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Er steht für die unbeschreibliche Leichtigkeit des Fußballs wie sonst kaum einer. Günter Netzer, der blonde Spielmacher mit den großen Füßen, der wehenden Mähne und der Vorliebe für schnelle Autos, wurde schon als Aktiver zum Mythos - eine strahlende Symbolfigur für den besten Fußball, der je in Deutschland gespielt wurde. Auch danach blieb er Vorreiter: Als einer der ersten Sportler managte er einen Proficlub, und ebenfalls als einer der ersten wurde er zum erfolgreichen Unternehmer - heute ist er einer der wichtigsten Männer im Weltfußball. Spielmacher, Fußballphilosoph, Geschäftsmann -…mehr

Produktbeschreibung
Er steht für die unbeschreibliche Leichtigkeit des Fußballs wie sonst kaum einer. Günter Netzer, der blonde Spielmacher mit den großen Füßen, der wehenden Mähne und der Vorliebe für schnelle Autos, wurde schon als Aktiver zum Mythos - eine strahlende Symbolfigur für den besten Fußball, der je in Deutschland gespielt wurde. Auch danach blieb er Vorreiter: Als einer der ersten Sportler managte er einen Proficlub, und ebenfalls als einer der ersten wurde er zum erfolgreichen Unternehmer - heute ist er einer der wichtigsten Männer im Weltfußball.
Spielmacher, Fußballphilosoph, Geschäftsmann - jeder kennt ihn, und doch wissen nur wenige, wie er wirklich ist. Was ihn prägte, welche Menschen ihm wichtig sind, wie er über den Fußball und das Business denkt. Jetzt erzählt Günter Netzer sein Leben. Von Kindheit und Jugend über die goldene Ära der Gladbacher «Fohlen-Elf» bis heute: Erinnerungen aus der Tiefe des Raumes und des Herzens.

Autorenporträt
Helmut Schümann, geboren 1956 in Düsseldorf, ist Journalist. Er war Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", des "Spiegel" und der "Berliner Zeitung". Seit 1999 arbeitet er als Reporter für den "Tagesspiegel" in Berlin, wo er auch mit seiner Familie lebt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2004

Steilpass nach Las Vegas
Glücksspielmacher: Günter Netzer in seiner Autobiographie
Oliver Kahn hat seine Autobiographie geschrieben. David Beckham hat seine Autobiographie geschrieben. Dass jetzt auch noch Günter Netzer meint, uns seine Lebensgeschichte erzählen zu müssen, nehmen wir ihm fast schon übel. Es weiß doch so schon kein Mensch, wie das momentan zu schaffen sein soll: zwei Spiele am Tag, plus Delling-Netzer oder Poschmann-Beckenbauer plus drei Seiten Sportteil am Frühstückstisch plus mittägliches Kantinenpalaver. Und dann noch spätnachts 265 Seiten „Aus der Tiefe des Raumes”.
Anfang der Siebziger begannen Professoren und Studenten, in Günter Netzer und das Spiel der Mönchengladbacher Borussia all das hineinzuprojizieren, was ihnen im bundesrepublikanischen Alltag fehlte. Wer am Samstag Gladbach sah, brauchte am Montag nicht mehr Marcuse zu lesen. Netzers Pässe kamen plötzlich nicht mehr von der Mittellinie, sondern aus der Tiefe eines geistesgeschichtlich unendlichen, mit politischer Utopie aufgeladenen Raumes.
Der Literaturkritiker Helmut Böttiger knüpfte vor einigen Jahren daran an, als er in seiner Netzer-Biographie ein rasantes Kurzpassspiel zwischen der frischen, frechen Spielanlage der jungen Borussia unter Weisweiler und den Verhältnissen unter Brandt, zwischen dem laxen Genie Netzer und der Aufbruchsstimmung jener Jahre aufzog.
Wie man Lottokönig wird
Dass der Ferrari-fahrender Diskothekenbesitzer und Womanizer nie der idealtypische Politkommunarde sein wollte, war ja eigentlich immer schon klar. Insofern ist es schön, dass es nun Netzers Autobiographie gibt und er uns selber sagen kann, was es mit seinen Haaren und seinen Pässen damals auf sich hatte. Der Journalist Helmut Schümann hat ihm den Stift geführt, herausgekommen ist ein erfrischend unprätentiöses Buch, das alles Geraune über Netzer als Marcuse des Fußballs ins Leere laufen lässt.
Eines Abends sitzt er mit den Malern Sigmar Polke, Gerhard Baselitz und Markus Lüpertz in seiner Disko Lover‘s Lane, als die Rede auf sein Fußballspiel kommt: „Was mir da alles erzählt wurde, von der Ästhetik der weiten Pässe, den Visionen des raumöffnenden Spiels - so hatte ich mein Spiel noch nie gesehen. Ich spielte doch nur Fußball, wie es mir gegeben war, aus der Intuition heraus. War es Lüpertz, der mir auf meinen Einwand, dass ich auf dem Platz eigentlich nur einen Weg suche, um ein Tor zu erzielen, eine wunderbare Erklärung gab: ,Wissen wir Maler beim Pinselstrich, was der Kunstbetrachter beim Anschauen empfindet? Weiß der Komponist, was er anrichtet, wenn er Töne setzt?‘”
Das Interessante an Netzer ist die Mischung aus Querulantentum und beruflichem Erfolg. In dieser Autobiographie erscheint er als ein Vorläufer der Bobos, wie David Brooks vor einigen Jahren den Typus der „bourgeoisen Bohemiens” nannte, die Reichtum und apolitische Rebellion, beruflichen Erfolg und nonkonformistische Haltung erfolgreich unter einen Hut bringen. Statt auf irgendetwas hinzuarbeiten, griff Netzer scheint‘s stets im richtigen Moment mit lässiger Intuition nach den Chancen, die sich ihm boten: wird Fußballidol, erfolgreicher Manager des HSV, cleverer Geschäftsmann und Grimmepreisträger. Und bleibt immer ein Glückspilz.
So ist er der wohl einzige Mensch auf diesem Planeten, der es geschafft hat, im Lotto fünf Richtige mit Zusatzzahl zu haben, ohne je in seinem Leben einen Lottoschein auszufüllen: Eines Tages überreichte ihm ein Fan einen Briefumschlag. Darin befand sich ein Lottoschein, den der Mann, der sich auf den Oberarm „Netzer, 10” hatte tätowieren lassen, für ihn ausgefüllt hatte. Seit Jahren spielte der Mann dieselben Zahlen, an diesem Wochenende wurden sie gezogen. Netzer teilte sich den Gewinn mit dem Mann.
Netzer/Schümann hangeln sich nicht wie so viele Fußballerbiographien von Spiel zu Spiel, um das Ganze dann mit Leerformeln aus Motivationsseminaren (Kahn) oder Lebenskitsch (Beckham) aufzufüllen. Sicher, es taucht das legendäre 7:1 gegen Mailand auf, das im Nachhinein wegen eines Dosenwurfes annulliert wurde, oder das Pokal-Endspiel gegen Köln, bei dem Netzer sich zu Beginn der Nachspielzeit selbst einwechselte, um sofort nach Wiederanpfiff das Siegtor zu erzielen, so schön, dass es zum Tor des Jahres gewählt wurde.
Aber wichtiger als die Spiele ist das Leben drum herum. Gelegentlich glaubt man sich eher in einem Schelmenroman als in einer Biographie: Die Gruppe um Joseph Beuys wollte ihm am Ende seiner Mönchengladbacher Zeit eine Professur andienen - ihm, der das Gymnasium abgebrochen hatte. Eines Tages erzählt ihm sein Kollege Ignacio Zocco, im Fernsehen sei eine Show aus Las Vegas übertragen worden, Sammy Davis, Dean Martin, Frank Sinatra, alle seien sie da gewesen. Das Komische: Mittendrin habe einer gesessen, der genau wie Netzer aussah.
Was für eine groteske Vorstellung! Wo doch Real allen Spielern die Pässe wegnimmt, um sie permanent unter Kontrolle zu haben, und sie mitten in der Saison sind. „Zocco und ich lachten gemeinsam, er über die absurde Vorstellung, ich über die absurde Wahrheit.” Netzer war tatsächlich nach Vegas geflogen. Zur Hochzeit von Sinatras Tochter Tina. Illegal, mit seinem Freund Michael Pfleghar. Passend zu den pikaresken Anekdoten gab Netzer im FAZ-Fragebogen als liebste Romanfigur denn auch Felix Krull an.
Wer hofft, Klatsch oder Lästereien über seinen Antipoden Beckenbauer, den jahrelangen Konkurrenten Overath oder über Hennes Weisweiler zu finden, wird enttäuscht. Dass er, der große Spielmacher während der WM 1974 auf der Bank saß? War halt so, er fühlte sich ohnehin nie wohl in der Nationalmannschaft.
ALEX RÜHLE
GÜNTER NETZER, HELMUT SCHÜMANN: Aus der Tiefe des Raumes. Mein Leben. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004. 270 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Angesichts des gegenwärtigen Fußballüberangebots in den Medien nimmt es Rezensent Axel Rühle dem Fußballidol, Geschäftsmanns und Grimme-Preisträger Günter Netzer fast ein wenig übel, dass nun auch er meint, seine Lebensgeschichte zu erzählen müssen. Aber dann zeigt Rühle sich doch ganz angetan von dieser Autobiografie, die der Ferrari-Fahrer und Diskothekenbesitzer zusammen mit dem Journalisten Helmut Schümann verfasst hat - zumal dabei ein "erfrischend unprätentiöses" Buch herausgekommen ist, das alles Geraune über Netzer als "Marcuse des Fußballs" ins Leere laufen lasse. Interessant an Netzer findet Rühle vor allem dessen "Mischung aus Querulantentum und beruflichem Erfolg". Er erscheine als ein Vorläufer der Bobos, des Typus der "bourgeoisen Bohemiens" (David Brooks), die Reichtum und apolitische Rebellion, beruflichen Erfolg und nonkonformistische Haltung erfolgreich unter einen Hut bringen. Dass sich Netzer/Schümann nicht wie viele andere Fußballerbiografien von Spiel zu Spiel hangeln, "um das Ganze dann mit Leerformeln aus Motivationsseminaren (Kahn) oder Lebenskitsch (Beckham) aufzufüllen", findet Rühle ebenso lobenswert wie den Verzicht auf Klatsch und Lästereien über Netzers Antipoden Beckenbauer, den Konkurrenten Overath oder über Hennes Weisweiler.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2004

Fallrückzieher in die Avantgarde
Dichter haben sie zum Kunstwerk erklärt. Sie haben es geglaubt - Günter Netzer, Oliver Kahn und der Wille zum Feuilleton

Was will das Feuilleton eigentlich immer in den Fußball hineinquatschen? Was muß denn da immer gedeutet werden und metaphorisch erhöht und dichterisch verschönt und bedeutend gemacht? Nur aus schlechtem Gewissen, daß man ein banales Hobby hat, muß man ja nicht gleich ein Gedicht drauf schreiben. Oder eine kunstvolle Rezension. Es führt ja auch meist zu nichts. Selbst, wenn man als Dichter, wie Peter Handke einst, sich so eng an die Wirklichkeit hält, daß man einfach die Mannschaftsaufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27. Januar 1968 abschreibt und das Ganze dann Gedicht nennt und mal zuschaut, was passiert und ob das jemand druckt (und es wurde viel-, vieltausendfach gedruckt), dann liegt der Unterschied zur wirklichen Mannschaftsaufstellung eben nicht vor allem darin, daß Handkes Fassung von seinen Jüngern weihevoll verlesen werden kann, sondern darin, daß sie falsch ist. Denn nicht Leupold, wie im Gedicht vermerkt, lief damals als linker Verteidiger auf, sondern Hilpert. Das ist der Unterschied. Das Gedicht ist wertlos. Es ist falsch. Handke war eben einfach nicht auf dem Platz. Wahrscheinlich hat sich Leupold beim Warmmachen verletzt, Hilpert kam rein, und Handke hatte sein eiliges Gedicht schon vorher aus der Zeitung abgeschrieben. Jeder Fan hätte das Handke-Gedicht genauer schreiben können als der Dichter. "Fußball ist Fußball ist Fußball", heißt das letzte Kapitel in Dirk Schümers Fußballfeierbuch "Gott ist rund". Eigentlich wäre damit alles gesagt.

Wenn nicht an einem Abend im Jahr 1965 der Fußballspieler Günter Netzer in seinem Jaguar E auf dem Weg von der Handelsschule nach Hause an jener Bushaltestelle in Mönchengladbach gestoppt hätte. An der Bushaltestelle wartete Hannelore Girrulat. Ein Freund, der mit Netzer im Auto saß, machte die beiden miteinander bekannt. "Der Name Netzer sagt mir nichts", sagte Hannelore. Eine große Liebesgeschichte begann. Die Liebesgeschichte zwischen dem Fußballer Günter Netzer und der Goldschmiedin Hannelore Girrulat, die Liebesgeschichte zwischen dem Fußball und der Kunst. "Es waren keine Welten, die da aufeinanderprallten", schreibt Günter Netzer in seiner morgen erscheinenden Autobiographie, "es waren Galaxien." Netzer wohnte noch bei seinen Eltern. Sein Leben bestand aus Fußball und aus Topfpflanzen und aus schnellen Autos. "Ihre Welt bestand aus Kunst und Mode und Ästhetik und Musik und aus all dem, was man damals anfing, Pop zu nennen. Manche sagten auch Avantgarde dazu. Dann sagte ich: ,Aha!'"

Netzer sagte Aha. Damit fing es an. Er lernte Hannelores Freunde kennen. Die Maler um den Kölner Galeristen Michael Werner. Sigmar Polke und A. R. Penck, Georg Baselitz und Markus Lüpertz. Ihre Welt, die Welt der Kunst, begeisterte Netzer. Es war "das Leben", das sie ihm zeigten. Es war die Kunst, war Inspiration und neues Denken. Netzer nahm alles begeistert auf. Einmal, ein einziges Mal wollte sich nicht die Kunst den Fußball aneignen, sondern der Fußball die Kunst. "Nicht diese Künstler waren von mir beeindruckt, sondern ich von ihnen." Und Netzer trug schwarz, und Netzer ließ die Haare wachsen, Netzer eröffnete die Diskothek "lovers lane", und Netzer hörte Rolling Stones und Bob Dylan. Über Fußball wurde kaum gesprochen, damals in den Künstlerkreisen. Wenn doch, hörte Netzer besonders gerne zu: "Dann wurde mir nämlich erklärt, daß meine Spielweise und meine Pässe den Aufbruch der Avantgarde auf dem Fußballplatz fortsetzen sollten. Was mir da alles erzählt wurde, von der Ästhetik der weiten Pässe, den Visionen des raumöffnenden Zuspiels - so hatte ich mein Spiel noch nie gesehen. Aber es gefiel mir. Ich spielte doch nur Fußball, wie es mir gegeben war, aus der Intuition heraus. Aber so schön hatte ich meine Art des Fußballs niemals erklärt bekommen, warum sollte ich widersprechen?"

Am Anfang wandte er wohl noch ein, das sei doch alles ein wenig zu intelligent gedacht und etwas zu viel hineininterpretiert in sein unbewußtes Spiel, aber die Maler wiesen ihn zurecht: "Wissen wir Maler beim Pinselstrich, was der Kunstbetrachter beim Anschauen empfindet? Weiß der Komponist, was er anrichtet, wenn er seine Töne setzt?" Da gab Netzer auf. Und spielte fortan mit der Ahnung seines Kunstauftrags. Und stolz. Angeblich wurde ihm aus der Meisterklasse von Joseph Beuys heraus sogar eine Professur für Bildende Kunst angeboten. Mehrfach sogar, behauptet Netzer. Das wollen wir mal eine kleine Übertreibung nennen. Doch sonst wird fast nichts übertrieben, in dem Buch. Und die einmalige Liebes- und Inspirationsgeschichte zwischen dem Fußball und der Kunst steht zusammengefaßt in dieser Passage: "Habe ich Pässe in die Tiefe des Raumes geschlagen, weil sich meine Horizonte erweitert hatten? Ich hatte einen offeneren Blick bekommen, aber ich glaube, meine Art des Spiels war vorgegeben, und daß ich den Mut hatte, diese Art zu spielen, hat mehr mit Hennes Weisweiler zu tun, als mit Avantgarde."

Das haben sie alle vergessen, all die feuilletonistischen Nachahmer, die Gedichte und Weihegesänge auf "Netzer" und die "Tiefe des Raumes" gesungen haben in all den Jahren, als Günter Netzer ein Feuilletonistentraum wurde, Projektionsfläche für jede Fußballutopie. Gesellschaftsutopie. Kunstutopie. Wie nach ihm kaum ein Spieler mehr.

Höchstens Oliver Kahn. Der Titan, der vielbesungene, vielbedichtete. Orpheus. Grieche. Antiker Held. Der Größte. Dem man längst jede poetische Metapher der Unbezwingbarkeit - seit zwei Jahren auch der anscheinend noch poetischeren "Bezwingbarkeit" - übergestülpt hat. Jetzt sieht man, wozu das führen kann. Er hält sich selbst für einen Dichter. Für einen Philosophen. Einen netzerartigen Fußballkünstler. Die Kunst liebt mich? Ich muß sie wiederlieben, hat er sich wohl gedacht und "Reflexionen" geschrieben - angeblich extra ohne Ghostwriter. Dieses Buch, "Nummer eins", wird seinem Ruf mehr schaden als die drei katastrophalen Fehlgriffe in den letzten zwei Jahren.

Wir sehen einem Helden beim Denken zu, und heraus kommt: nichts. Nur Kunstwille. Feuilleton-Wille. Wille zur Bedeutung. Quatsch. "Fußball ist Kunst", schreibt Herr Titan. Und daß er seine täglichen Trainingseinheiten "wie ein Pianist" absolviere, "der trotz all seiner Virtuosität weiß, daß er die Goldberg-Variationen von Bach nie perfekt spielen wird". Oliver "Glenn Gould" Kahn setzt sich in Position. Selten hat ein Buch eine so große Bedeutungssehnsucht mit so geringer Bedeutung verbunden: "Auf meinem Lieblings-T-Shirt steht das Wort ,Rebel'. Rebell. Vielleicht möchte ich damit zum Ausdruck bringen, daß ich nicht so sein will, wie man mich vielleicht gern hätte."

Ja, vielleicht. Vielleicht sähe man ihn einfach gerne nur im Tor. Und müßte dann nicht wissen, daß Kahn sich neben Glenn Gould auch gern als Möwe Jonathan sieht: "Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich es sein kann, wenn man sich aus der Masse, in diesem Fall aus einem Schwarm Vögel, hervorhebt. Jonathan ist keine gewöhnliche Möwe, sondern besessen von dem Willen, das Beste aus sich herauszuholen, um es in der Kunst des Fliegens zu einer außergewöhnlichen Meisterschaft zu bringen. Niemand und nichts kann sie aufhalten. Aber aufgrund seines Freiheitsdranges wird Jonathan aus der Gemeinschaft der Möwen verbannt."

Schade für die Möwe. Kahn weiß: "Letztlich ist das Streben nach Perfektion sehr anstrengend." Und gefährlich: "Manche behaupten, Sport sei Mord, besonders der Profisport. Diese Ansicht halte ich für übertrieben." Denn gefährlicher ist das Leben neben dem Fußball: "Das Privatleben wird sicherlich eine große Herausforderung für mich bleiben." Wie es auch in der Vergangenheit war: "Die Trennung von meiner Frau hatte nichts mit ihrer Person zu tun." Weil alles, alles nur mit der Person von Oliver Kahn zu tun hat. Und der einzige positive Held des Buches ist - neben Oliver Kahn - Marco Bode, weil man sich mit dem so gut über Literatur unterhalten kann.

Was haben die Dichter angerichtet, als sie den Fußball und seine Helden überhöhten. Niemand reagierte darauf so lässig wie Netzer selbst, der schreibt: "Bitte schön, mir soll es recht sein, was man da alles in den Fußball hineininterpretieren kann, und vielleicht ist Fußball ja gerade deswegen so faszinierend, weil es eine Ebene gibt, die irgendwo hinter dem Ergebnis liegt." Vor allem aber gilt: "Die Spieler brauchen davon nichts zu wissen, wahrscheinlich ist es sogar schädlich, wenn sie sich zu viele Gedanken darüber machen, was sie mit ihrem Spiel beim Zuschauer auslösen."

VOLKER WEIDERMANN

Günter Netzer (mit Helmut Schümann): Aus der Tiefe des Raumes. Mein Leben. Rowohlt 2004. 270 Seiten. 19,90 Euro

Oliver Kahn: Nummer eins. Droemer 2004. 176 Seiten. 14,90 Euro

Andreas Höll: Halbzeiten für die Ewigkeit. Über die wichtigste Nebensache der Welt. Kiepenheuer 2004. 184 Seiten. 12,50 Euro

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"Andere mußten jahrelang schuften, ihm genügten wenige Spiele zur Unsterblichkeit." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)