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Jürgen Habermas bietet das fast singuläre Bild eines streitbaren Intellektuellen, der das Glück hat, Wirkung und Anerkennung im In- und Ausland als Philosoph und engagierter Staatsbürger zu erfahren. Seit Jahrzehnten ist der _Theoretiker des kommunikativen Handelns_ eine wichtige Stimme in vielen wissenschaftlichen und politischen Kontroversen.

Produktbeschreibung
Jürgen Habermas bietet das fast singuläre Bild eines streitbaren Intellektuellen, der das Glück hat, Wirkung und Anerkennung im In- und Ausland als Philosoph und engagierter Staatsbürger zu erfahren. Seit Jahrzehnten ist der _Theoretiker des kommunikativen Handelns_ eine wichtige Stimme in vielen wissenschaftlichen und politischen Kontroversen.
Autorenporträt
Wiggershaus, RolfRolf Wiggershaus, geboren 1944 in Wuppertal. Studium der Philosophie, Soziologie und Germanistik in Tübingen und Frankfurt am Main. Promotion 1974. Seit den 1970er Jahren als Philosoph, Publizist und Dozent tätig. Lebt bei Frankfurt/Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.06.2004

Fünffaltigkeit
Jürgen Habermas in einer Biographie von Rolf Wiggershaus
Wer - wie Jürgen Habermas - dem „Projekt der Moderne” verschrieben ist, also nach der in der bürgerlichen Gesellschaft wirklichen und möglichen Vernunft fragt, muss einen ausgeprägtenSinn für die Bedeutung wie den Wert von Differenzierungen entwickeln. Sowohl dafür, dass Unterscheidungen für unser gesellschaftliches Sein unabdingbar sind, wie dafür, dass sie mitunter schwer zu ertragende, zivilisierende Zumutungen darstellen. Auch in eigener Sache macht Habermas eine solche Zumutung geltend.
Was namentlich seine öffentliche Rolle als Intellektueller betrifft, so lag ihm stets daran, mindestens fünf Facetten voneinander unterschieden zu wissen. Er ist publizistisch tätig, treibt Philosophie, forscht wissenschaftlich, lehrt an Hochschulen und ist als Bürger der Bundesrepublik zudem politisch aktiv. „Was mich entsetzlich ärgert”, hat der heute in Starnberg lebende Emeritus einmal gesagt, „was mich trifft, sind die Aggressionen von Leuten, die bei mir diese Rollendifferenzierung nicht sehen, geschweige denn respektieren, und alles durcheinander rühren.”
Dieser Satz, so könnte man meinen, war zukünftigen Biografen ins Stammbuch geschrieben, zumal in seiner Verbindung mit einem zweiten Bekenntnis, das Habermas im selben Gespräch formuliert: „Ich möchte jede dieser Rollen so spielen, dass die jeweils anderen gleichzeitig sichtbar bleiben.” Zusammen genommen beschreiben beideÄußerungendie sicherlich anspruchsvolle, wenn nicht paradoxe Aufgabe einer Habermas-Biografie: das Leben des Philosophen, Wissenschaftlers, Akademikers, Publizisten und Bürgers wäre so darzustellen, dass die Einheit in der Differenz seiner verschiedener Rollenidentitäten sichtbar würde.
Freund der Debatte
Natürlich hat Rolf Wiggershaus, ausgewiesen durch einschlägige Veröffentlichungen über die Geschichte der Kritischen Theorie, diese Biografie nicht geschrieben. Dazu bietet das Genre einer rororo-Monographie einfach nicht den Raum. So vertraut der Autor den zugänglichen Selbstzeugnissen und einer Chronologie, die sich für Wiggershaus aus den großen bundesrepublikanischen Debatten seit dem Ende der fünfziger Jahre und der Sequenz der Hauptwerke ergibt: „Strukturwandel der Öffentlichkeit” (1962), „Erkenntnis und Interesse” (1968), „Theorie des kommunikativen Handelns” (1981) und „Faktizität und Geltung” (1992). Es handelt sich im Kern also um eine komprimierte Werkbiografie, die interessierten Lesern eine notgedrungen grobe, alles in allem jedoch zuverlässige Vorstellung von dem Parcours vermittelt, den der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas bisher absolviert hat.
Wiggershaus deutet die Entwicklung von Habermas’ Werk nach einem ziemlich einfachen Schema. Einer ersten Phase, die der aneignenden Rekonstruktion Kritischer Theorie dient, folgt eine zweite, in der insbesondere demokratietheoretische Defizite des Frankfurter Neomarxismus, wie sie die Rekonstruktion diagnostiziert hatte, beseitigt werden. Es mag theoretischen Affinitäten von Wiggershaus geschuldet sein, dass sich sein Augenmerk vor allem auf die formative Periode der Theoriebildung Habermas’ konzentriert.
Die Zäsur zwischen beiden Phasen bildet Wiggershaus zufolge der Tod Theodor W. Adornos, des intellektuellen Mentors, im Sommer 1969. Die Studentenunruhen klingen ab und Habermas verlässt die Frankfurter Universität, um Kodirektor des zusammen mit Carl Friedrich von Weizsäcker in Starnberg geführten „Max-Planck Institutes zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt” zu werden. Vorgeschaltet sind zwei kurze Kapitel, die den im Juli 1929 in Düsseldorf geborenen, zukünftigen Philosophen als „Produkt der ‚reeducation’”und als politisch interessierten Studenten vorstellen, der sein Studium nach Stationen in Göttingen und Zürich mit einer bei Erich Rothacker in Bonn eingereichten Dissertation über Schelling abschließt. Den Abspann bilden kursorisch gehaltene Bemerkungen zu zeithistorischenStarnberger Interventionen aus der allerjüngsten Vergangenheit. Dort begegnet Habermas als europäischer Weltbürger, der sich wirkungsvoll in die Debatte zur Gentechnik einschaltet, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels mit einer viel beachteten Rede zum Verhältnis von Glauben und Wissen entgegennimmt, der, zusammen mit befreundeten Intellektuellen, europäisches Selbstbewusstsein gegenüber der Hegemonialpolitik der Vereinigten Staaten einklagt und Vortragsreisen in den Iran, nach Südkorea und China unternimmt.
So kann ein Leben erzählt werden, das sich in ungeheurer Disziplinierung ganz von der Erledigung jenerAufgaben hat konsumieren lassen, die entweder der geistespolitische Tag oder die ihrer eigenen Sachlogik gehorchende Arbeit des Begriffes gestellt haben. Und am Ende ist es die Biografie einer Institution, die sich bei allen Anfeindungen große internationale Anerkennung erworben hat. In ihr sind Zufall wie Leidenschaft freilich getilgt, und Beirrungen scheinen nur Widerstände gewesen zu sein, die spätere Einsichten glücklich überwinden. Auch treten motivierende Impulse und quälende Fragen - wenn überhaupt - so in der bereits geläuterten, dann aber auch erkalteten Gestalt auf, die sie schließlich in der von größter synthetischer Kraft zeugenden Architektur einer Kommunikationstheorie des Sozialen angenommen haben. Jürgen Habermas wird wenig Grund haben, sich über das biografische Porträt zu ärgern, allerdings steht auf einem anderen Blatt, ob er seine Lebensgeschichte in ihm wieder erkennt.
MARTIN BAUER
ROLF WIGGERSHAUS: Jürgen Habermas. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2004. 160 Seiten, 8,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Hilal Sezgin ist voll des Lobes für die erste Lebensdarstellung von Jürgen Habermas, die Rolf Wiggershaus hiermit nun wenige Wochen vor Habermas' 75. Geburtstag vorgelegt hat. "Präzise, weder zu ausschweifend noch zu knapp", mache Wiggershaus Habermas' philosophische Entwicklung anhand seiner Inhalte und Werke deutlich. Besonders erhellend fand die Rezensentin den Blick auf die Anfangsjahre und deren politisches und philosophisches Klima. Bisweilen, so Sezgin, gewinne man den Eindruck, Habermas´ Dankbarkeit für die Demokratie, die nach 45 in Deutschland installiert wurde, sei "die treibende Kraft" hinter seinem politischem Denken. Den einzigen Einwand, den die Rezensentin gegen dieses "kundige Buch" gelten lassen möchte, ist "geschmäcklerischer Natur": Die Form der rowohlt-Monografie müsse man mögen, oder man werde "ewig damit kämpfen". Und der Autor jedenfalls könne ja nichts dafür, dass hier, so Sezgin, "die Syntax jedes dritten Satzes auf das Bruchstück eines kursiv gesetzten wörtlichen Zitates Rücksicht zu nehmen hat".

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