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Lara Croft, die Heldin des Computerspiels "Tomb Raider", ist in kurzer Zeit zu einem "Cultural icon" geworden. Sie ist Traum-Frau und weibliche Heldin, Pin-up-Girl und "Grrl" in einem. Damit bedient sie männliche ebenso wie weibliche Ermächtigungsphantasien. Doch statt die hierarchische Geschlechterordnung zu unterlaufen, befördert der Kult um Lara Croft einen Prozeß, der als "Medialisierung" der Körper beschrieben werden kann und der die dualistische Geschlechtermetaphysik auf einem höheren Level auferstehen läßt. Welche Bedeutungsverschiebung durchläuft der Begriff des Geschlechtlichen im…mehr

Produktbeschreibung
Lara Croft, die Heldin des Computerspiels "Tomb Raider", ist in kurzer Zeit zu einem "Cultural icon" geworden. Sie ist Traum-Frau und weibliche Heldin, Pin-up-Girl und "Grrl" in einem. Damit bedient sie männliche ebenso wie weibliche Ermächtigungsphantasien. Doch statt die hierarchische Geschlechterordnung zu unterlaufen, befördert der Kult um Lara Croft einen Prozeß, der als "Medialisierung" der Körper beschrieben werden kann und der die dualistische Geschlechtermetaphysik auf einem höheren Level auferstehen läßt.
Welche Bedeutungsverschiebung durchläuft der Begriff des Geschlechtlichen im Zuge seiner Virtualisierung? Die Autorin nähert sich dieser Frage entlang einer Analyse der Entstehungs- und der Wirkungsgeschichte des Phänomens Lara Croft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Mitteilungen aus dem Gender-Zoo
Lara Croft pixelt jetzt auch im Diskurs / Von Claudius Seidl

Lara Croft hat schon manche Gefahren überstanden; sie ist in den Sümpfen nicht untergegangen und von den Klippen nicht heruntergefallen, und wenn es gelegentlich zu Schußwechseln kam, war meistens sie es, die am schnellsten zog. Jetzt hat es Lara Croft aber auf ein Terrain verschlagen, auf dem ganz neue Gefahren lauern: Man hat sie ins Oberseminar verschleppt. Das könnte ein böses Ende nehmen.

Fünf Jahre lang war Lara Croft in der Gewalt von Leuten, die nichts Besseres mit ihr anzufangen wußten, als sie durch elektronische Landschaften zu scheuchen; zwischendurch schoß sie mit großkalibriger Munition in alle möglichen Richtungen. Das liegt daran, daß Lara (jeder duzt sie) die Heldin eines Konsolenspiels ist: Der sogenannte User aktiviert den Joystick, und dann schickt er Miss Croft durch die virtuellen Weiten.

Im sechsten Jahr wurde das Wesen aus dem Rechner promoviert: Lara Croft ist jetzt die Heldin im feministischen Diskurs. Längst stehen die Seminararbeiten im Internet, gibt es Performances und Kunstprojekte. So etwas läuft unbedingt auf die Edition Suhrkamp, Unterabteilung "Gender Studies" hinaus: "Modell, Medium, Cyberheldin" nennt Astrid Deuber-Mankowsky im Untertitel ihre kleine Abhandlung, die im Titel genauso heißt wie ihr Gegenstand.

Wobei sich dem Leser die Frage stellt, ob das virtuelle Wesen Lara Croft mit der Kategorie "Gender" (was im Deutschen meist mit Geschlechtsidentität übersetzt wird) überhaupt zu fassen ist. Die Pixel, aus welchen sich Lara zusammensetzt, formen sich zu einem Bild, das lange Beine, einen runden Hintern und riesige Brüste zeigt. Aber Mickymaus, zum Beispiel, hat sehr große Ohren, eine spitze Schnauze und ist trotzdem kein Gegenstand der Zoologie.

Die wichtigste Frage heißt also: Wer oder was ist Lara Croft? Astrid Deuber-Mankowsky borgt sich, um ihren Gegenstand zu fassen, bei Teresa de Lauretis den Begriff der "Traumfrau", welche jenseits der Realität stehe und gerade deshalb das Begehren auf sich ziehe. Die Traumfrau, das sei die Konstruktion des einzigen, idealen und universalen weiblichen Wesens, welches die Realität und die Individualität der Frauen permanent in Frage stelle und auszulöschen drohe. Als Beleg nennt Deuber-Mankowsky ein paar verstörte Twens, welche sich die Brüste vergrößern ließen, um bei Lara-Croft-Ähnlichkeitswettbewerben eine gute Figur zu machen. Die meisten Frauen dürften den Anblick solcher Konturen eher als lächerlich empfinden. Mit der Traumfrau-Hypothese läßt sich vielleicht die Wirkung von Filmstars erklären. Aber Lara Croft ist weder Marlene Dietrich, noch hat sie eine Ähnlichkeit mit Pygmalions Statue. Diedrich Diederichsen hat sie neulich eine Karikatur genannt, was die Figur genauer beschreibt.

Was erwachsene Feministinnen mit dieser Figur anstellen, unterscheidet sich womöglich gar nicht so sehr von dem, was pubertierende Jungs mit dem Joystick betreiben. Lara Croft bietet keinerlei Widerstand; der Spieler kann sie in jede beliebige Richtung bewegen - und nichts anderes machen die Gender Studies mit ihr. Die Wissenschaft braucht noch nicht einmal einen Joystick - und wo Lara Croft im Spiel "Tomb Raider" auf elektronische Bösewichter trifft, da sind ihre Begegnungen im Reich der Wissenschaft nicht weniger spektakulär: Im Spiel der Astrid Deuber-Mankowsky trifft Lara Croft auf den Medienmetaphysiker Marshall McLuhan, auf die Psychoanalytiker Jacques Lacan und Slavoj Zizek, und natürlich treten auch die üblichen Verdächtigen der Gender Studies auf, von Judith Butler bis Christina von Braun. Auch die Ergebnisse ähneln einander: So wie Lara Croft noch jedes Abenteuer unversehrt und gleichsam unberührt übersteht, so kommt sie auch aus den Begegnungen mit Medientheorie, Psychoanalyse und Filmwissenschaft als dieselbe heraus, als welche sie hineingegangen ist.

Das mag an Lara Croft liegen, die zwar eine Konstruktion ist, aber keine besonders komplizierte, weshalb auch ihre Dekonstruktion keinen großen Erkenntnisgewinn bringt. Es liegt aber auch an einer feministischen Theorie, die insofern der Software, von der sie handelt, sehr ähnlich ist, als sie im Grunde nur immer wieder sich selber lesen kann.

Beispielsweise ist es der Autorin aufgefallen, daß, wer "Tomb Raider" spielt, die Heldin von außen betrachtet und gleichzeitig in ihre Rolle schlüpfen muß. So ergebe sich die scheinbar paradoxe Situation, daß der Spieler gleichzeitig voyeuristisch und narzißtisch sei - wobei genau der von den Gender Studies gewünschte Effekt entstehe. Die Geschlechterrollen gerieten durcheinander, die Frauen identifizierten sich mit der männlich handelnden Lara, die Jungs steckten plötzlich im Körper der Frau, die sie zugleich begehrten, und genauso soll es ja sein: Wir sind alle Männer und Frauen zugleich.

Wie haltbar solche Hypothesen sind, weiß jeder, der noch andere Computerspiele kennt. Neue Apple-Laptops haben serienmäßig das Spiel "Bugdom" auf der Festplatte, wo es auch darum geht, dem Helden zuzugucken und sich zugleich mit ihm zu identifizieren. Allerdings ist dieser Held ein Käfer. Sind wir alle Gregor Samsa?

Astrid Deuber-Mankowsky: "Lara Croft". Modell, Medium, Cyberheldin. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 120 S., Abb., br., 16,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für Marli Feldvoss ist die virtuelle Heldin des Computerspiels "Tomb Raider" innerhalb kürzester Zeit zu einer Kultfigur nicht nur bei Jugendlichen avanciert. Obwohl sie ursprünglich gar nicht als weibliche Heldin gedacht war, sondern eher als eine Art "Indiana Jones", wie Feldvoss schreibt. Deuber-Mankowskys Analyse dieses steilen Aufstiegs der Lara Croft zur postfeministischen Powerfrau siedelt Feldvoss im Schnitt zwischen Genderstudies sowie kulturwissenschaftlicher Medien- und feministischer Filmtheorie an. Die Autorin vermag dadurch, so Feldvoss, den Modellcharakter der Figur herausarbeiten, während andererseits klar werde, dass die hierarchische Geschlechterordnung auf einer neuen, höheren, medialisierten Ebene nicht angetastet werde. Schade, meint die Rezensentin, dass bestimmte männliche Aspekte der Kampfmaschine Lara Croft in der Analyse ausgespart blieben: ihrer Meinung nach ein Opfer des disziplinenübergreifenden Ansatzes.

© Perlentaucher Medien GmbH