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Verständlicher, sachkundiger und kompakter kann man sich über die Katastrophe von 1914 kaum informieren: Gerd Krumeich fasst in diesem Buch den Wissensstand zur Vorgeschichte und zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs zusammen. Der Autor verfolgt die Krisenlage vor 1914, die Eskalation und das Scheitern diplomatischer Lösungsversuche und informiert über den aktuellen Forschungsstand zur immer wieder gestellten Kriegsschuldfrage. 50 Schlüsseldokumente aus nicht leicht zugänglichen Aktenpublikationen werden im Wortlaut abgedruckt und erläutert. So können auch Nicht-Spezialisten die Hauptstränge der…mehr

Produktbeschreibung
Verständlicher, sachkundiger und kompakter kann man sich über die Katastrophe von 1914 kaum informieren: Gerd Krumeich fasst in diesem Buch den Wissensstand zur Vorgeschichte und zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs zusammen. Der Autor verfolgt die Krisenlage vor 1914, die Eskalation und das Scheitern diplomatischer Lösungsversuche und informiert über den aktuellen Forschungsstand zur immer wieder gestellten Kriegsschuldfrage. 50 Schlüsseldokumente aus nicht leicht zugänglichen Aktenpublikationen werden im Wortlaut abgedruckt und erläutert. So können auch Nicht-Spezialisten die Hauptstränge der Ereignisse, die Vorstellungen und Denkhorizonte der damals verantwortlichen Staatsmänner und Militärs nachvollziehen. Niemand von ihnen ahnte oder wollte 1914 den Krieg, wie er 1916 vor Verdun und an der Somme grausame Realität wurde. Insofern lehrt dieses Buch auch, welche unwägbaren Gefahren jeder als begrenzbar gedachte Krieg mit sich bringt.
Autorenporträt
Gerd Krumeich, Prof. Dr., war von 1997 bis 2010 Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist einer der führenden Experten der Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie der Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs. Mitherausgeber der »Enzyklopädie Erster Weltkrieg« bei Schöningh.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2014

Ausgeprägte Zukunftsangst
Kaiserreich und Juli-Krise

Als einer der profundesten Kenner der Geschichte des Ersten Weltkrieges ist Gerd Krumeich momentan ein vielgefragter Mann: wissenschaftlicher Berater für Ausstellungen, Beiträger der Begleitpublikationen, Diskussionsteilnehmer. Zum 100-Jahr-Gedenken tritt er nun mit zwei neuen eigenständigen Werken hervor. "Juli 1914" ist seine Replik auf den Bestseller "Die Schlafwandler". Laut Krumeich geht Christopher Clark beim Sarajevo-Attentat vom 28. Juni 1914 "von einer echten Verstrickung der serbischen Regierung aus, ohne dies aber belegen zu können". Dann versuche er, Wiens Ultimatum vom 23. Juli an Belgrad "herunterzuspielen" durch einen politisch-polemischen Vergleich. Schließlich behaupte Clark, dass "höchstwahrscheinlich" die russische Unterstützung Serbien veranlasst habe, einige Punkte des Ultimatums abzulehnen. Solche Kritik ist elegant in Anmerkungen versteckt.

Berlin betrieb - so Krumeich - eine "äußerst risikobehaftete" Politik, die er auf fatalistisches Denken zurückführt. Deutschland und Österreich-Ungarn würden "am Ausbruch des Krieges die Hauptverantwortung tragen", jedoch hätten sich beide Mittelmächte die darauf folgende "Ausuferung" und die immense Zahl der Opfer nicht vorstellen können: "Nicht Weltmachtambition oder Kalkül imperialer Vorherrschaft waren also die Triebkräfte für die Entscheidungen des Juli 1914, sondern eine ausgeprägte Zukunftsangst." Besonders zu empfehlen ist der Epilog: "100 Jahre Diskussion um die Schuld am Krieg". Hier lobt der Autor vor allem die älteren Forschungen von Pierre Renouvin (1927) und Luigi Albertini (1942/43). Ein Anhang mit fünfzig "Schlüsseldokumenten" rundet die Darstellung ab; störend wirken dabei die in Superlativen schwelgenden und leicht oberlehrerhaft wirkenden Kurzeinführungen zu den Quellen.

Ohne Namen zu nennen, wendet sich Krumeich ebenfalls in dem Bändchen "Der Erste Weltkrieg" gegen einen "neuen Trend der ,Umverteilung' der Kriegsschuld". In der bewährten Reihe "Die 101 wichtigsten Fragen" gibt er Antworten zu sieben Themenkomplexen: Vorkriegszeit und Juli-Krise, große Schlachten, Politik im Krieg, Front und Heimat, Kultur, Technik und Wirtschaft sowie Kriegsende und Kriegsfolgen. Sein Schwerpunkt liegt klar auf Deutschland und Frankreich. Immer wieder stellt Krumeich das "anonyme Massensterben" als das Charakteristische am Weltkrieg heraus, dem damalige Propagandisten schnell Heldenfiguren entgegensetzten. Insgesamt seien die deutschen Feind-Stereotypen "relativ gemäßigt" geblieben: "Hasspropaganda mit ganz ähnlichen Bildern, wie sie die Franzosen und Engländer im Ersten Weltkrieg erfunden hatten, kam in Deutschland erst nach 1918 auf, als Reaktion auf den sogenannten Schandfrieden und vor allem als Reaktion auf die Rheinland- und Ruhrbesetzung 1919 bis 1924."

Krumeich weckt die Neugier des Lesers, wenn er fragt: "Warum war der Papst so unglücklich?" oder "Wer waren die Dicke Berta und der Lange Max?" Seine Einschätzungen sind klar formuliert, etwa zu den Friedensschlüssen. Diese konnten nicht dauerhaft sein, "weil sich die Siegermächte zu Richtern aufschwangen und vor allem die Kriegsschuld nach Belieben verteilten. Das waren sie ihrer Öffentlichkeit schuldig." Durch den "Kriegsschuld-Paragraph" 231 habe aus dem Versailler Vertrag "kein wirklicher Neuanfang in der internationalen Verständigung resultieren" können.

RAINER BLASIUS

Gerd Krumeich: Juli 1914. Eine Bilanz. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014. 362 S., 34,90 [Euro].

Gerd Krumeich: Der Erste Weltkrieg. Die 101 wichtigsten Fragen. Verlag C. H. Beck, München 2014. 155 S., 10,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als angenehm nüchtern bezeichnet Rainer Stephan Gerd Krumeichs Buch über den Juli 1914. Dass der Autor vergleichsweise schlank die Zeit vor dem Kriegsausbruch und gleich auch noch die mächtige Bandbreite publizistischer Interpretationen samt ihrer ausschweifenden Zitierpraxis bilanziert, gefällt Stephan gut. Die insgesamt 50 Schlüsseldokumente, die der Autor dem Leser zur Verfügung stellt, reichen laut Rezensent aus, um den Weg in den Krieg und die mentale Verfasstheit der Akteure nachzuvollziehen. Dass Krumeichs Hauptaugenmerk den individuellen Zügen und Erwartungen gilt, scheint Stephan gleichfalls zu schätzen zu wissen, zumal der Autor es nicht unterlässt, großzügig auf die Arbeiten der Kollegen zu verweisen, wie der Rezensent feststellt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2014

Der Weltkrieg
als Notlösung
Gerd Krumeichs Bilanz zum Kriegsausbruch 1914
Ein großer Krieg produziert auch große Bücher. Und nicht erst dann, wenn er hundert Jahre her ist: Gerd Krumeich weist in seinem Buch über den Juli 1914 auf die schon während des Ersten Weltkriegs einsetzende Flut von Dokumentationen und Studien vor allem zur Vorgeschichte dieses Kriegs hin. Und wenn er anmerkt, im Grunde sei die Quellenbasis seit dieser „allerersten Phase der Aufarbeitung des Juli 14 nahezu dieselbe geblieben“, meint man hinter der Lakonie seiner Feststellung auch so etwas wie sanften Spott über den Gestus der Bedeutungsschwere zu spüren, mit dem die breite Vermarktung des Themas aktuell betrieben wird. Dazu passt, dass bislang mindestens vier der in den letzten Monaten erschienen Bücher den gleichen Titel tragen, „Der Große Krieg“– darunter machen sie’s nicht. Im Vergleich dazu präsentiert sich Krumeichs angenehm schlankes Buch ganz nüchtern: „Juli 1914. Eine Bilanz“.
  Allerdings ist der Titel doppeldeutig: Bilanziert werden hier nicht nur die hektischen Aktivitäten vor dem Kriegsausbruch, sondern auch deren historische und publizistische Interpretationen. Krumeich beschreibt seinen (wie jeden) Bilanzierungsversuch als eine angesichts von einigen zehntausend Veröffentlichungen zum Ersten Weltkrieg paradoxe Aufgabe, zeigt aber andererseits, mit deutlichem Seitenhieb auf die Zitierpraxis der Konkurrenz, wie sich jenes Paradox überwinden lässt: „Die Summa der historiographischen Bemühungen waren die drei Bände des italienischen Journalisten Luigi Albertini, die erst 1952 in englischer Sprache erschienen und seitdem das – oft nicht zugegebene – Daten- und Argumentationsgerüst der Forschung bilden.“ Dem Leser, der jenes Kompendium ja eher nicht im Regal stehen hat, gibt Krumeich sozusagen einen Mini-Albertini zur Hand: Für den Anhang seines Buchs stellte er auf knapp 140 Seiten 50 Schlüsseldokumente zusammen, die den fatalen Weg in den Krieg ebenso erfahrbar machen wie die mentale und intellektuelle Verfasstheit der damaligen Hauptakteure.
  Gerade diesen individuellen Zügen, den Intentionen, Erwartungen, auch der möglicherweise beschränkte Phantasie der im Juli 1914 tonangebenden Staatsmänner und Militärs gilt Krumeichs besonderes Interesse. Auch dabei verweist er auf die Vorarbeiten anderer, so auf den englischen Historiker James Joll und seine schon 1968 gestellte Frage „nach den unspoken assumptions – den Denkvoraussetzungen – jener, die in der Julikrise agiert haben“ und auf die „bahnbrechende“ Arbeit Wolfgang Mommsens über den ,Topos vom unvermeidlichen Krieg‘.“ Wenn es ein „Vermächtnis“ seines Lehrers und Freundes Mommsen gebe, „das ich in diesem Buch weitertragen möchte, dann ist es die These, dass diejenigen, die im Juli 1914 handelten, bei allen düsteren Vorahnungen doch keine Vorstellung davon hatten, wie sich der Krieg in kurzer Frist entwickeln sollte.“ Damit scheint Krumeich dem Bild sehr nahe zu kommen, das Christopher Clark schon im Titel seiner Darstellung des Kriegsausbruchs entwirft: „Die Schlafwandler.“ Nur, wenn Schlafwandler agieren – welchen Sinn macht es dann noch, in Kategorien wie vermeidbar zu denken? Oder gar, nach Schuld und Verantwortung zu fragen?
  Nun sind Krumeich und, cum grano salis, auch Clark weit entfernt von der Behauptung, die Nationen und ihre Anführer seien damals mehr oder weniges aus Versehen in den Krieg hineingestolpert, weswegen die Frage nach der Schuld am Kriegsausbruch letzten Endes gar nicht gestellt werden dürfe. Der Verdacht liegt dennoch nahe, dass Clarks Buch auch deswegen seit Monaten auf der Bestsellerliste steht, weil es die Deutschen endgültig vom Vorwurf der alleinigen Kriegsschuld befreit, der ja nicht nur 1918 im Vertrag von Versailles fixiert worden war, sondern den auch der Historiker Fritz Fischer 1961 in seinem Buch „Griff nach der Weltmacht“ erhob.
  1961: Das Datum, so Krumeich, spielt durchaus eine Rolle: „Es war die Zeit der Auschwitz-Prozesse, und die jungen Menschen von damals ließen sich nicht mit der Betriebsunfall-These abspeisen. Eine Analyse von Verantwortlichkeiten und Kontinuitäten war gefragt, weil es ja noch galt, acht zu geben, damit sich die Barbarei nicht wiederhole.“ Diesen jungen Leuten gegenüber standen viele noch lebende Zeitgenossen des Ersten Weltkriegs, denen es „darum ging, ihre Erinnerung an die ,Große Zeit‘, an Opferbereitschaft und Enthusiasmus des August 1914 zu bewahren.“
  Anders gesagt: Der Eklat, den Fritz Fischer auslöste, steht im Kontext jener moralischen Sicht auf die Politik, die dann in die 68er-Bewegung einmündete. In der wissenschaftlichen Welt gilt der Streit um Fischers These vom deutschen Kaiserreich als weltmachtbegierigem Aggressor längst als überwunden. Doch nach wie vor beunruhigend wirkt die Frage, ob es überhaupt moralische Politik geben kann, oder wie Politik sonst ihrer Verantwortung gerecht werden könnte. Eben dieser Frage nähert sich Krumeich, indem er ein besonderes Augenmerk auf die Bemühungen wirft, den nach Sarajewo nicht mehr beizulegenden österreichisch-serbischen Konflikt zu lokalisieren, das heißt – inzwischen denkt man als Leser natürlich an die Ukraine – zu verhindern, dass ein regionaler Konflikt zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den über Bündnissysteme involvierten Großmächten führt.
  Es gab damals eine Reihe solcher Lokalisierungsbemühungen, vor allem auf deutscher Seite. Nur, auch solche Bemühungen waren selbstverständlich interessegeleitet: Von einem militärischen Sieg Österreichs über Serbien hätte letztendlich Deutschland profitiert. Scheitern aber, und das zeigt Krumeich deutlich, musste die Lokalisierungspolitik schon deswegen, weil sie den Krieg als ultima ratio, als Notlösung, eben nicht ausschloss. Dass es weniger Weltmachtstreben als vielmehr die Angst vor einem militärisch immer stärkenden Russland war, aus der sich die deutsche Position – „Wenn schon Krieg, dann lieber jetzt als später!“ – speiste, macht die Frage keineswegs überflüssig, ob sich eine dieser Losung folgende Politik verantwortbar war. Krumeichs Buch lässt keinen Zweifel: Sie war es nicht.
RAINER STEPHAN
Gerd Krumeich: Juli 1914. Eine Bilanz. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014. 362 S.. 24,90 Euro.
Wenn „Schlafwandler“ agieren –
kann man dann noch von
Schuld und Verantwortung reden?
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