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"Das ewige Haus" ist ein Roman über Luther und seine Zeit, Porträt und Epochenbild zugleich, gespiegelt im modernen Blick eines Erzählers, der einen historischen Roman über Luther entwirft - ein literarisches Kabinettstück, das den Reformator nicht als statische Figur, sondern in seiner historischen Wirkung zeigt.
"Thorsten Becker ist ein über alle Maßen origineller, geistreicher und kluger Erzähler." FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

Produktbeschreibung
"Das ewige Haus" ist ein Roman über Luther und seine Zeit, Porträt und Epochenbild zugleich, gespiegelt im modernen Blick eines Erzählers, der einen historischen Roman über Luther entwirft - ein literarisches Kabinettstück, das den Reformator nicht als statische Figur, sondern in seiner historischen Wirkung zeigt.

"Thorsten Becker ist ein über alle Maßen origineller, geistreicher und kluger Erzähler."
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Autorenporträt
Thorsten Becker, geboren 1958, aufgewachsen in Köln. Studium der Philosophie, Geschichte, Soziologie und Theaterwissenschaften. Zahlreiche Veröffentlichungen, Auszeichnungen: FAZ-Litaturpreis und Premio Grinzane Cavour. Der Autor lebt zeitweise in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.03.2009

Ein Luther für Deutschland
Thorsten Beckers verschachtelter Roman „Das ewige Haus”
Bald zwei Jahre läuft nun schon die „Luther-Dekade”, die 2017 in der 500-Jahr-Feier von Luthers Thesenanschlag in Wittenberg gipfeln wird. Da passt es nicht schlecht, dass acht Jahre vor dem nächsten großen Luther- und Reformationsjubiläum auch schon der Roman zum Ereignis vorliegt. Möglich, dass Thorsten Beckers Roman „Das ewige Haus” so anlassbezogen und festbegleitend gar nicht gemeint ist, aber irgendwie erfüllt – oder eher schon: übertrifft – sein Buch in dieser Hinsicht alle Erwartungen. Hier ist das opulente und ausladende Erzählwerk über Luther, die Reformation und die Deutschen überhaupt, wobei Becker natürlich am besten weiß, dass man über Luther und seine Zeit historisch-realistisch gar nicht erzählen kann. Was sein Roman stattdessen anbietet, ist eine Art antiillusionistischer Historienmalerei. In ihr darf der historische Sinn selbst zum Gegenstand der Erzählung werden, und zwar zunächst auf die probate Weise, dass gar nicht Becker selbst, sondern ein anderer seinen Luther-Roman geschrieben hat. Damit das nicht zu absehbar gerät, hat Becker noch eine weitere Vermittlungsebene eingebaut. Was wir hier in der Hand halten, ist eine jener beliebten Herausgeberfiktionen, die uns an der Sortierung und Kommentierung von hinterlassenen Fragmenten teilhaben lassen.
Diese zweite, die Editions-Handlung, hat Becker in die Zeit unmittelbar vor dem deutschen Zusammenbruch 1945 verlegt. Es geht hier also, so knapp wie möglich gefasst, um drei historische Zeiten, um die Lutherzeit, die Weltkriegszeit und die Gegenwart, sowie um mindestens vier gestaffelte Erzählinstanzen, nämlich die Figur Luther, den deutschen Dichter Gisbert Gutsche und seinen hinterlassenen Luther-Roman, den unfreiwilligen Editor Baron von Wolzogen, Schauspieler und nunmehr Wehrmachts-Deserteur im fernen Kasachstan. Und es gibt schließlich auch noch den Autor Thorsten Becker selbst, der das alles so kunstreich angeordnet hat.
So soll die Ehe sein
Becker liebt das, was man in postmodernen Zeiten Pastiche nannte, das es aber auch schon bei Thomas Mann gab, an dessen „Doktor Faustus” man sich hier erinnert fühlen muss. Nicht nur, dass hier noch einmal das geistesgeschichtliche Drama der deutschen Nation zur Aufführung gelangt. Becker kann außerdem, fast wie Thomas Mann, in tausend Zungen reden, nicht nur mit Luthers Zunge, sondern zur Not auch mit der Zunge von Gisbert Gutsche. So heißt der berühmte Schriftsteller, der in der Spätzeit des Nationalsozialismus in Berlin an einem Luther-Roman schreibt, der sowohl zur Erbauung des breiten Publikums wie zur Verherrlichung Luthers, zur Abrechnung mit dem Regime und zur Klärung ehelicher Streitfragen dienen soll. Das ist vielleicht ein Grundzug dieses Romans: jede Lebensäußerung ist in ihm mit vielerlei Zwecken belegt, mit privaten, politischen oder auch nur erzählstrategischen. Alle wollen mit dem, was sie tun, stets noch ein allgemeines Zeichen setzen: Luthers Ehe dient dem höheren Zweck, die protestantische Ehereligion vorzuleben.
Gisbert Gutsches Roman soll den deutschen Geist vor den Dämonen retten, und der Bühnenkünstler Wolzogen hat von den Sowjets, wie er im ersten Satz des Romans darlegt, den Auftrag erhalten, „Gisbert Gutsche durch die Herausgabe und Redaktion seines nachgelassenen Romans zum Märtyrer zu verklären” – zum Märtyrer deshalb, weil Gutsche und seine jüdische Frau mit ihrer Tochter den Freitod gewählt haben, um der Deportation zu entgehen (während die andere Tochter mit Wolzogen nach Kasachstan geflohen ist, wo dieser nun in sowjetischem Auftrag das bessere Deutschland befördern soll). „Es liegt nun an mir”, lässt Becker Wolzogen sagen, „ihn durch die Herausgabe der von mir geretteten Bruchstücke seines Romans um den Begründer der evangelischen Konfession sowie durch die hineinzuflechtende Mitteilung seiner im erlösenden Gastod gipfelnden Lebensumstände zum Fanal werden zu lassen”.
Im Flechtwerk des Romans gehört jeweils ein Kapitel dem Gutscheschen Luther-Roman und eines dem Räsonnement des Herausgebers, der in die Rolle eines Generalinterpreten aufrückt, dem von der Diagnostik des deutschen Verhängnisses bis zur Psychoanalyse von Gutsches Ehe kein Sujet fremd bleiben darf, der sich dann aber noch über die ihm aufgetragenen Einsichten wundern muss: „Wie konnte sich der Kenner so weit versteigen, dem Pärchen Katharina von Bora und Martin Luther seine nicht nur persönliche, sondern vor allem historisch vollkommen inkommensurablen Seelenverhältnisse zu imputieren?”, fragt er. Nun ja, kann man antworten, weil Thorsten Becker es so und nicht anders gewollt hat. Bei ihm wird am Ende alles kommensurabel.
Mit den Frauen bei Luther und Gutsche hat es nämlich die folgende Bewandtnis: Einige Kapitel von Gutsches Luther-Manuskript hat Gutsches Frau Eva geschrieben, und zwar, wie der Herausgeber mutmaßt, „um die Gestalt Luthers unter Pointierung der Frauenfiguren ins Zwielicht zu schieben”. Es sind die Kapitel, in denen Luthers Ehefrau Katharina von Bora selbst handelnd in Erscheinung tritt und ihren Gemahl auf Alltagsgröße stutzt. Zwischen Gutsche und seiner Frau, vermutet sein Herausgeber, muss sich ein Streit über Luthers Antisemitismus entzündet haben. „Denkbar ist”, vermutet er weiter, „dass Gisbert im Religionsstreit mit seiner Frau auf Argumentationsmuster aus Luthers jüdischen Pamphleten zurückgriff, woraus ihr klargeworden sein muss, dass die nationalsozialistische Ideologie sich nicht ohne Anknüpfungspunkte auf den Wittenberger als einen Ur- und Kronzeugen f r den massenmörderischen Rassenwahn beruft.”
Das könnte ja ein Gegenstand zum Streiten sein, aber wie steht es um die Darstellung eines solchen geistesgeschichtlich unterlegten, aber existentiellen Ehestreits im Roman? Die Dialoge, in denen der Streit hätte ausgetragen werden können, hat Becker nicht geschrieben. Stattdessen hat er eine Figur ersonnen, die sich in kompliziertesten Mutmaßungen über andere ergehen muss. Baron von Wolzogen, der als Schauspieler, Pilot und Deserteur ohnehin schon bis zur Unkenntlichkeit mit Eigenschaften dekoriert ist, muss sich auch noch als Seelenhistoriker und Ideengeschichtler bewähren: „Der Luthersche Standpunkt ist geistes- oder hier vielleicht sentimentalitätsgeschichtlich von der Romantik noch gute zweieinhalb Jahrhunderte entfernt” – so hat vor Nicolaus Sombart kein deutscher Mann gesprochen! Nicht dass Beckers Roman nicht interessanten Stoff und gute Gedanken in größerer Menge böte. Aber bei der Konstruktion seines Mehrzweckgebäudes hat er sich leider überhoben. CHRISTOPH BARTMANN
THORSTEN BECKER: Das ewige Haus. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 510 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2009

Urdeutsches Pfarrhaus

Thorsten Becker will in seinem Luther-Roman nicht nur den Reformator entzaubern, sondern fatalerweise auch den Autor Jochen Klepper, der 1942 Selbstmord beging.

Die evangelische Kirche kennt keine Heilig- oder Seligsprechung. Allein durch seinen Glauben, Martin Luther hat es vor rund einem halben Jahrtausend protestantisch verkündet, wird der Christenmensch vor Gott gerechtfertigt und muss auf dem Weg zu seinem Seelenheil ohne Fürsprache von Heiligen auskommen. Die Abkehr von dem mitunter skurrilen Heiligenkult der katholischen Kirche hat freilich nicht verhindert, dass dem Reformator selbst verschiedentlich die Züge eines Heiligen verliehen wurden. Protestantische Christen haben oftmals Kraft in der Erinnerung an Luthers trotziges Beharren vor dem Wormser Reichstag gefunden. Diese Haltung - "Hier stehe ich; ich kann nicht anders" - hat zwar keine neuen Heiligen, aber doch eine Reihe beeindruckender Glaubenszeugen hervorgebracht. Zu ihnen zählt der Schriftsteller Jochen Klepper, der 1942 mit seiner jüdischen Ehefrau Johanna und deren Tochter Renate den Freitod wählte, weil er angesichts der drohenden Deportation des Mädchens in ein Todeslager keinen anderen Ausweg für seine Familie sah. Klepper, Sohn eines evangelischen Pfarrers, war als Dichter erfolgreich. Bis heute zählen einige seiner Lieder zum festen Bestand des Kirchengesangbuchs; sein Roman über die Kindheit Friedrichs des Großen ("Der Vater", 1937) hat bis in die Nachkriegszeit zahlreiche Auflagen erfahren. Zuletzt hatte Klepper an einem Buch gearbeitet, in dessen Mittelpunkt Luthers Ehefrau stehen sollte, die ehemalige Nonne Katharina von Bora. "Das ewige Haus" sollte dieses Buch über das erste deutsche Pfarrhaus symbolhaft heißen.

Den Titel trägt nun auch der neue Roman des 1959 geborenen Thorsten Becker. Schon vor der Lektüre stellt der Schutzumschlag mit dem Ausschnitt aus Cranachs berühmtem Lutherbild die Verbindung von Martin Luther zu Jochen Klepper für diejenigen her, die mit Leben und Werk des Schriftstellers vertraut sind. Das sind heute nicht mehr viele, und so verwundert es, dass Verlag und Autor nichts unternehmen, um den geschichtlichen Hintergrund der Romanfiktion aufzuhellen. Im Gegenteil: Thorsten Becker, der schon in früheren Büchern im intertextuellen Spiel mit Dichtung und Wirklichkeit komplizierte Handlungen entwarf, spannt auch hier ein verwirrendes Netz von Bezügen. Auf der ersten Erzählebene, die in den Jahren 1943 bis 1945 angesiedelt ist, agiert darin der etwas selbstgefällige Schauspieler Wolfgang von Wolzogen, der aus Berlin in die Sowjetunion geflohen ist. Im tiefsten Kasachstan versucht er, einen kulturellen Auftrag im Kampf gegen den Nationalsozialismus zu erfüllen. Nach dem Wunsch sowjetischer Politiker soll er den Widerstand der protestantischen Deutschen gegen Hitler dadurch unterstützen, dass er die Biographie der Katharina von Bora vollendet, die sein Freund Gisbert Gutsche nach seinem Freitod hinterlassen hat. Hinter dem Schriftsteller mit dem albern alliterierenden Namen verbirgt sich das literarische Alter Ego Jochen Kleppers; bis in die Einzelheiten der Lebensdaten und Familienbeziehungen hinein hat Becker seine fiktive Figur dem realen Vorbild angeglichen.

Bei dem hinterlassenen Romanfragment erlaubt sich Becker dafür umso größere Freiheiten. Denn die Erzählung über Luther und Katharina von Bora, die den größten Teil des Buches ausmacht, hat außer ihrem Sujet nichts mit Kleppers Entwürfen gemeinsam. Stattdessen schreibt Becker seinen eigenen Luther-Roman, wobei im Wechsel mit kommentierenden Einschüben des Erzählers ein scharf akzentuiertes Bild des Reformators entsteht. Mag der Privatmann Luther, der mit seiner Käthe die Freuden der Fleischeslust entdeckt, in seiner Leiblichkeit noch sympathisch erscheinen, kann der Politiker Luther, wie Becker ihn zeichnet, nur Ablehnung hervorrufen. Es sind keine neuen und schon gar keine originellen Vorwürfe, die hier vorgebracht werden. Luthers Parteinahme für die Fürsten im Bauernkrieg, die wachsende Gegnerschaft zu Thomas Müntzer und seine zunehmende Ablehnung der Juden werden lange schon diskutiert. Luther als devoter Fürstenknecht - so hatte ihn schon Friedrich Engels in seinen Studien zur "frühbürgerlichen Revolution" gesehen.

Politische Brisanz gewinnt dieses Lutherbild allerdings durch die Romanfiktion, die das Leben des Reformators mit dem seines Biographen Gutsche verklammert. Aus der Sicht von dessen Nachlassverwalter, dem Erzähler des Romans, zieht sich eine unmittelbare Linie von Luthers fürstentreuer Haltung zu den Katastrophen der Gegenwart. Die Niederlage der Bauern in der Schlacht von Frankenhausen nimmt den Untergang der deutschen Soldaten bei Stalingrad vorweg, und Luthers Kritik an den Juden erscheint in grober Verkürzung gar als Vorbereitung des Holocaust.

Thorsten Becker ist die holzschnittartige Sicht der deutschen Geschichte freilich nicht unmittelbar anzulasten, stellt er sie doch als zeitgebundenen Blick der Romanfiguren dar. Was aber gewinnt er mit dieser Konstruktion? Der kritische Blick des Romans richtet sich ja nicht allein gegen den Reformator Luther, er wendet sich gleichermaßen gegen seinen Biographen Gutsche. In ausführlichen Reflexionen des Erzählers entsteht ein problematisches Charakterbild des Schriftstellers, der als emotional verkümmerter Eigenbrötler erscheint, unbeholfen gegenüber der Familie, blind gegenüber den Bedrohungen durch das Hitler-Regime, vermutlich auch noch impotent. Angesichts der offenkundigen äußeren Parallelen zwischen dem fiktiven Autor und seinem realen Vorbild vollzieht sich hier nichts weniger als die Entmystifizierung eines modernen protestantischen Helden, dessen "Tripelselbstmord" - so Beckers salopper Ausdruck - nicht mehr als märtyrerhafter Akt des Widerstands erscheint, wie Kleppers Tat in der evangelischen Kirche bis heute gesehen wird, sondern als Ausdruck persönlicher Hilflosigkeit und politischen Versagens.

Doch wofür der Aufwand? Die meisten Leser dürften die historischen Anspielungen nicht erkennen und mögen deshalb Gisbert Gutsche allein für eine phantasievolle, wenig sympathische Erfindung Thorsten Beckers halten. Womöglich verspricht die Annahme sogar eine ungetrübtere Lektüre des durch die vielen Nebenhandlungen streckenweise etwas ermüdenden Romans. Am Ende taucht der Reformator seine Feder in ein Tintenfass, das aus dem Schädel seines Widersachers Thomas Müntzer gefertigt wurde - in solch krasser Symbolik fasst Thorsten Becker seine Kritik an der protestantischen Verbindung von Geist, Politik und Kirchenregiment zusammen. Einen neuen Bildersturm wird er damit nicht entfachen.

SABINE DOERING

Thorsten Becker: "Das ewige Haus". Roman. Rowohlt, Reinbek 2008. 510 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zurückhaltend äußert sich Rezensentin Sabine Doering über Thorsten Beckers Luther-Roman "Das ewige Haus". Sie bescheinigt dem Autor dabei durchaus ein aufwendiges Spiel mit Dichtung und Wirklichkeit. So verklammere Becker das Lebens des Reformators mit dem des Autors Jochen Kleppers, der 1942 Selbstmord beging und im Buch als Gisbert Gutsche mit dem Vorhaben auftaucht, einen Roman über Luther und seine Frau zu schreiben. Allerdings tut Becker nach Ansicht Doerings kaum etwas, um den historischen Hintergrund aufzuhellen, so dass die meisten Leser die zahlreichen Bezüge wohl nicht erkennen werden. Die Vorwürfe gegen Luther, die in dem Roman erhoben werden, findet sie weder neu noch originell, Beckers Sicht der deutschen Geschichte ziemlich "holzschnittartig". Und auch mit der Entzauberung des Schriftstellers Gutsche kann sie wenig anfangen.

© Perlentaucher Medien GmbH