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Wenn es um Afghanistan oder den Irak geht, ist oft die Rede von den »neuen Kriegen«. Asymmetrische Kriege zwischen Aufständischen und regulären Streitkräften gibt es jedoch seit der Antike, lange bevor der Begriff »Guerilla« geprägt wurde. Beatrice Heuser schildert diese Geschichte sachkundig und frei von Romantisierungen. Die Autorin zeigt, dass solche »kleinen« Kriege alten Mustern folgen und oft Teil »großer« Kriege sind. Sie erklärt, wie die Strategen beider Seiten - der schwächeren und der stärkeren Partei - empfohlen haben, asymmetrische Konflikte auszufechten. Die Leser erfahren, welche…mehr

Produktbeschreibung
Wenn es um Afghanistan oder den Irak geht, ist oft die Rede von den »neuen Kriegen«. Asymmetrische Kriege zwischen Aufständischen und regulären Streitkräften gibt es jedoch seit der Antike, lange bevor der Begriff »Guerilla« geprägt wurde. Beatrice Heuser schildert diese Geschichte sachkundig und frei von Romantisierungen. Die Autorin zeigt, dass solche »kleinen« Kriege alten Mustern folgen und oft Teil »großer« Kriege sind. Sie erklärt, wie die Strategen beider Seiten - der schwächeren und der stärkeren Partei - empfohlen haben, asymmetrische Konflikte auszufechten. Die Leser erfahren, welche Rolle die Zivilbevölkerung in diesen Überlegungen spielt, welche Mittel angewandt wurden und ob sie erfolgreich waren. Aber auch die moralischen Dilemmata, die sich in solchen Einsätzen stellen, werden diskutiert.
Autorenporträt
Beatrice Heuser, Historikerin und Politologin, u.a. Lehrtätigkeit am King's College, London. Leitung der Forschungsabteilung des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr. Heute Professorin für Internationale Beziehungen, Universität Reading.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2013

Der Schwächere bricht die Regeln, deren Beachtung dem Stärkeren den Sieg verwehrt
Praktiken des Terrors bringen reguläre Armeen an den Rand der Niederlage oder zum Gegenterror: Beatrice Heuser analysiert die Muster asymmetrischer Kriege

Solange es Menschen gibt, führen sie Krieg gegeneinander. So war es, und so wird es auch in Zukunft sein. Wer den Frieden will, sollte wissen, was im Krieg geschieht. Denn der Krieg ist dynamisch, man weiß nicht, wohin er führt. Aber er kann vermieden werden, wenn man weiß, von welchen Auseinandersetzungen kein Gewinn zu erwarten ist.

Hätten sich die Nato-Truppen auf einen Krieg in Afghanistan eingelassen, wenn die Generäle gewusst hätten, dass in dieser Auseinandersetzung nur gewinnen kann, wer sich auf den Kampfstil der Schwächeren einlässt? Die Bundeswehr aber darf und kann ihren Krieg nicht nach den Grundsätzen des Terrors führen. Ihre Gegner nehmen Geiseln und erschießen sie; sie verbreiten Furcht und Schrecken und hinterlassen verbrannte Erde. Darauf können Armeen, die sich an das Völkerrecht halten und in der demokratischen Öffentlichkeit der Heimat bestehen müssen, keine Antwort geben. Der asymmetrische Krieg ist der Krieg der Schwachen, die nur gewinnen können, wenn sie die Regeln der Starken brechen.

Beatrice Heuser stellt einfache Fragen: Was geschieht mit Menschen, die in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind? Folgen asymmetrische Kriege eigentlich immer den gleichen Mustern? Oder variieren sie in Zeit und Raum? Ihre Antwort ist ernüchternd und klar: Konflikte zwischen Starken und Schwachen seien schon immer ähnlichen Mustern gefolgt, geändert hätten sich allenfalls die Bewaffnung und die Intensität der Auseinandersetzungen. Alle menschlichen Faktoren seien von zeitloser Variabilität - Moral und Engagement, Disziplin und Führung, das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und den Guerrilleros, die Beschaffenheit und Nutzung des Geländes, die Organisation des Kampfes, die Psychologie des Terrors.

Mächtige Armeen konnten sich gegen schwache Gegner stets nur mit Mühe durchsetzen. Im 17. Jahrhundert wurden die Truppen Ludwigs XIV. mit Freibeutern und Söldnern konfrontiert, die auf eigene Rechnung kämpften und sich nicht an Regeln hielten. Keine Streitmacht konnte die Befestigungsanlagen des französischen Königs erobern und schleifen. Aber man konnte seinen Truppen Nadelstiche versetzen und Tausende seiner Soldaten an einen Ort binden. So war es auch im spanischen Guerrillakrieg gegen Napoleon oder im irischen Unabhängigkeitskrieg im 19. Jahrhundert, im Kampf der französischen Bauern gegen die Armee der Revolution, der sowjetischen Partisanen gegen die Wehrmacht und in den antikolonialen Befreiungskriegen in Afrika und Asien.

Die Guerrilleros kämpften auf eigenem Terrain, sie kannten die Landschaft und verwandelten sich, wenn der Kampf vorüber war, wieder in Bauern. Schon die römischen Legionen mussten sich gegen Angriffe Schwächerer wehren. Als Cäsars Legionen in Britannien einmarschierten, wurden sie von kleinen militärischen Verbänden angegriffen, die ebenso schnell wieder verschwanden, wie sie gekommen waren, den Römern aber empfindliche Verluste beibrachten.

Wer die offene Feldschlacht vermeiden, aber trotzdem siegen will, muss den Gegner zermürben. In allen asymmetrischen Kriegen kommt es für die Schwachen darauf an, dem militärisch überlegenen Gegner auszuweichen und ihn dennoch empfindlich zu schwächen. Partisanen zerstören Brücken und Schienen, attackieren Munitionsdepots und überfallen Garnisonen, wenn sie sicher sein können, nicht mit Gegenwehr rechnen zu müssen. In Afghanistan kommen Selbstmordattentäter zum Einsatz, gegen die kein militärisches Mittel hilft. Was immer Guerrilleros auch tun, sie können nur gewinnen, wenn sie die Bevölkerung entweder auf ihre Seite bringen oder sie unterwerfen.

Sie benötigen Informationen über das Gelände und über den Aufenthaltsort des Gegners, sie müssen versorgt werden, und sie brauchen Verstecke. Und dennoch ist die Rede vom edlen Volkskrieg ein Mythos. Die Guerrilleros kommen nicht ohne Gewalt aus. In Kolumbien töten die Kämpfer der Farc auch Dorfbewohner, um zu demonstrieren, dass die Staatsmacht sie nicht schützen kann. Im Zweiten Weltkrieg töteten und folterten nicht nur die Soldaten der deutschen Sicherungsdivisionen. Auch die sowjetischen Partisanen verbreiteten Furcht und Schrecken, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, sich mit den Feinden einzulassen. In allen asymmetrischen Kriegen müssen Waffen beschafft, Schutzgelder erpresst und Kämpfer entlohnt werden. Nicht aus edlen Motiven, sondern weil es die Aussicht auf Beute und Sicherheit gibt, werden Bauern Partisanen und aus Warlords Gewaltunternehmer.

Was kann der Stärkere tun, um sich gegen den Schwächeren durchzusetzen? Wenig, fast gar nichts. Der Preis, den Armeen für den Sieg über Partisanen zu zahlen haben, ist die Verrohung ihrer Soldaten, schreibt Heuser. Nur wenn sich die Militärführer über Regeln im Kampf gegen die Guerrilla hinwegsetzen, können sie am Ende den Sieg davontragen. Sie müssen zu jenen Kriminellen werden, zu denen sie die Guerrilleros erklärt haben. Heuser beschreibt mehrere Szenarien solcher Auseinandersetzungen. Schon im Mittelalter haben Heerführer versucht, ihre Gegner einzukreisen, sie zu isolieren, Brunnen zu vergiften und Wälder zu roden, um ihnen die Lebensgrundlagen zu rauben. Die Sicherungsdivisionen der Wehrmacht umstellten die Gebiete, in denen sich die Partisanen aufhielten und zerstörten ihre Dörfer, in Vietnam setzte die amerikanische Luftwaffe chemische Entlaubungsmittel ein, um Partisanen sichtbar zu machen. Die Engländer sperrten ihre Gegner während des Burenkrieges in Internierungslager, Lenin ließ Kosaken deportieren und die Familien aufständischer Bauern in Lager einweisen.

Der asymmetrische Krieg wird zu den Bedingungen des Schwächeren geführt: Der Stärkere kann nicht gewinnen, wenn sich die konventionellen Truppen auf den Kleinkrieg nicht einstellen, wenn sie nicht bereit sind, Furcht und Schrecken zu verbreiten und Terror mit Terror zu vergelten. Es dürfte kein Zufall sein, dass die meisten Genozide des zwanzigsten Jahrhunderts aus kleinen Kriegen erwuchsen. Sobald die Kombattanten den Entschluss gefasst haben, die Lebensgrundlagen des Gegners zu zerstören, überschreiten sie die Schwelle zum Vernichtungskrieg. Die Versuchung ist groß, den Krieg durch endgültige Lösungen zu beenden. Wer solche Lösungen nicht will, sollte sich nicht leichtfertig in militärische Auseinandersetzungen begeben, die nur durch gnadenlosen Terror entschieden werden können.

Nicht auf die Beschwörung des Weltfriedens kommt es also an, sondern auf die nüchterne Analyse des Kriegsgeschehens. Für diese nüchterne Analyse der Wirklichkeit müssen wir Beatrice Heuser dankbar sein.

JÖRG BABEROWSKI

Beatrice Heuser: "Rebellen, Partisanen, Guerilleros". Asymmetrische Kriege von der Antike bis heute.

Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2013. 307 S., br., 34,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit großem Interesse hat Rezensent Jörg Baberowski Beatrice Heusers nun unter dem Titel "Rebellen. Partisanen. Guerilleros." erschienenes Buch über asymmetrische Kriege von der Antike bis heute gelesen. Der Kritiker lernt hier, dass Konflikte zwischen starken und schwachen Gegnern schon immer ähnlichen Regeln folgten: Um mächtige Armeen zu besiegen, brachen Schwächere die Regeln, versuchten, den Gegner zu zermürben und führten die Kriege nach den Grundsätzen des Terrors. Baberowski liest etwa, wie sich französische Bauern gegen die Armee der Revolution zur Wehr setzten, sowjetische Partisanen gegen die Wehrmacht oder in Afghanistan immer wieder Selbstmordattentäter eingesetzt werden. Darüber hinaus erfährt der Rezensent, dass der Stärkere den Krieg nur gewinnen kann, wenn er ihn zu den rohen Bedingungen des Schwächeren führt und selbst Terror anwendet. Selten hat der Kritiker eine so brillante und "nüchterne" Analyse des Kriegsgeschehens gelesen.

© Perlentaucher Medien GmbH