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Künstlichkeit ist ein Symptom des technischen Fortschritts, dem sich kein Bereich entziehen kann. Geiers Buch ist eine Reise durch künstliche Welten, wie sie sich im Mythos, in der Literatur und in der Wissenschaft zeigen. Sie beginnt mit Pandora, der ersten künstlichen Frau, und endet bei den Visionen eines körperlosen Lebens im digitalisierten Cyberspace.

Produktbeschreibung
Künstlichkeit ist ein Symptom des technischen Fortschritts, dem sich kein Bereich entziehen kann. Geiers Buch ist eine Reise durch künstliche Welten, wie sie sich im Mythos, in der Literatur und in der Wissenschaft zeigen. Sie beginnt mit Pandora, der ersten künstlichen Frau, und endet bei den Visionen eines körperlosen Lebens im digitalisierten Cyberspace.
Autorenporträt
Geier, ManfredManfred Geier, geboren 1943 in Troppau, studierte Germanistik, Philosophie und Politik in Frankfurt/Main, Berlin und Marburg. Er lehrte viele Jahre Sprach- und Literaturwissenschaften an den Universitäten Marburg und Hannover. Jetzt lebt Manfred Geier als freier Publizist in Hamburg. Buchpublikationen, u.a.: Das Sprachspiel der Philosophen. Reinbek 1989; Der Wiener Kreis. Reinbek 1992; Karl Popper. Reinbek 1994; Das Glück der Gleichgültigen. Reinbek 1997; Orientierung Linguistik. Reinbek 1998; Fake. Leben in künstlichen Welten. Reinbek 1999; Kants Welt. Reinbek 2003; Martin Heidegger. Reinbek 2005; Worüber kluge Menschen lachen. Reinbek 2006; Was konnte Kant, was ich nicht kann? Reinbek 2006; Die Brüder Humboldt. Reinbek 2009; Aufklärung. Das europäische Projekt. Reinbek 2012; Geistesblitze. Eine andere Geschichte der Philosophie. Reinbek 2013; Leibniz oder Die beste der möglichen Welten. Reinbek 2016 (als E-Book); Wittgenstein und Heidegger. Die letzten Philos

ophen. Reinbek 2017.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ulrich Wanner zeigt sich recht angetan von diesem Buch und bescheinigt dem Autor bei seiner Darstellung durchaus die gelungene Verbindung von "definitorischem Schafsinn mit stilistischer Eleganz". Besonders gefällt dem Rezensenten der Facettenreichtum der Buchs, in dem sowohl kulturhistorische als auch literaturwissenschaftliche Überlegungen des Autors zur "Vision eines körperlosen Lebens" und künstlicher Intelligenz angestellt werden. Ob Rousseau, Kybernetik oder Genomik: Wanner sieht den "monströsen Stoff" hier blendend bewältigt und hebt dabei vor allem die auch für Laien gute Lesbarkeit des Buchs hervor. Fast spielerisch und beiläufig werde der Leser in die bisweilen komplizierten Themen eingeführt, was nach Ansicht Wanners vor allem deshalb gelingt, weil der Autor die wissenschaftlichen Themen immer wieder mit beispielsweise "erfolgreichen Filmen und Romanen der Science-fiction" in Verbindung bringt. Auch von der Bebilderung des Bandes zeigt sich Wanner begeistert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2000

Rousseaus Rosenmontagsrummel
Die säkulare Session: Für Manfred Geier ist die Welt ein Maskenfest

"Mechanisierung" nannten um 1900 die von apokalyptischen Kulturängsten geplagten Zivilisationskritiker die Versachlichung und Industrialisierung der Lebensverhältnisse. Diese Vokabel war ein terminologischer Fixpunkt, der, wie alle Erkenntnis in Krisenlagen, beruhigte. Für die eskalierende technologische Wandlungskrise der neuen Jahrhundertwende ist ein vergleichbar griffiges Wortkonzentrat noch nicht gefunden. Dem Begriff des Virtuellen, der die Folgen der neuen Simulationstechniken fassen soll, eignet die Aura eines mobilisierenden Erkenntnisblitzes nicht.

Neuerdings sucht das aus Amerika geborgte Wort "Fake" europäischen Boden zu gewinnen. Fake, ein Bastard aus factitious (künstlich), factual (tatsächlich) und fictitious (erfunden), bündelt alle Phänomene kultureller Künstlichkeit, sofern sie den Unterschied zwischen dem Natürlichen und dem Konstruierten verwischen. Fake steht für totaltechnische Vergeistigung in allen Sphären der Simulationsgesellschaft.

Es ist eher unwahrscheinlich, daß Fake die Weihe eines neuen Orientierungswortes erlangt. Neben seiner gossenhaften Häßlichkeit fehlt ihm die Randschärfe, eben weil es gar zu viele Komponenten vermanscht. Aber gerade deshalb ist es ein taugliches Reiz- und Codewort, mit dem sich die irrlichternden Phänomene der kulturellen Künstlichkeit anpeilen lassen. Dazu nutzt es denn auch der Literaturwissenschaftler Manfred Geier in einem Buch, das den Titel "Fake" trägt und vielseitige Blicke auf die gerade zu sich kommende Epoche der Entsinnlichung und Anschauungsentmächtigung wirft. Geier hat mit einem Band über alte und neue Varianten stoischer Strategien zum Erwerb von Seelenruhe ("Das Glück der Gleichgültigen", 1997) gezeigt, daß er definitorischen Scharfsinn mit stilistischer Eleganz zu verbinden weiß.

In "Fake" stellt er diese Gabe neuerlich unter Beweis. Das kleine Buch ist, obwohl straff gegliedert, pointillistisch gebaut, wechselt zwischen kulturgeschichtlichen Betrachtungen und literaturwissenschaftlich erhellten Science-fiction-Präsentationen, blickt von Fall zu Fall durch die Begriffsokulare der Philosophie und mündet schließlich in eine die Konfliktlagen herausarbeitende Überschau der einschlägigen wissenschaftlichen Problemfelder. Das alles ist aber nicht zusammengepfropft und ins Belieben gestellt, sondern fügt sich zu einem Grundkurs über Sein und Schein in den zur Schöpfungsmacht greifenden Wissenschaften der Kybernetik und Genom-Biochemie. Die Stoffmassen sind monströs, denn es lassen sich die europäischen Zivilisationen durchaus entziffern als eine immer rigoroser gesteigerte Eskalation der Kopfgeburten, der schließlich ins Totale drängenden Umwandlungen von Natur in Kultur, von Natürlichkeit in Künstlichkeit. In dieser Lesart ist Europa die Wiege der Weltverwandlung in eine jedenfalls versuchte Fiktionsgestalt, deren Vision ein körperloses Leben ist.

Auf solche Kulturmorphologie zielt Geier ausdrücklich nicht ab. Aber er reiht in kulturhistorischer Perspektive scharf belichtete Fiktionsfälle aneinander, die jeweils exemplarisch vorzeigen, wie heftig es den europäischen Geist von früh an dazu trieb, den aus Fleisch und Blut geschaffenen Menschen ins Maschinelle und Simultane umzuwandeln. Schon im Mythos will sich der frühe Hochkulturmensch verdoppeln. Seit Descartes' Automatentheorie wurde das Mechanische dem Leben untergeschoben.

Geiers erkenntnisleitender Gedanke ist es, daß der Mensch von vorneherein und unabänderlich gedoppelt zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit ist. Die Spannung zwischen Selbst und Maske ist das Drama seines Erdengangs. In einem delikaten Kapitel über Rousseaus "Maskierte Sexualität" wird vorgeführt, wie das Ausstreichen der Künstlichkeit zugunsten einer puren Natürlichkeit in die Selbstverfälschung der Existenz führt. Und umgekehrt: Der heutige wissenschaftlich-technische Titanismus, der zuerst die Grenze zwischen Gegebenheit und Erfindung verwischt, dann die Natur aus der Optik der Konstruktion deutet und schließlich mit den Gestalten der Berechnung die Naturverhältnisse auflösen will, betrügt sich nicht minder über die Doppelnatur des Menschen.

Diese kritische Perspektive drängt Geier aber keineswegs auf, er läßt sie verhalten mitgehen und sich aus den Modellbeispielen wie von selbst entfalten. Auch darin ist das Buch leserfreundlich, daß es ein fast populistisches Verfahren des Zugangs zu komplexen Feldern der kybernetischen und biochemischen Wissenschaften wählt, denen es letztlich um die Schöpfung "künstlicher Intelligenz" und um Lebensverfügung geht: Vor den Themenblöcken läßt es, in pointierten Porträts, erfolgreiche Filme und Romane der Science-fiction paradieren, die den Leser in eine Schräglage zwischen Animation und Fachsimpelei bringen und ihn so mit Raffinesse auf anspruchsvolle Fachinformation einstimmen.

Geier wendet sich gegen fundamentalistische Wissenschaftsstürmerei und wirbt für die altkritische Haltung der wägenden Unterscheidung; der rousseauistische Protest eines Natürlichkeitskults ist ein anthropologischer Irrgang. Umgekehrt droht Gefahr durch die Neigung der Künstlichkeitswissenschaftler, die Grenzen zwischen "Als ob" und "Es ist", zwischen dem Double und dem Original zu verwischen: Weil die Simulationserfinder Imaginationen und Modellentwürfe in technische Realitäten überführen, sind sie in Versuchung, das "Als ob", die Fiktion für neue Weltwirklichkeit zu halten. Gegen Dämonisierung setzt Geier jene schöpferische Skepsis, die Jacob Burckhardt dereinst gegen die entleerende Skepsis der Indifferenz anempfahl.

Weil der Autor selber mit Geschick im effektvoll bebilderten Buch mit medialen Tricks und Imaginationen zu stimulieren weiß, gibt er dem willigen Leser nebenbei eine Lektion darüber, daß das Künstliche ja auch schon im scheinbar alt gewordenen Medium des Buchs eine geistige Weltmacht war. Gerade für den interessierten Laien ist "Fake" eine stimulierende Einführung in das neue Epochenphänomen der künstlichen Welten, die das Saloppe mit dem Prägnanten, das Demonstrative mit dem Kritischen, das Unterhaltende mit dem Anspruchsvollen paart.

ULRICH WANNER

Manfred Geier: "Fake". Leben in künstlichen Welten. Mythos - Literatur - Wissenschaft. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999. 312 S., br., 22,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein kluger Führer, ein Buch zur Zeit. Die Welt