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Als Junge träumt Silvio Astier davon, edler Bandit zu werden, verworfener Dichter oder aber großer Erfinder. An der erniedrigenden Existenz im Vorort von Buenos Aires jedoch prallt sein Lebensdrang immer wieder ab. Als er sich um alle Möglichkeiten betrogen sieht, treibt er sein Leben durch den Verrat eines Kumpels auf die Spitze: eine Selbstrettung durch das Böse. Erbittert unharmonischer Entwicklungsroman, der den Furor des Lebendigseins feiert; harscher Schnitt in eine soziale Randwirklichkeit in einer expressiven, radikal subjektiven Sprache - das ist Das böse Spielzeug von 1926, womit der…mehr

Produktbeschreibung
Als Junge träumt Silvio Astier davon, edler Bandit zu werden, verworfener Dichter oder aber großer Erfinder. An der erniedrigenden Existenz im Vorort von Buenos Aires jedoch prallt sein Lebensdrang immer wieder ab. Als er sich um alle Möglichkeiten betrogen sieht, treibt er sein Leben durch den Verrat eines Kumpels auf die Spitze: eine Selbstrettung durch das Böse. Erbittert unharmonischer Entwicklungsroman, der den Furor des Lebendigseins feiert; harscher Schnitt in eine soziale Randwirklichkeit in einer expressiven, radikal subjektiven Sprache - das ist Das böse Spielzeug von 1926, womit der literarische Außenseiter Roberto Arlt (1900-1942) den südamerikanischen Roman revolutionierte: auf verstörende Art lebendig bis heute.
Autorenporträt
Wehr, ElkeElke Wehr, geboren 1946 in Bautzen und verstorben 2008 in Berlin, studierte Romanistik in Paris und Heidelberg. Zunächst konzentrierte sie sich auf Italienisch und Französisch, später legte sie ihren Schwerpunkt auf das Spanische. Seit den 1970er Jahren übersetzte sie spanische und lateinamerikanische Prosa ins Deutsche. Elke Wehr lebte in Madrid und Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2007

Die Süße der Niedertracht
Schwarzer Bildungsroman: Der argentinische Schriftsteller Roberto Arlt und sein Erstling „Das böse Spielzeug”
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stehen zwei Menschen in Genua am Hafen. Einer davon ist Karl Arlt aus Posen, das damals zu Preußen gehört. Er hat zehn Jahre lang gedient und ist gerade dabei, Deserteur zu werden. Er plant, mit seiner jungen Frau Ekatherine, geborene Iobstraibitzer, nach Buenos Aires auszuwandern. Sie kommt aus Triest. Beide sprechen kein Spanisch. Karl Arlt wird diese Unkenntnis eine gute Weile lang pflegen. Er scheint ein wahrhaftiger Deutscher gewesen zu sein, hält sich nur in Einwandererkreisen auf, kommt erst nach längerer Suche bei einer Apotheke unter, in der er Buchhalter wird.
Karl Arlt ist, bei aller Desertion, ein Vater alter Schule, also kein guter, wenigstens nicht für Roberto, das zweitgeborene Kind, das auf jeden Versuch, es zu disziplinieren, mit noch heftigerem Widerstand antwortet. Er heißt mit allen, von der Mutter verliehenen Vornamen Roberto Godofredo Christophersen Arlt, ist am 7. April 1900 geboren und nicht getauft. Da seine Lehrer der Meinung sind, dass er nichts tauge, verlässt er die Schule mit fünfzehn, tut sich anderswo um.
Kurz davor setzt „Das böse Spielzeug” ein, der erste, in vielen Details autobiographische Roman, den Roberto Arlt 1926 veröffentlicht. Juan Carlos Onetti lobt Arlt früh. Ansonsten hieß es lange, er schreibe einen „schlechten Stil”. Im Vorwort zu seinem dritten Roman „Die Flammenwerfer” geht Arlt auf seine Kritiker ein: „Mich zieht die Schönheit glühend an. Wie oft habe ich gedacht, einen Roman zu schreiben, der sich wie die Flauberts aus farbigen Bildern zusammensetzt . . . ! Aber heute, im Getöse einer unvermeidlich zerfallenden Gesellschaftsordnung, kann man nicht an Stickereien denken.”
Arlts Stil ist nicht „schlecht”, bloß gemischt. Das hat mit den Sprachen seiner Eltern zu tun und damit, dass er seinen Helden Silvio Astier quer durch die Großstadt, das Buenos Aires der zwanziger Jahre schickt. Anfangs treibt sich Astier bei einem alten andalusischen Flickschuster herum, der ihn in die Räuberromane des 19. Jahrhunderts einführt. Wenn der Flickschuster von Diego Corrientes schwärmt, einem Kerl „schöner als eine Rose”, der in jedem Bauerndorf eine Geliebte hat, dann lebt „in der Kammer, in der es nach Kleister und Leder roch, ein ganzes, waldiges, wollüstiges Land”. Silvio Astier ist initiiert, bald gründet er mit ein paar Jungs den „Klub der Diebe”, der unbewohnte, zum Verkauf angebotene Häuser heimsucht. Gelegentlich stört im ersten Viertel des Romans das Spiel mit dem Stil der Räuberromane. Doch Astiers Not, Geld zu verdienen, verhilft ihm zu einer ordentlichen Portion Realität. Zuerst hat Astier bei einem geizigen Antiquar die Werbeglocke zu läuten, schaut dabei den Flanierenden zu: „Und meine Armut fiel mir aus den Händen”.
Mit zehn Pesos zum Hafen
Was Roberto Arlt, der in Deutschland, trotz zweier Übersetzungen Anfang der siebziger Jahre kaum bekannt ist, heute interessant macht, ist die entschieden moderne Konzeption seiner Helden, von Astier bis Erdosain aus dem Roman die „Die sieben Irren”. Das Individuum, wie Arlt es sieht, ist bizarr, kompliziert, inkonsequent. Auch sprachlich wagt er sich weit vor. Das klingt manchmal wie beim frühen Musil: „Öde und hässlich wie ein nacktes Knie ist meine Seele.”
Arlt war auch ein exzentrischer Erfinder, sicherte sich so gefragte Patente wie jenes für einen Damenstrumpf ohne Maschen. Auch sein Held Astier ist Hobby-Erfinder, kommt bei der Armee als Lehrling für Flugzeugmechanik unter, wird entlassen, teilt ein Ein-Peso-Zimmer mit einem reichen jungen Homosexuellen, der sich auf diese Weise Liebhaber sucht. Mit den zehn Pesos, die der Mann ihm da lässt, geht Astier zum Hafen. Dort, in all dem Trubel, im Kreischen der Kräne, umringt von Pfiffen und Stimmen, hat er das Gefühl, so weit weg zu sein, dass er nie mehr zurück kann, aber weg kommt er auch nicht: Astier will sich erschießen, nimmt einen Revolver.
Immer neuen Proben setzt Arlt seinen Helden aus, der darauf immer verzweifelter und enthusiastischer reagiert. Seine Großstadtwanderungen beginnt er als Vertreter eines Papierhändlers. Er vertreibt Butterbrotpapier, Etikettenpapier, Zierpapier. An einem Tag läuft Astier 45 Meilen und verkauft keine Rolle, doch nach dem ersten Erfolg – „zweihundert Kilo Papierabfall spezial” an einen Fleischer – beginnt er die Stadt zu lieben, streift pathetisch durch ihr besonntes Chaos, ihren Reichtum.
Doch Arlt gilt nicht nur wegen der Romane heute als erster südamerikanischer Großstadtschriftsteller. Mit zweiundzwanzig Vater geworden, entschied er sich für den Journalismus. Bis zu seinem frühen Tod durch Herzversagen am 26. Juli 1942 wird er zum rastlosen Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und Stückeschreiber. Bei El Mundo hat er seit 1928 eine tägliche Kolumne, die Aguafuertes Portenos, in denen er aus Beobachtungen Stadtszenen macht, Feuilletons. Man muss sich den Arlt dieser Tage als eine Art Joseph Roth Argentiniens vorstellen. Vergleichsweise gut bezahlt ist er der Einzige in der Zeitung, der mit seinem Namen zeichnet.
„Das böse Spielzeug” will von Erfolg noch nichts wissen, ist in vielerlei Hinsicht ein schwarzer Bildungsroman. Dazu gehört, dass Astier, als er gerade dabei ist, ein zufriedener Mensch zu werden, einen Freund verrät, einen Dieb. Der Verratene ist sympathisch. Derjenige, der vom Verrat profitiert, ist Ingenieur und ein vermögender Mann. Er kann Astier Arbeit verschaffen. Arlt erzählt das ohne Zeigefinger, lässt seinen Helden gegenüber dem Ingenieur, der ihn verachtet, geradezu triumphieren: „Es gibt Augenblicke in unserem Leben, in denen wir das Bedürfnis haben, niederträchtig zu sein (. . . ) das Leben eines Menschen für immer zu zerstören. Und wenn wir das getan haben, können wir wieder ruhig unserer Wege gehen.” Ein Romanschriftsteller, so Arlt, muss das Leben nicht erklären, er soll es erkunden.
Zur Ahnungslosigkeit der deutschen Öffentlichkeit in Sachen Arlt gibt es einen hübschen Kontrapunkt. Weil Mirta Arlt, die vierundachtzigjährige Tochter des Schriftstellers, in Argentinien keinen Ort für den ihr gehörenden Teilnachlass Arlts fand, verkaufte sie ihn vor kurzem an das Berliner Ibero-Amerikanische Institut. Damit ist er in „Preußischen Kulturbesitz” übergegangen. Sozusagen als Erbe von Karl: Patente von Arlt, das Gesuch seines Vaters, in den Hamburger Verein für Handlungs-Commis aufgenommen zu werden, das Fragment einer Erzählung, viele Privatfotos, Fotos der Reisen, die Arlt als Korrespondent nach Uruguay, Galizien, Marokko führten, Dokumente scheiternder Versuche, in Europa Verlage für ihn zu finden. All das wartet mit Roberto Arlt darauf, entdeckt zu werden. HANS-PETER KUNISCH
ROBERTO ARLT: Das böse Spielzeug. Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Mit einem Nachwort von Juan Villoro. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 198 Seiten, 13,80 Euro.
Roberto Arlt 1923, die Hand seiner Schwester Lisa auf der Schulter. Seine Frau Carmen hält die Tochter auf dem Esel. Foto: Ibero-Amerikanisches Institut, Berlin
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Düstere, zynische Romane voller Weltekel und Finsternis, wie sie zur Zeit in Lateinamerika offenbar Konjunktur haben, können auf eine "große Tradition" zurückgreifen, wie Kersten Knipp jetzt mit dem bereits 1926 erschienenen "Das böse Spielzeug" von Roberto Arlt untermauert sieht. Im Zentrum des Romans steht der Ich-Erzähler Silvio Astier - ihm lassen sich zumindest teilweise autobiografische Züge des argentinischen Autors zuschreiben -, der auch durch eine Kette von gescheiterten und gelungenen Verbrechen nicht aus seiner materiellen und emotionalen Schieflage herauskommt, erklärt der Rezensent. Trotz des offenen Endes des Romans führt das Leben des Helden ins "Nichts", konstatiert Knipp, der kein explizites Lobeswort hören lässt, aber insgesamt eingenommen scheint.

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