh- und Neuen Medienkultur voran, die den herrschenden industriellen Populismus in aller Schärfe attackieren.
Stieglers neuestes Buch, das wörtlich übersetzt „Sorge tragen. Von der Jugend und den Generationen” heißt, ist nur wenige Wochen nach dem französischen Original, aber leider nur zur Hälfte und ohne die zentrale Auseinandersetzung mit Michel Foucault, unter dem deutschen Titel „Logik der Sorge. Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien” in der edition unseld des Suhrkamp Verlags erschienen. Die aufregende Hauptthese der Untersuchung, die die Lektüre trotz der erheblichen Kürzung allemal lohnt, diagnostiziert eine signifikante machtgeschichtliche Transformation: die Ablösung der Biomacht durch die Psychomacht, die seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr die Körper der Bevölkerung für die Produktion verwertet, sondern die Gehirne für den Konsum modelliert.
Die Leitfigur der Epoche der Psychomacht ist der Konsument, seiner Fabrikation gilt ihre psychopolitische und -technische Hauptanstrengung. Jene tiefgreifende Mutation des Kapitalismus, die Gilles Deleuze in einer ersten Annäherung als Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft fasste, wird nunmehr als psychotechnologische Mobilmachung der Kultur- und Programmindustrien präzisiert, die die verfügbare Zeit der Gehirne besetzen, dabei Aufmerksamkeit und Verantwortung zerstören und die Gesellschaft in eine neue Unmündigkeit hineinführen.
Allseits unverbunden
Hinter dieser Diagnostik steht eine komplexe, insbesondere phänomenologisch und psychoanalytisch fundierte, psychotechnische Gesellschaftstheorie. Gesellschaften erscheinen in erster Linie als Sorgesysteme und Regime der Aufmerksamkeitsbildung. Aufmerksamkeit ist dabei niemals nur als je schon gegebene und mithin rein psychische Größe zu verstehen. Ganz im Gegenteil muss sie immer erst hervorgebracht werden, sie stellt den Effekt einer elaborierten psychotechnischen Bearbeitung und psychotechnischer Verfahren dar. Sie wird vor allem qua Erziehung durch die Eltern und die Schule fabriziert und beispielsweise mit Hilfe von Psychotechniken wie Buch, Gespräch oder Spiel. Gesellschaften unterscheiden sich durch ihre basalen Aufmerksamkeitsformierungsstrategien.
Die unkontrollierte Industrialisierung der Kultur, insbesondere die Ausdifferenzierung der psychotechnischen Arsenale durch die audiovisuellen Kultur- und Programmindustrien, das ist die Signatur des Zeitalters der Psychomacht, destruiert ganz gezielt die Aufmerksamkeitsmodellierung der Kinder und Jugendlichen, um sie in triebgesteuerte Konsumwesen ohne jede Achtung und Konzentration zu transformieren. Und sie zerstört das Aufmerksamkeitsvermögen der Erwachsenen, um sie als reine Konsumenten, gewissermaßen als industrialisierte Bewusstseine und ausgelaugte Hirne im Benn’schen Sinne zu organisieren.
Die große Infantilisierung der Gegenwart, so Stiegler, vorangetrieben vor allem durch die Psychotechnologien des Marketing, produziert eine Gesellschaft verantwortungs- und rücksichtsloser Wesen, die keine Sorge – weder die Sorge für sich, noch für die anderen, noch die Welt – mehr kennt. Keine philia, keine Verbundenheit, kein Begehren und kein Wünschen. Die psychosoziale Verfassung der Gegenwart, so Stiegler nüchtern, heißt globales Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.
Es ist eine deprimierende Diagnostik, gewiss, aber doch getragen von einer tiefen Sympathie mit jenen, deren Sensibilität so rückhaltlos zerstört wird durch die Kulturindustrie. In Zeiten der Psychomacht sind wir am Nullpunkt des Denkens angekommen. Kein Gott, sondern allein eine neue Industriepolitik des Geistes kann uns retten. ERICH HÖRL
BERNARD STIEGLER: Logik der Sorge. Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien. Aus dem Französischen von Susanne Baghestanie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 190 Seiten, 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2008

Die Verschwörung der Idioten
Bernard Stieglers Medienschelte will die Welt vor weiterer Infantilisierung bewahren

"Tina" ist ein Mädchenname, aber auch die Abkürzung von: There is no alternative - es gibt keine Alternative (zum bestehenden System). In der neuen Reihe "edition unseld" aus dem Suhrkamp Verlag ist ein Bändchen des französischen Sozial- und Technikphilosophen Bernard Stiegler erschienen, das eine Art Manifest für einen demokratischen Kommunismus des Geistes ist. Das sieht schon von weitem aus wie eine Mischung aus Marx und Hölderlin, Revolution der Gesellschaft und Revolution der Seelen. Das Buch trägt den foucaulistischen Titel: "Logik der Sorge. Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien". Die Frage ist: Wie kann eine "Anti-Tina" aussehen?

Theorien, die im Hinblick auf die Welt, in der wir leben, aufs Ganze gehen, verbreiten im Leser eine Stimmung. Sie fördern zum Beispiel dessen Zurückhaltung oder dessen Aggressivität gegenüber dem suggerierten sozialen Ganzen - sie zeigen sich zum Beispiel offenherzig (das ist der Lauf der Dinge) oder verschlossen (man muss den Lauf der Dinge ändern).

Man weiß aus Erfahrung: Wenn man den ganzen Tag Georg Simmel gelesen hat (was manche machen), ist man anders drauf, als wenn man den ganzen Tag Antonio Gramsci gelesen hat (was kaum noch einer macht). Wenn man den ganzen Tag die Matthäuspassion gehört hat, ist man anders drauf, als wenn man den ganzen Tag Bob Dylan gehört hat. Das hat alles Folgen für die innere Balance, mit der man sich, und mag es nur für Stunden oder Monate sein, in die Welt stellt. Obwohl beide, die Matthäuspassion und Bob Dylan, als Begleitmusik zum Aussteigen taugen: für Leute, die praktische Konsumkritik üben, also nur noch das Lebensnotwendigste einkaufen und zu sich nehmen - was in den Augen derer, die weiterhin konsumieren, was der Teufel ihnen anbietet, entweder übertrieben asketisch (Matthäuspassion) oder altmodisch kapitalismuskritisch (Bob Dylan) ausschaut.

Unter den aufs Ganze von Lebensverhältnissen gehenden Theorien, die manchmal nur so tun, als würden sie nicht aufs Ganze gehen, gibt es Scharfmacher mit dualistischen Programmen (Mächtige und Beherrschte) und Bremser mit ökologischen Programmen (alle sitzen selbst mit drin). Foucaults Ausführungen über die Biopolitik gehören mehr zu den ersteren, Luhmanns "Politik der Gesellschaft" mehr zu den letzteren. Häufig reicht schon eine Handvoll Begriffe aus, um sich in eine stabilisierte Position zur Welt zu bringen (bei den Anhängern neoliberaler Theorien zum Beispiel sind das: Markt, Angebot und Nachfrage und dergleichen selbständige Größen).

Wahrscheinlich spielen das Temperament und der Ton einer solchen Theorie eine wichtige Rolle dabei, ob man sich die Theorie und ihre Sprache zu eigen macht. Man lebt nicht nur mit, sondern man lebt in jener Theorie (oder, in den meisten Fällen, weil die Theorien häufig komplexer sind als die Abbilder im Geiste ihrer Benutzer, in ihren Versatzstücken, in ihren Begriffen), mit der man sich seine Umwelt in mentale Griffweite legt.

Auch Bernard Stieglers Theorie ist komplexer (und referenzenreicher) als sie hier, wo nur die bipolare Grundstruktur interessiert, dargestellt wird. Technik und Medien sind in seinen Augen "Psychomächte", die aus Menschen von klein auf (Fernsehen schon für Babys, Werbung schon für Kinder) blinde Konsumenten machen. Nur eine auch staatlich in Angriff genommene "Schlacht der Intelligenz" (eine, wieder in seinen Worten, "Industriepolitik des Geistes") könne die Herrschaft der Psychomächte über die infantilisierten und entmündigten Menschen brechen.

Die Psychomächte kanalisieren und vernichten teilweise die Aufmerksamkeitspotentiale der Menschen, die damit letztendlich zu wahrer, der (Selbst-)Aufklärung verpflichteter Bildung nicht mehr fähig sind. Die "Verschwörung der Idioten" (Stiegler sagt auch: "die Verschwörung der Feigheit und Faulheit") produziert Idioten. Leben nur Idioten im System? Wer noch kein Idiot ist und sich zu wehren vermag, der versucht die Psychomächte zu unterlaufen und zu stürzen. Der Sound des Stiegler-Manifestes, das auch den Klassiker "Triebstruktur und Gesellschaft" von Herbert Marcuse wieder zur Geltung bringt, hört sich an wie ein Ritt der Walküren: Einfach nur aussteigen sollte keiner, der es ernst meint.

Der Geist (vor vierzig Jahren hieß das Wesen: der Intellektuelle) sitzt im Sattel (damals war das die Avantgarde), er reitet wieder (im Jargon jener frühen Jahre: Theorie und Praxis verbindend) - nicht direkt in die Fernsehstudios und die Werbeagenturen, um den Stecker rauszuziehen (es heißt nicht: Enteignet Springer & Jacobi!), sondern zum Staat, zum Gesetzgeber, um dort dem aufklärerischen Buchstaben gegenüber dem flimmernden Bild wieder zu seinem Recht zu verhelfen.

Die Logik (der Sorge, und zwar um sich als Bürger, um die Kinder und um die Demokratie) ist ein theoretisch aufwendig instrumentiertes, von dem Freudschen Triebmodell bis zu den Interessen der Konzerne reichendes, in sich geschlossenes, das heißt einen engen Zusammenhang zwischen diesen unterschiedlichen Ebenen herstellendes System, dessen tragischer Held nicht der Arbeiter mit seinem falschen Bewusstsein ist, sondern der Konsument mit seinen falschen Bedürfnissen. Der Konsument weiß nicht, dass er sich mit und in seinen systemkonformen Wünschen verheddert, er kann sich deshalb nicht selbst befreien (bei Adorno organisierte dieses auf Erlösung hin drängende Gefangenenlos der vertrackte Verblendungszusammenhang).

Stieglers Bändchen gehört aus diesem Grunde zu jenen heute raren Theorien, die ihr Wissen unmittelbar als eine Anleitung zur Tat darstellen (und das macht die aufgeregte, manchmal aufgeladene Stimmung des Textes aus): Wenn es so ist, wie es ist, das heißt, wenn es ums Ganze geht - und wie sollte es anders sein, da die kritische Theorie keine Lücke lässt, mit der die Annahme eines Ganzen sich in Luft auflösen würde -, dann muss daraus dies und jenes, dann muss (und dieses Müssen muss in den Ohren harmonisch, ohne dissonanten Einspruch und destruktiven Widerspruch ertönen) aus dem schlechten Sein ein gutes Sollen folgen. Nur so geht es. Insofern kann man sagen: Das Büchlein gegen die Psychomächte hat es in sich.

Die gemeine Lebenserfahrung und Lebenspraxis, die wie "Tina" dem Anspruch auf das runde Allgemeine misstraut und sich in theorielosen, aber unterhaltsamen Geschichten verzettelt (die endlos sich hinziehenden, das Individuelle nur noch künstlich am Leben erhaltenden Geschichtchen töten den Geist), sieht ganz anders aus: Bierbichler - der Schauspieler Josef Bierbichler hat in dem ihm zum sechzigsten Geburtstag gewidmeten Film von Regina Schilling erzählt, dass er eines Abends in der Gaststube in Ambach am Starnberger See eine Runde mit Leuten vom Fernsehen an einem Tisch beisammen habe sitzen sehen und reden hören, worauf er sofort nur eines still bei sich habe denken können: "Barbaren". Das also seien, so Bierbichler ernst in die Kamera hinein, die, die zerstören, was unsere geistige Kultur sei.

Doch kam es dann so: Es seien diese Barbaren, wie er schließlich noch in jener mit denen dort gemeinsam verbrachten Nacht habe feststellen können, im Grunde alle irgendwie auch nette Menschen gewesen.

EBERHARD RATHGEB

Bernard Stiegler: "Die Logik der Sorge". Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien. edition unseld im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 191 S., br., 10,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen vorsichtig skeptischen Blick wirft Rezensent Eberhard Rathgeb auf Bernhard Stieglers Buch "Die Logik der Sorge", das er eine "Art Manifest für einen demokratischen Kommunismus des Geistes" in der foucaldianischen Tradition nennt. Bevor er näher auf das Werk des französischen Sozial- und Technikphilosophen eingeht, entwirft er eine Typologie von Theorien, die aufs Ganze gehen, und kommt dabei zu dem Schluss, dass häufig schon eine "Handvoll Begriffe" ausreiche, "um sich in eine stabilisierte Position zur Welt zu bringen". Dabei scheinen ihm auch Temperament und Tonfall einer Theorie eine Rolle zu spielen, wenn es darum geht, welcher Theorie man letztlich anhängt. Er referiert sodann die Grundzüge von Stieglers Theorie über die Zerstörung der Aufmerksamkeit durch Medien und Konsum, wobei er einräumt, diese sei tatsächlich "komplexer" als von ihm dargestellt. Seine Intention ist es freilich, die "bipolare Grundstruktur" dieses Buchs vor Augen zu führen. Das gelingt dem Rezensenten auch recht gut, wobei er schon den Eindruck vermittelt, dass an Stieglers Überlegungen auch etwas dran ist. Aber letztendlich, vom Standpunkt der dem "runden Allgemeinen" derartiger Theorien misstrauenden Lebenserfahrung und Lebenspraxis aus, sieht die Welt seines Erachtens doch etwas anders aus.

© Perlentaucher Medien GmbH