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David Van Reybroucks monumentale Studie Kongo wurde von der Kritik als »Jahrhundertbuch« (Spiegel Online) gefeiert. Zu diesem mitreißenden »Gesellschaftsroman« (Der Tagesspiegel) verhält sich sein neuer Essay wie eine hinreißende Geschichtsnovelle. Im Mittelpunkt steht Neutral-Moresnet, eine Mikronation zwischen den Niederlanden bzw. Belgien und Preußen bzw. dem Deutschen Reich, die von 1816 bis 1919 Bestand hatte. Schon die wechselnden Namen der Nachbarstaaten erinnern an die kriegerische Vergangenheit des Kontinents. Van Reybrouck erzählt die Geschichte des knapp vier Quadratkilometer…mehr

Produktbeschreibung
David Van Reybroucks monumentale Studie Kongo wurde von der Kritik als »Jahrhundertbuch« (Spiegel Online) gefeiert. Zu diesem mitreißenden »Gesellschaftsroman« (Der Tagesspiegel) verhält sich sein neuer Essay wie eine hinreißende Geschichtsnovelle. Im Mittelpunkt steht Neutral-Moresnet, eine Mikronation zwischen den Niederlanden bzw. Belgien und Preußen bzw. dem Deutschen Reich, die von 1816 bis 1919 Bestand hatte. Schon die wechselnden Namen der Nachbarstaaten erinnern an die kriegerische Vergangenheit des Kontinents. Van Reybrouck erzählt die Geschichte des knapp vier Quadratkilometer umfassenden Territoriums und entfaltet daraus ein europäisches Panorama, in dem es um die Bewohner geht und um große Industrie (Neutral-Moresnet lebte vor allem vom Abbau eines Zinkerzes), um Krieg, aber auch um Völkerverständigung. So gab es Anfang des 20. Jahrhunderts Pläne, die Mikronation zu einem Esperanto-Staat zu machen. Als Name war »Amikejo« im Gespräch - »Ort der Freundschaft«.
Autorenporträt
David Van Reybrouck, geboren 1971 in Brügge, ist Schriftsteller, Dramatiker, Journalist, Archäologe und Historiker. 2011 gründete er die Initiative G1000, die sich in Belgien, den Niederlanden und in Spanien für demokratische Innovationen einsetzt. Kongo. Eine Geschichte wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis 2012, stand auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und verschaffte Van Reybrouck internationale Anerkennung. Sein Buch Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist (Wallstein Verlag, 2016) erhielt europaweit große Aufmerksamkeit. Für Revolusi. Indonesien und die Entstehung der modernen Welt wurde Van Reybrouck mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2023 ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2017

Leicht
verformbar
David Van Reybrouck über einen
Zwergstaat mitten in Europa
Zink ist ein sehr wandelbares Metall. Schon bei niedrigen Temperaturen lässt es sich leicht bearbeiten und in jede gewünschte Form bringen. Zink ist ein Bestandteil von Messing, und Zink rostet nicht, eine Eigenschaft, die es mit Gold teilt. Es wird zu Geschirr verarbeitet, und die Dächer von Paris sind mit diesem Metall gedeckt. Zink ist vielfältig einsetzbar, auch als schillernde Metapher.
Mit seinem Bestseller „Kongo. Eine Geschichte“, der 2012 auf Deutsch erschienen ist, wurde der Autor David Van Reybrouck international bekannt. Die groß angelegte Studie, für die er Hunderte Interviews führte und mehrmals in den Kongo reiste, zeichnet ein großes Panorama eines großen Landes. Für „Zink“, sein neues, kleines Buch, kehrt Van Reybrouck nach Europa zurück, in ein sehr kleines Land: Neutral-Moresnet, ein keine vier Quadratkilometer großes Territorium, das von 1816 bis 1919 zwischen den wechselnden Grenzen der Niederlande, Belgiens, Preußens und des Deutschen Reichs existierte. Die einzige Stadt in dem Gebiet ist Kelmis, auch bekannt als La Calamine oder Altenberg. Dort wurde seit Jahrhunderten, vielleicht auch schon Jahrtausenden, Zinkerz abgebaut. 1815, nach der Schlacht bei Waterloo, konnten sich Preußen und die Niederlande nicht einigen, auf welchem Staatsgebiet die begehrte Erzmine liegt, so wurde Kelmis mit der Grube und seinen Bewohnern schließlich zum neutralen Gebiet erklärt.
Wie in „Kongo“ erzählt Van Reybrouck die Geschichte Neutral-Moresnets nah an den Menschen, am Beispiel Joseph Rixens, der am 14. Februar 1903 in Kelmis als „Neutraler“ geboren wurde. Seine Mutter, eine preußische Magd, war wegen einer ungewollten Schwangerschaft in Ungnade gefallen und in das kleine Niemandsland geflohen. Wie man sich denken kann, zog das Gebiet, in dem sich die einzigen zwei Polizisten eine Pistole teilen mussten, eine Menge Verzweifelter, aber auch viele zwielichtige Gestalten an. „Wahlen? Hat es nie gegeben. Steuern? Äußerst niedrig und nicht nachvollziehbar; die Berechnung basiert auf dem Besitz an Grund und Boden und der Anzahl der Türen, Fenster, Möbel und Hausangestellten. Währung? Keine.“
So vergnüglich diese Skurrilitäten aus dem Zwergstaat sind, so dramatisch verläuft das Leben Rixens, der wie seine Heimat sprichwörtlich zwischen die Fronten der europäischen Großmächte geriet. Sowohl Deutschland als auch Belgien zogen im Ersten Weltkrieg Bewohner Neutral-Moresnets als Soldaten ein. Gerade noch Nachbarn, standen sie sich nun im Schützengraben gegenüber. Rixen kämpfte in zwei Weltkriegen, war Kriegsgefangener und Bürger von fünf Staaten, ohne je den Wohnort zu wechseln.
Immer wieder entzündeten sich an diesem kleinen Staatsgebilde mitten in Europa aber auch utopische Fantasien. So gab es Bestrebungen, das kleine Land „zur Welthauptstadt des Esperanto auszubauen“. Das Scheitern liegt in der Natur solcher Bestrebungen.
Van Reybrouck hat sich jüngst gegen das repräsentative Wahlsystem und für eine Mischung aus Wahl- und Losverfahren ausgesprochen. „Zink“ lässt sich als historische Fallstudie, aber auch als Metapher auf den Staat lesen, dem man, wie dem Metall, eine andere Form geben kann und manchmal auch muss. Ein nicht ungefährlicher Prozess. Zink lässt sich, so Van Reybrouck, schon bei 120 Grad verformen, bei 907 Grad beginnt es zu verdampfen.
NICOLAS FREUND
David Van Reybrouck: Zink. Aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017. 87 Seiten. 10 Euro. E-Book 9,99 Euro.
„Wahlen? Hat es nie gegeben.
Steuern? Äußerst niedrig …“
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2017

Als Europas Mächte sich für eine Zinkhütte etwas einfallen ließen
Völkerrechtliches Kuriosum: David Van Reybrouck und Philip Dröge erinnern auf unterschiedliche Weise an das Territorium Neutral-Moresnet

Emil Rixen wird als Neutraler geboren. Zeit seines Lebens bleibt er überall verwurzelt und doch heimatlos. Emils Mutter arbeitet als Dienstmädchen in Düsseldorf, als sie mit ihm schwanger wird und fortmuss. Im strengen Preußen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts kann Maria Rixen das uneheliche Kind nicht zur Welt bringen. Zuflucht findet sie in der Nähe Aachens: Acht Kilometer süd-westlich liegt die Mikronation Neutral-Moresnet. Das Gebiet misst nicht einmal vier Quadratkilometer, und doch ist es hier weniger eng als im Nachbarland. Seit 1816 ist Moresnet neutral. Als Emil Rixen 1971 stirbt, wird er die Staatsangehörigkeit fünfmal gewechselt haben.

Der belgische Autor David Van Reybrouck wurde mit einer Geschichte des Kongo international bekannt. In seinem nun auf Deutsch erschienenen Buch "Zink" schildert er die Geschichte der vergessenen Mikronation Moresnet. Bis 1919 existierte sie zwischen den wechselnden Grenzen Preußens, des Deutschen Reichs, Belgiens und der Niederlande. Heute liegt das Gebiet im östlichen Belgien.

Ihre Entstehung geht zurück auf den Wiener Kongress. Als die europäischen Grenzen dort 1815 neu gezogen werden sollen, beanspruchen Belgien und Preußen das Gebiet, denn dort liegt die Zinkgrube von Kelmis-Altenberg. Schon die Römer sollen hier Galmei geschürft haben, ein Mineral, das man zur Herstellung von Zink benötigt. Im neunzehnten Jahrhundert beliefert Kelmis ganz Europa mit dem Metall.

Der Wiener Kongress schafft keine Klärung. In einem Artikel spricht die Schlussakte Moresnet Preußen, in einem anderen den Niederlanden zu. Als die Länder sich auch weiterhin nicht einig werden, vereinbaren sie zunächst die Unabhängigkeit des Gebiets. Was als Provisorium gedacht war, dauert dann ein Jahrhundert.

Der belgische Autor erzählt die Geschichte Moresnets entlang der Biographie von Emil Rixen. Der Leser erfährt vom Alltag in dem völkerrechtlichen Kuriosum, wo es weder eine funktionierende Justiz noch ein wirkliches Bildungssystem gibt. Ein rechtsfreier Raum, der zum Zufluchtsort für Bedürftige und einem Paradies für Schmuggler wird.

Auch der belgische Historiker Philip Dröge schildert in seinem Buch "Niemandsland" die Geschichte des Zwergstaates. Akribisch trägt er sämtliche Funde seiner Recherche zusammen. Einige Beschreibungen gewinnen dadurch an Tiefe, etwa wenn es um den Handel geht, der in Moresnet mit Kindern wie Emil Rixen getrieben wird. In anderen Passagen führt die Fülle von Details zum Substanzverlust. Seitenlang schildert Dröge einen Rechtsstreit des Grubenbesitzers. Bis auf den Pfennig genau listet er die Preisunterschiede deutscher und moresneter Lebensmittel auf, wenn es um den Schmuggel geht.

Reybroucks Essay lebt dagegen von Auslassungen. In knapper, poetischer Sprache leuchtet er den Landstrich aus. Seit der Pariser Stadtplaner Haussmann angeordnet hat, alle Dächer aus Zink zu bauen, sei die mattgraue Dachbedeckung ein ästhetisches Phänomen geworden, schreibt Reybrouck. "Man schaue über die Dächer von Paris: Was dort im Abendlicht glänzt, was dort unter den ersten dicken Regentropfen dunkelgrau gesprenkelt ist, kommt meist aus der Grube von Neutral-Moresnet. Wenn es in Paris regnet, tropft es auf Kelmis."

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es den Plan, Moresnet zu einem Esperanto-Staat zu machen. Anhänger der Kunstsprache meinen, den idealen Ort gefunden zu haben, und taufen Moresnet auf den Namen "Amikejo" - "Ort der Freundschaft". Sogar eine Hymne wird gedichtet, wie Dröge anführt: "Menschheit, o komm doch nach Amikejo! / Es lebe hoch der Internationalismus! / Lasst uns alle unsere Gabe bringen / Auf der Freundschaft schönem Altar!". Doch der Sonderstatus des Gebildes birgt nicht nur skurrile Anekdoten. Für seine Bewohner hat er dramatische Konsequenzen. Beide Autoren schildern, wie die Kriege Moresnet auseinanderreißen, denn inzwischen haben sich hier zahllose Nationalitäten versammelt und Nachbarn müssen plötzlich gegeneinander kämpfen.

Im Ersten Weltkrieg besetzen deutsche Truppen das Gebiet, anschließend wird Belgien die volle Souveränität darüber zugesprochen. Im Zweiten Weltkrieg wiederholt sich das Ganze. Das führt dazu, dass Männer wie Emil Rixen mal für das eine, mal für das andere Land kämpfen müssen. Als Rixen während des Ersten Weltkrieges seinen deutschen Vater in belgischer Uniform aufsucht, jagt der den "Landesverräter" fort. Im Zweiten Weltkrieg wird Rixen dann die Uniform der Wehrmacht tragen, obwohl er seinen Sohn nach dem belgischen König benannt hat und seine Frau sich weigerte, das Mutterkreuz der Nazis anzunehmen. "Ohne jemals umgezogen zu sein, war er Einwohner eines neutralen Mikrolandes, Untertan des deutschen Kaiserreichs, Bürger des Königreichs Belgien und Staatsangehöriger im Dritten Reich." Ehe Rixen nach Kriegsende wiederum Belgier wird, führen ihn die Amerikaner als deutschen Kriegsgefangenen ab. "Er hat keine Grenze überschritten, die Grenzen sind über ihn hinweggegangen."

Heute ist die Zinkhütte von Kelmis geschlossen. Nur noch das gelb blühende Galmeiveilchen auf den umliegenden Wiesen verweise auf die Vergangenheit, schreibt Reybrouck. Eine "äußerst seltene Pflanze, die nur auf diesem zinkreichen Boden gedeiht". Erinnerung an einen Ort, über den die europäische Geschichte unerbittlich herfiel. MARLENE GRUNERT

David Van Reybrouck: "Zink". Aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017. 86 S., br., 10,- [Euro].

Philip Dröge: "Niemandsland".Die unglaubliche Geschichte von Moresnet.

Aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt. Piper Verlag, München 2017. 288 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Marlene Grunert kann mit David van Reybroucks "Zink" und Philip Dröges "Niemands Land" gleich zwei Bücher über den lange Zeit unabhängigen Zwergstaat Neutral-Moresnet annoncieren. Dabei besticht der Essay des belgischen Autors Reybrouck vor allem durch den "knappen, poetischen" Erzählton, fährt die Kritikerin fort, die hier anhand der Biografie des heimatlos geborenen Emil Rixen, der seine Staatsangehörigkeit im Laufe seines Lebens fünfmal wechselte, der teils sehr "skurrilen" Geschichte des für sein Zink-Vorkommen berühmten Territoriums folgt: Fasziniert liest die Rezensentin neben Anekdoten aus dem Alltag der Mikronation etwa, wie Rixen im Ersten Weltkrieg für Belgien, im Zweiten Weltkrieg hingegen für Deutschland kämpfte.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Anhand der Biografie des Bäckers Emil Rixen gelingt es Van Reybrouck so einfühlsam wie eindrücklich, die Zerrüttung abzubilden, welche die beiden Weltkriege in diesem Grenzgebiet ... hinterliessen.« Marc Tribelhorn Neue Zürcher Zeitung 20171117