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Einen verbalen Existenzfuror entzündet der Dichter Christian Uetz; und alle Obsessionen, die in ihrer »schmerzschönen, trauriglachenden Herzlichtheit« durch Leib und Seele gehen, münden in Wortgewittern. Die Einschläge der Leidenschaft in die Sprache der Liebe sind heftig, und wenn in den Gedichten Liebe nur ein Wort ist, ist das Wort nur Liebe. In den Zyklen und Intermezzi des Bandes läßt sich oft kaum unterscheiden, ob seine Gedichte reine Philosophie oder seine Gedanken pure Poesie sind. Die universal verdichtete Sprache entfaltet ihre Explosivität gemäß Novalis »je poetischer, desto wahrer«.…mehr

Produktbeschreibung
Einen verbalen Existenzfuror entzündet der Dichter Christian Uetz; und alle Obsessionen, die in ihrer »schmerzschönen, trauriglachenden Herzlichtheit« durch Leib und Seele gehen, münden in Wortgewittern. Die Einschläge der Leidenschaft in die Sprache der Liebe sind heftig, und wenn in den Gedichten Liebe nur ein Wort ist, ist das Wort nur Liebe. In den Zyklen und Intermezzi des Bandes läßt sich oft kaum unterscheiden, ob seine Gedichte reine Philosophie oder seine Gedanken pure Poesie sind. Die universal verdichtete Sprache entfaltet ihre Explosivität gemäß Novalis »je poetischer, desto wahrer«.
Autorenporträt
Christian Uetz, geboren 1963 in Egnach in der Schweiz; studierte Philosophie, Komparatistik und Altgriechisch, lebt am Bodensee und in Berlin. Bisher veröffentlichte er die Gedichtbände Luren, Reeden und Nichte, sowie den Prosaband Zoom Nicht, für den er 1999 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb den 3sat-Preis erhielt. Häufige Auftritte bei Literaturveranstaltungen und Festivals für experimentelle Poesie und spoken poetry, u.a. in New York, Berlin und beim Lyrikfestival in Medellín.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2004

Fauler Zaubertrank
Christian Uetz verwendet nur Verse aus dionysischem Anbau

Magische Unmittelbarkeit herstellen, so schreiben, so singen können, daß die Unwirklichkeit der Wörter in die Wirklichkeit des Gegenstandes umspringt, davon träumt jeder Lyriker. Die neue Performance-Kultur, die den Dichter wieder als Vortragenden zur Geltung bringt, bietet dafür auch neue Gelegenheiten. Der 1963 in Egnach/Schweiz geborene Christian Uetz gilt als Virtuose an Intensität, dem gar die Aura des Schamanen hymnisch angetragen wurde. Sein neuer Lyrikband ermöglicht nun, diesen raunenden Ruhm zu prüfen.

Das Ergebnis ist - um zusammenzufassen, was da unter Berufung auf Celan, Beckett und den Minnesang zusammengebraut wird - von nicht mehr parodierbarer Peinlichkeit. Der Sound changiert zwischen Brunftschrei und tröstlicher Paradoxie. Entweder: "An dir lade ich mich mit Lust auf, Dynamit. / Aneinander laden wir uns mit Lust auf, Sulamith; / und an der Sexschuld explodieren wir aus (sic!)." Oder: "Seit ich dich nicht liebe, liebe ich dich. / Seit du mich verläßt, bist du bei mir. / Allein sind wir eins geworden; // und immer einziger einsam." Dazwischen gibt's Besinnliches für den Esoterik-Kalender: "Wenn du nicht liebst, weil du liebst, / sondern weil du weißt, daß es Liebe ist, / wenn du liebst, weil das Wort Liebe es dir sagt, / daß es Liebe ist, wenn du liebst, / wie es das Wort Liebe dir sagt. / Dann fühlst du eine Liebe, / die hundertmal größer ist als alle Liebe, / die du fühlst, // wenn unermeßlich ihr Ergreifen dich begreift." Was aber hundertmal nichts zu sagen hat, denn: "Wenn wir keinen Sex haben: es ändert nichts. / Wenn wir uns nicht sehen: es ändert nichts. / Wenn die Wünsche nicht in Erfüllung gehen: es ändert nichts. // Aber das Wort davon ändert alles." Das ist nackte Lebenshilfe-Rhetorik.

Die Zeile "Passion ist das Wort, / in welchem das Wort Passion wird" ist eben kein Vers mehr, sondern der Slogan einer poetischen Sekte, die uns Instant-Erlösung zum Diskontpreis anbietet. Damit es dabei keine Mißverständnisse gebe, hat Uetz seinen Gedichten dankenswerterweise Traktate beigegeben, die etwa so beginnen: "Das Bewußtsein ist der Verlust der Existenz, und im Verlust das Verlangen nach der Existenz." Uetz philosophiert mit dem Gummihammer des Absurden; die sprachliche Geste der Negation dient zu geistesgeschichtlichen Kurzschlüssen: "Daß die Existenz im Erwachen des Bewußtseins gerade zugleich verlorengeht, entspricht ganz der Erfahrung der Neuzeit, daß Gott nicht existiert." Die unbeholfenen drei Adverbien "gerade zugleich... ganz" charakterisieren entsprechenden Humbug. Gibt es kein religiöses Bewußtsein? Hat man vor der Neuzeit nur vor sich hingedöst?

Uetzens verbaler Zaubertrank erweist sich als unverdauliches Müsli quellender Wortflocken und geschroteter Gedanken aus neodionysischem Anbau. Die im frühen zwanzigsten Jahrhundert ihr Unwesen treibende Alternative von Bewußtsein oder Leben kehrt in kenntlicher Maske wieder. "Es ist die zeitlose Geistsexualität, welche sich in orgasmischen Zyklen der Zeit entlädt. Zuinnerst in der Gnade sind wir alle eins und einer: pure permanente Sexualität." Nein, der Rezensent verzichtet leichten Herzens auf den "unbedingten Autismus, der die Welt ist", denn er sieht keine Lust darin, Teil eines einzigen permanent onanierenden Kosmos zu sein. Wer je eine Frau über den Brecht-Vers "Die Kunst der Männer ist's: vögeln und denken" lachen gehört hat, wird auch im stickigen Dunst der nächsten Performance wissen, was von den "Hirnschwanzströmen" solcher Schamanenpoetik zu halten ist.

THOMAS POISS

Christian Uetz: "Das Sternbild versingt". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 94 S., br., 7,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Geradezu verzückt zeigt sich der Rezensent Michael Braun von der "existenzfiebernden" Poesie des Christian Uetz. Entschieden nimmt er den Dichter in Schutz gegen jene, die seine "konvulsivische" Heftigkeit - auch und gerade im Vortrag - befremdlich finden. Uetz sei ein "schamanischer Wörterzauberer" von hohen Graden, ein existenzialistischer Philosoph als Dichter, der die Tradition Kierkegaards, Nietzsches, Heideggers in seinen "Sprach-Exaltationen" zum "Siedepunkt" zu bringen verstehe. Poetischer Referenzpunkt des neuen Bandes, der aus zwei philosophischen Prosa-Gedichten besteht, sind Paul Celan auf der einen, der Minnesang auf der anderen Seite. Gerade der letztere Sachverhalt führt dann aber zur einzigen kritischen Anmerkung des Rezensenten. Allzu "willig" folge der vom Nichts und dem Nichten besessene Autor den Sirenenklängen der Minnewörter wie "Sehnsucht" und "Liebe". Hier droht "Sentimentalität", meint Braun, den das von seiner ansonsten unverhohlen geäußerten Begeisterung aber nicht abrücken lässt.

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