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Ein Partykeller in der Reihenhaussiedlung. Vier Jungs, die Bierpong spielen. Dann der durchgeknallte Einfall: Einer von ihnen wird sich für den Rest der Nacht als Mädchen verkleiden. Und so ziehen sie los - ins ChackaBum!, in die Disco am Stadtrand. Und Miguel, der nun Miguela ist, freundet sich in seiner neuen Rolle mit dem Jungsschwarm seiner Schule an: Candy. Ihr Fast-Ex sorgt schließlich dafür, dass eine scheinbar lustige Idee völlig außer Kontrolle gerät ...

Produktbeschreibung
Ein Partykeller in der Reihenhaussiedlung. Vier Jungs, die Bierpong spielen. Dann der durchgeknallte Einfall: Einer von ihnen wird sich für den Rest der Nacht als Mädchen verkleiden. Und so ziehen sie los - ins ChackaBum!, in die Disco am Stadtrand. Und Miguel, der nun Miguela ist, freundet sich in seiner neuen Rolle mit dem Jungsschwarm seiner Schule an: Candy. Ihr Fast-Ex sorgt schließlich dafür, dass eine scheinbar lustige Idee völlig außer Kontrolle gerät ...
Autorenporträt
Mohl, NilsNils Mohl, geboren 1971, lebt und arbeitet in Hamburg. Für seinen Roman «Es war einmal Indianerland» wurde er u. a. mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis und mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2014

Glück, das ist der Augenblick davor

Als Fünfzehnjähriger in die Disco, das ist ein Abenteuer. Nils Mohl takelt seinen Helden noch dazu als Mädchen auf. Und lässt ihn einiges erkennen.

Von Fridtjof Küchemann

Das wird böse enden: Wer Nils Mohls neuen Jugendroman "Mogel" liest, fürchtet das von der ersten Seite an. Da steht der fünfzehn Jahre alte Miguel, von der Schwester eines Freundes aufwendig als Mädchen aufgetakelt, am Samstagabend mit dem Auftrag, Bier zu besorgen, in der Tankstelle, und "der notgeile Spaten hinterm Tresen schielt" ihm auf den Hintern. Miguel wird auffliegen, so viel ist klar, und das wird die Geschichte sein: Jetzt gleich beim Bierholen, spätestens als auch noch dieser Sportwagentyp, den alle Hengst nennen, hereinkommt, im Schlepptau das schönste Mädchen der ganzen Schule. Allerspätestens, als seine drei ungleichen Freunde Miguels Strafe dafür, dass es im Partykeller seiner Eltern nur alkoholfreies Bier gibt, kurzerhand bis Mitternacht und um einen Besuch in der nächsten Disco ausweiten, immer noch als Miguela.

Hier, im Chakabum, entkommt das falsche Mädchen nicht nur mit knapper Not und der Hilfe von Hengst einem Flirtversuch, sondern wird als Nächstes von seinem Retter in ein tiefsinniges Gespräch verwickelt und anschließend von Candy, seiner Begleitung, darüber informiert, bei Henning handele es sich um ihren Fast-Ex. Ein dunkles Geheimnis hält die beiden gegen den Willen des Mädchens zusammen, einen Mädchenklobesuch und Drink später erfährt Miguela auch, worum es geht: um Nacktaufnahmen, die Henning von Candy gemacht hat und mit deren Veröffentlichung er droht. Wie die beiden auf die Idee kommen, das derart erpresste Mädchen retten zu können, indem das falsche Mädchen einfach mit den beiden mitgeht, muss niemand nachvollziehen können. Jedenfalls gewinnt die Geschichte an Fahrt, als die drei in Hennings zum Nacktfotoatelier ausgebauten Schrebergartenhäuschen landen und Miguela sich freimachen soll.

Dass sie nicht nur ihre Haut und sogar ihr Geheimnis retten kann, sondern dazu auch noch die neugewonnene Freundin Candy, ist das eine in dieser schnellen Geschichte mit Witz, die jugendsprachlich in die Vollen geht und sich das heikle Thema Nacktfotoerpressung vorgenommen hat. Das andere ist der Raum, den Nils Mohl seinem Ich-Erzähler aller dicken Backen und dicken Hosen zum Trotz für die eine oder andere Einsicht lässt: Wie prosaisch auf dem Mädchenklo über das gesprochen wird, was Jungen sprachlos macht. Was Mädchen wohl an Jungen gefällt, nebst der überraschenden Erkenntnis, dass Miguel diese Frage bislang noch nie gekommen war. Dass es sich gar nicht mal nur komisch anfühlt, von einem Jungen angegraben zu werden, wenn der das richtig macht. Und dass - eine mütterliche Weisheit, wie Miguel zugibt - Glück immer der Moment davor sei: bevor sich Pläne, Erwartungen oder Träume erfüllen.

Das Glück in Nils Mohls drittem Jugendroman sind die Momente dazwischen, die Gelegenheiten, bei denen der 42 Jahre alte, im Hamburger Problemstadtteil Jenfeld aufgewachsene Autor seinem Helden gestattet, über sich hinauszuwachsen, über sich selbst und das Gehabe der anderen Jugendlichen in diesem Roman, der diesem Gehabe vielleicht sogar der Zwischenräume wegen zuweilen strapaziös viel Raum gibt. Vielleicht ist nämlich das Bier im Partykeller gar nicht das eigentliche Problem, das seine Freunde aufbringt, sondern der Umstand, dass es neuerdings überhaupt einen Partykeller gibt in Miguels Leben. Eine Erbschaft nämlich hat Miguels Eltern ermöglicht, aus den Plattenbautürmen am Stadtrand in ein Reihenhaus zu ziehen: "Stadtrand und Vorstadt", fasst der Erzähler bündig zusammen, "liegen nur einen Steinwurf weit auseinander, es trennen sie Welten." Auf einmal ist Miguel etwas Besseres. Dabei war er auch vorher schon etwas Besseres, aus dem Südturm, auf dem Gymnasium.

Fein zeichnet Nils Mohl, wie sich die drei Freunde um eine Balance bemühen zwischen Neidgefühlen, cool ausgestellter Abfälligkeit und der tiefen Überzeugung, Miguel könne schließlich nichts dafür. Wie sich diese vier überhaupt miteinander arrangieren, die Schwächen der anderen kennen, oft decken und manches Mal verzeihen, die Aussetzer wieder einfangen und letztlich doch die Grenzen respektieren, auch wenn es ihnen, könnte man meinen, um nichts anderes geht, als diese Grenzen zu verletzen. Was er an seinen Eltern mag. Dass er überhaupt etwas an seinen Eltern mag, mit fünfzehn.

Das liest sich stark, es bleibt allen sprachlichen Kraftakten zum Trotz glaubwürdig und wirkt vielleicht auch nur deshalb nicht aufdringlich, weil die pubertären Posen ein Gegengewicht bieten. Für dieses Wechselspiel kann man dem Autor einiges verzeihen: dass er seine vier Freunde doch als Typen recht eindimensional angelegt hat. Und dass Nils Mohl kein Ende findet in seiner Geschichte. Keines, nach dem es im Kopf seiner Leser noch weitergehen würde mit den Fragen, die sich durch seinen Roman ziehen. Oder wenigstens mit der Sorge, dass Miguela doch noch auffliegt.

Nils Mohl: "Mogel". Roman.

Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2014. 207 S., br., 9,99 [Euro].

Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als großes Buddy-Abenteuer beschreibt Fritz Göttler diese Geschichte um eine Vierer-Combo, die sich mit den typischen Problemen der Jugend, mit Alkohol und Identität, recht unerquicklich herumschlägt: Weil Miguel mit seinen Eltern aus der Wohnsiedlung auszieht, wollen ihn die anderen zur Strafe in Mädchenkleidern an die Tanke schicken, und natürlich wird viel geredet über Dingdongs, Pussybier und ChuckaBum. Göttler erhebt keine Einwände, er sieht hier von Freundschaft, sozialer Abgrenzung und Travestie erzählt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2015

Travestie in der Tanke
Pussybier geht natürlich gar nicht. Deshalb muss Miguel richtiges Bier heranschaffen für seine Freunde,
und zwar in flotter Mädchenverkleidung. Nils Mohls „Mogel“ ist großes Buddy-Abenteuer
VON FRITZ GÖTTLER
Mona und Lisa sollen die zwei Dinger heißen, die Miguel durch diese Samstagnacht begleiten werden, die er ausnahmsweise als Miguela verbringen muss, auf einer improvisierten Travestietour, von der so plastisch und fantasievoll wie gelassen berichtet wird. Das sei eben so, wird ihm bedeutet, Frauen geben ihnen immer Namen, ihren Dingdongs, ihren Hupen.
  Begonnen hat der ganze Spaß mit dem Pussybier, das die Jungs haufenweise in sich hineinschütteten, im Partykeller von Miguels Eltern. Das Pussybier kam beim Bierpong zum Einsatz, einem flotten Spiel- und Saufwettbewerb, den die vier ab und zu durchziehen – Silvester und Miguel, Dimi und Flo, die verschworene Combo aus den Nord- und Südtürmen, den großen Wohnblocks – regelmäßig durchziehen, voll engagiert mit Pingpongbällen und mit Bechern voller Bier. Eine Menge Becher werden geleert, und keiner merkt, dass es Pussybier ist, das sie da in sich hineinschütten. „Alkoholfreies! Du hast den Schuss wohl nicht gehört, wie?! Al. Ko. Hol. Frei. Es. Bier!“ Ja, es gibt keinen Alkohol im Haus von Miguels Eltern, die Mutter hatte Alkoholprobleme, nachdem sie ein zweites Kind vor der Geburt verloren hatte . . .
  Richtiges Bier muss also her, und Miguel muss es besorgen, in der Tanke 2 ums Eck. Kein Pussybier, kein Mogelbier. Pussys tragen gerne Röcke, konstatiert Silvester beiläufig, und schon ist es beschlossene Sache, Miguel wird das Bier in Mädchenverkleidung besorgen. Eine Suffidee, die mit der Ernsthaftigkeit und Konsequenz realisiert wird, die nur Suffideen haben können. „ Ist es ein Rätsel, dass ich nicht protestiere? Ich suche ein paar Sachen von meiner Mutter zusammen. Ich stehe vor ihrem Schrank – im Kopf all das was war und ist.“
  Nils Mohl erzählt eine klassische Buddy-Geschichte, von einer echten Freundschaft, die im Zustand der absoluten Unbefangenheit und Unschuld ist. Die Freundschaft der Combo befindet sich gerade an einem kritischen Punkt, Miguels Familie ist eben in eine Reihenhaussiedlung umgezogen, Miguel steht unter Verdacht der Abtrünnigkeit, der sozialen Distanzierung: „Jetzt, wo du nicht mehr zum Ramsch der Welt gehörst, den man wie uns in . . . schnieke Betontürme pfercht.“ Im Spiel werden von der Combo, immer aufs Neue, die sozialen Konflikte durchgearbeitet.
  Es ist keine Spur von Schlüpfrigkeit in dem Pussy- und Transgender-Projekt, nur die fröhliche, absurde Erregung eines echten Abenteuers. Das mit den Kleidern der Mutter funktioniert natürlich gar nicht, also werden Silvesters Schwester Kitty und deren Freundin Domino herbeigeholt, um Miguel aufzutakeln. Schienbeine rasieren, das Haar bürsten, wie man es bei Puppen macht, geschminkter Mund, Netzstrumpfhose, Ohrclips, Armbanduhr mit Glitzerziffernblatt. Voller Glamour. „Bin ich das? Bin das wirklich noch ich ?“ Ich sein, Identität finden und behaupten, das sind Probleme, mit denen der Jugend die Freiheit ausgetrieben wird. In der Tanke taucht dann Candy auf, das Mädchen aus der Klasse über der Miguels, mit Petit-Four-Appetit „erektionswürdig, echt“. Aber Candy ist nicht allein, Hengst begleitet sie. Deshalb endet die Travestie auch nicht so schnell, geht es in die Disco weiter, ins „ChackaBum!“ . . .
  Auch Mona Lisa taucht wieder auf, bei Tante Raquel, das verrückte Element der Familie. „Tante Raquel fuhr nämlich total auf Malen-nach-Zahlen ab. Das war ihr Hobby, sie malte Klassiker der Kunstgeschichte nach.“ Ihre Mona Lisa, die schönste Frau der Welt, hängt auf dem Klo. Die Tante hat ihr einen Schnurrbart drauftravestiert, „mit kringeligen Zwirbelenden“.
Nils Mohl: Mogel. Roman. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2014. 202 Seiten, 9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Der Hamburger Schriftsteller Nils Mohl schreibt auf wunderbar dichte und sprachgewandte Weise von der Zeit der Jugend. NDR Kultur