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Ein erfolgreicher Buchhändler beschließt, sein Leben zu ändern: Er verlässt Frau und Tochter und sagt sich von der Liebe los. Doch etwas treibt ihn zurück. Er verspürt keinen Hass, nur Ekel und vollkommene Leidenschaftslosigkeit. Alles drängt zu einer Entscheidung. Endlich glaubt er einen Weg gefunden zu haben, seine Frau hinter sich zu lassen. "Ich verblieb mir selbst, als ein unheilvoller Ort, an dem ich nicht sein und von dem ich nicht fliehen konnte", heißt es bei Augustinus über jenen überdruss, der schließlich zu einer Gefahr auch für andere wird. Mit präziser Kühle beschreibt Lukas…mehr

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Produktbeschreibung
Ein erfolgreicher Buchhändler beschließt, sein Leben zu ändern: Er verlässt Frau und Tochter und sagt sich von der Liebe los. Doch etwas treibt ihn zurück. Er verspürt keinen Hass, nur Ekel und vollkommene Leidenschaftslosigkeit. Alles drängt zu einer Entscheidung. Endlich glaubt er einen Weg gefunden zu haben, seine Frau hinter sich zu lassen. "Ich verblieb mir selbst, als ein unheilvoller Ort, an dem ich nicht sein und von dem ich nicht fliehen konnte", heißt es bei Augustinus über jenen überdruss, der schließlich zu einer Gefahr auch für andere wird. Mit präziser Kühle beschreibt Lukas Bärfuss in seiner fesselnden Novelle, wie der Entschluss, um der eigenen Freiheit willen seiner Liebe zu entsagen, ins Verhängnis führt.
Autorenporträt
Lukas Bärfuss, geboren 1971, lebt in Zürich. Sein Prosadebüt Die toten Männer erschien 2002 in der edition suhrkamp, seine Stücke werden auf den großen Bühnen in Deutschland und der Schweiz aufgeführt. Bärfuss wurde 2019 mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2003

Und ewig tosen die wilden Wasser
Schweizer Schlachteplatte, hübsch garniert: Lukas Bärfuss’ nekrophile Novelle „Die toten Männer”
Welche Tätigkeit passt zu einem Mann, dem „tote Dinge gefallen”? Der Schweizer Lukas Bärfuss, bisher als Dramatiker und Heimatbeschimpfer bekannt, lässt in seinem Prosadebüt einen radikal lebensfeindlichen, ja nekrophilen Ich-Erzähler auftreten, der aber von Beruf nicht etwa Pathologe oder Bestattungsunternehmer ist: Er besitzt eine Buchhandlung, „die größte im ganzen Land”. In den Kreisen, die das literarische Leben pflegen, könnte die Anspielung als Gemeinheit aufgefasst worden sein; jedenfalls mochte man in Klagenfurt und anderswo an der Novelle „Die toten Männer” und ihrer stoisch-mürrischen Hauptfigur kein gutes Haar lassen.
Die Gletscherkühle, mit der dieser Gentleman-Zombie sich zu seiner Weltverachtung bekennt, und die steinige Nüchternheit seiner Sprache scheinen nicht im Trend zu liegen, schon gar nicht sein Entschluss, „künftig ohne die Liebe auszukommen”, gräbt er doch dem scheinbar unverwüstlichen Beziehungsthema das Wasser ab. Kurios wirkt es, wenn die Kritik an der tiefgefrorenen Grundstimmung des Bärfuss-Helden Anstoß nimmt, als sei Literatur neuerdings zu positivem Denken oder wenigstens zu aufgewühlten Emotionen verpflichtet. Dem Autor schwebte offenbar anderes vor: Ein Vorschein der inneren Freiheit, die der kompromisslose Verweigerer anstrebt, soll dem Leser zuteil werden, wenn er die Geschichte als ironisch inszeniertes Spiel durchschaut und genießt.
„Früher als üblich, noch vor Ladenschluss, verließ ich die Buchhandlung. Frau Weber trug ich auf, dafür zu sorgen, dass jemand mit dem Tier nach draußen geht.” Die trockene Harmlosigkeit des Beginns charakterisiert den Ton, der bis zum Ende durchgehalten wird, obgleich Haarsträubendes am Weg liegt. Lukas Bärfuss arbeitet mit einfachen sprachlichen Mitteln, doch setzt er sie hintergründig ein, und so erreicht er, dass man den Schritten des Buchhändlers in einem Zustand entspannter Aufmerksamkeit und losgelösten Interesses folgt und den eidgenössischen Neurosengarten halb amüsiert, halb erschrocken durchstreift, ohne sich darin zu verlieren. Der Mann, dessen Abneigung gegen alles Lebensfördernde so stark ist, dass er sogar die Nahrungsaufnahme einstellt, rückt uns nie zu nahe, zieht Sympathie und Antipathie zu gleichen Teilen auf sich, und das ist nicht das Schlechteste, was man über eine erfundene Figur sagen kann.
Natürlich geht es Bärfuss auch hier wieder darum, der Schweiz eins auszuwischen. Die Schweiz ist wie die Kalbsleber, die der Erzähler in seinem Stammlokal angeekelt zurückgehen lässt: „tadellos und ohne Makel”, doch geeignet, einen unüberwindlichen Widerwillen zu wecken. Genauso ist Danielle, die schöne, leidenschaftliche Ehefrau, gegen deren Annäherungsversuche der Abtrünnige sich noch immer nicht standhaft genug zu wehren weiß. Er folgt ihrer Einladung ins Tessiner Ferienhaus, die erwachsene Tochter und ihr Liebhaber sind mit von der Partie. Dieser vitale, ein wenig tumbe junge Bursche wird den Urlaub nicht überleben, denn der Selbstbefreiungsdrang des Familienvaters hat inzwischen wahnhafte Züge angenommen: „Lieber ein richtiges Gefängnis, eines mit Schloss und Riegel, lieber eines mit Wärtern und Blechnäpfen, als das Gefängnis der Liebe.”
Damit haben wir zwei tote Männer, einen innerlich Abgestorbenen und einen Ermordeten; der Dritte im Bunde ist ein italienischer Freund, im besten Alter hingeschieden, an dessen Bahre der Buchhändler in einer komisch makabren Szene den Kampf gegen ein lästiges Insekt verliert. Wenn man es genau nimmt, kommt außerdem eine tote Frau vor, die herrlich böse charakterisierte Mutter des Erzählers, die zwar noch kerzengerade im Rollstuhl sitzt, der ihr Sohn jedoch ein Innenleben aus „reinem Stahl” attestiert, nicht ohne sie „für das Maß ihrer menschlichen Kälte” zu bewundern. Da die Personen jederzeit als Spielfiguren kenntlich bleiben, stört es kaum, dass Hitchcocks „Psycho” von fern her grüßt.
Dort, wo die Form der Novelle – ein Spiel auch sie – die unerhörte Begebenheit fordert, lässt Bärfuss diskret eine Leerstelle: Was am Rande der Schlucht geschieht, in deren Tiefe die wilden Wasser tosen, soll den Leser nicht mit in den Abgrund ziehen. Und ist es denn wirklich geschehen? Der Plan des Mörders geht nicht auf, die Polizei traut ihm die Tat nicht zu, das Gefängnistor bleibt ihm verschlossen. Mehr noch: Beim Leichenmahl für das Opfer erwachen seine Lebensgeister, er bricht sein Fasten, fällt über die Schlachtplatten her und dankt im Rausch den Trauergästen, schwerblütig verdüsterten Angehörigen der Pfingstgemeinde, für ihre „Lebensfreude”.
Mit diesem Fauxpas haben seine Ausbruchsversuche ihr Ende gefunden; er kehrt, wenn auch halbherzig, zurück in die weit geöffneten Arme der Gattin, hinter die komfortablen Mauern des gemeinsamen Anwesens, in der vagen Hoffnung, sich dort am Leben vorbeimogeln zu können. Zugegeben, ein etwas kraftloser Schluss. Vieles an diesem todessüchtigen Prosastückchen indes ist so gelungen, dass es zwar nicht gegen Lebens-, aber gegen Leseüberdruss zum Einsatz kommen kann.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
LUKAS BÄRFUSS: Die toten Männer. Novelle. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 126 Seiten, 8,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2003

Zähes Leben der Todesmetapher
Hilf, heiliger Florian: Lukas Bärfuss' erkaltetes Prosadebüt

Die Literatur ist reich an Männern ohne Gefühle und Eigenschaften. Angekränkelt von des Gedankens Blässe, gepeinigt von diffusem Weltekel, Angst- und Schuldgefühlen, lassen sie sich müde und willenlos treiben und ersehnen den Tod wie eine Erlösung. Der Ich-Erzähler von Lukas Bärfuss' Novelle "Die toten Männer", ein erfolgreicher Buchhändler, gehört zu den traurigsten Exemplaren dieser Gattung, denn er ist schon zu Lebzeiten sich und den Menschen abgestorben.

"Entweder Freiheit oder Liebe", sagt sich der heroische Totalverweigerer, "und ich habe mich entschieden, künftig ohne die Liebe auszukommen." Also trennt er sich von Frau und Tochter, deren lebensfrohe "Geschmeidigkeit" er als Zumutung und Fessel empfindet, und radikalisiert seine Verweigerung bis zur Selbstzerstörung: keine Beziehungen und Zärtlichkeiten mehr, keine Nahrung und kein Schlaf, keine eigene Meinung und kein Einrichtungsgegenstand, der den Stempel seiner Individualität trüge. Wenn Danielle ihn in das gemeinsame Ferienhaus im Tessin einlädt, sucht er nach trübseligen Ausflüchten, um sich nicht der Gefahr von Versöhnung und Sonnenschein aussetzen zu müssen. Wenn die Tochter an seine väterlichen Instinkte appelliert, zuckt er unangenehm berührt zurück; eher stürzt er ihren Freund in den Abgrund, als ihr das Liebesglück zu gönnen.

Das Gefängnis kann ihn nicht schrecken: "Ich würde mich nie wieder entscheiden müssen, andere würden das für mich tun . . . Lieber ein richtiges Gefängnis, eines mit Schloß und Riegel, lieber eines mit Wärtern und Blechnäpfen, als das Gefängnis der Liebe." Die Kommissarin tut ihm den Gefallen nicht und läßt die Lügen des Mörders straflos durchgehen. So ist die Schweiz: ein Kerker, grauenhaft schön tapeziert, der selbst die unbarmherzig in die Freiheit zurückstößt, die sich freiwillig dem Strafvollzug stellen wollen, ein Friedhof, der selbst erwiesenermaßen toten Männern die letzte Ruhe verleidet.

Aber ein Buchhändler weiß sich zu helfen. Warum Lesen? Bücher erzählen von unerhörten Begebenheiten und aufwühlenden Erfahrungen. In Wahrheit freilich ist das Leben "eine Abfolge der immergleichen Erlebnisse und am Ende wartet nur der Tod, und dahinter ist nichts". Aus dieser Enttäuschung kann man leicht ein Buch machen, in dem alle Badezimmer muffig riechen, alle Rosen verwelkt sind und frische Brötchen den Hungerkünstler bloß anwidern. Je enger der Himmel über der Schweiz, desto befreiter atmet der Unglückssucher auf. Wenn er an einem Begräbnis teilnehmen darf, blüht er auf und prostet den trauernden Hinterbliebenen fröhlich zu: Was für prächtige Leidensgenossen! Wenn ihn seine alte, monströs kaltherzige Mutter abkanzelt und herumschubst, keimen unter seinem Panzer Gefühle von Liebe und Dankbarkeit: Endlich nicht mehr selber entscheiden müssen!

Lukas Bärfuss hat mit Theaterstücken wie "Meienbergs Tod" oder einer grimmigen Schweiz-Kritik aus Anlaß der Expo 02 auch jenseits des Rheins auf sich aufmerksam gemacht. Sein Prosadebüt enttäuscht indes die hohen Erwartungen. Schon in Klagenfurt wurde die Novelle als "sterbenslangweilig" und sprachlich mißglückt abgefertigt, und das harsche Urteil erhärtet sich jetzt. "Die toten Männer" machen ihrem Namen tatsächlich Ehre. Sie haben mit dem Leben abgeschlossen, und wenn sie, aus Feigheit, Bequemlichkeit oder Apathie, nicht all seine Ansprüche und Wunder gebührend abweisen können, so ist das nur ein Grund mehr, mit sich zu hadern. Die Selbstabdankung jeden Eigenwillens infiziert auch die Sprache, die vom Elend der Lebensunlust erzählt. Bärfuss schreibt angemessen leidenschaftslos, und diese lakonisch erkaltete Prosa schlägt dem Leser schon bald aufs Gemüt.

Eigentlich wollte der Buchhändler einen Neuanfang wagen. Freiheit, glaubte er, sei der Bruch mit allen Erinnerungen, Bindungen und Verpflichtungen, die Verbannung von Gefühlen, Gedanken und damit vielleicht auch Schmerz. Das war ein fataler Irrtum; aber er kann nicht mehr anders, als sich "in die Ordnung der Dinge zu fügen", Mutters stählerner Lebensgier gehorsam zu willfahren und im übrigen zu hoffen, das Gewitter des Lebens werde schon vorbeiziehen, und "der schwere Hagel gehe nieder auf ein anderes Feld". Den Kopf in den Sand stecken, stoisch entsagen und zum heiligen Florian beten mag toten Männern gut zu Gesicht stehen. Aber in der Schweizer Gegenwartsliteratur, in der konstruierte Todesmetaphern ein zähes Leben führen und selbstquälerische Depressionen immer wieder die Ernte verhageln, markiert diese Haltung keinen hoffnungsvollen Neubeginn.

MARTIN HALTER

Lukas Bärfuss: "Die toten Männer". Novelle. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 126 S., br., 8,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Freiheit, findet der Ich-Erzähler von Lukas Bärfuss' Erzähl-Debüt, ist mit Liebe nicht zu vereinbaren, also trennt er sich von Frau und Tochter und führt fortan ein selbstbestimmtes Leben. Diese Selbstbestimmung jedoch läuft darauf hinaus, gar nichts mehr zu wollen, keine Nahrung, keine Meinung, keinen Schlaf und über dieses Nicht-mehr-Wollen dann noch zu räsonieren. Das klingt nicht nach einem Text, dessen Lektüre Spaß macht - und der Rezensent Martin Halter ist weit davon entfernt, das Gegenteil zu behaupten. Auszüge aus der Erzählung hat Bärfuss beim Bachmann-Preis in Klagenfurt vorgestellt, sie wurden als "sterbenslangweilig" abgekanzelt. Leider zu Recht, resümiert Halter nun in Kenntnis des gesamten Textes. Kein Gewinn, bedauert er, für die Schweizer Gegenwartsliteratur.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Bärfuss zeichnet in seinem Erstling einen Mann, der geradezu manisch die Lebensäußerungen seiner Umwelt beobachtet und sorgsam auf Distanz zu bleiben trachtet. Diesem Charakterbild entspricht die unterkühlte und distanzierte Sprache, genau, klar und emotionslos. Die formale Strenge, eisern durchgehalten, bringt alles zu Stimmen: Figuren, Atmosphäre, Duktus. Ein Kabinettstück.« Sonntagszeitung 20020714