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Seit seiner Gründung durch Ignatius von Loyola 1540 wirkte der heute größte katholische Männerorden in fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hinein: Zwischen Armenseelsorge und elitärer Wissenschaft, politischer Beratung und weltweiter missionarischer Tätigkeit - kaum ein Gebiet, in dem die Jesuiten nicht tätig waren. Der renommierte Historiker Markus Friedrich liefert eine neue Gesamtdarstellung der Jesuiten, die wissenschaftlich fundiert und aus konfessionsneutraler Perspektive geschrieben ist. Anschaulich erklärt er, wie der Orden organisiert war, was ihn so erfolgreich machte,…mehr

Produktbeschreibung
Seit seiner Gründung durch Ignatius von Loyola 1540 wirkte der heute größte katholische Männerorden in fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hinein: Zwischen Armenseelsorge und elitärer Wissenschaft, politischer Beratung und weltweiter missionarischer Tätigkeit - kaum ein Gebiet, in dem die Jesuiten nicht tätig waren. Der renommierte Historiker Markus Friedrich liefert eine neue Gesamtdarstellung der Jesuiten, die wissenschaftlich fundiert und aus konfessionsneutraler Perspektive geschrieben ist. Anschaulich erklärt er, wie der Orden organisiert war, was ihn so erfolgreich machte, wie das Alltagsleben im Orden aussah, welche Aufgaben er in der säkularen Welt einnahm und wie er damit den Gang der Geschichte prägte. - Ein unverzichtbarer Beitrag, um die europäische Moderne zu verstehen.
Autorenporträt
Geboren 1974 ins Ansbach, studierte Markus Friedrich in München Neuere Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Philosophie. Er habilitierte sich mit dem Thema "Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden (1540-1773)" und ist seit 2013 Inhaber der Professur für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg. Unter der Federführung von Markus Friedrich findet vom 20. bis 23. September 2016 an der Universität Hamburg der 51. Deutsche Historikertag statt. Er steht unter dem Motto "Glaubensfragen".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2016

Gottes
Gelehrte
Der Historiker Markus Friedrich
erzählt die Geschichte der Jesuiten
Der kleine, überaus hässliche, jedoch äußerst beredte Dr. Leo Naphta ist zweifellos der berühmteste Jesuit der Literaturgeschichte. Im „Zauberberg“ nervt und beeindruckt diese Figur gleichermaßen. Doch ihr Schöpfer Thomas Mann war keineswegs der erste Schriftsteller, der einen Jesuiten aufs Korn nahm. Von Anfang an lieferte dieser Orden Stoffe für Autoren jeglicher Textgattungen, wobei Pamphlete anfangs zahlenmäßig deutlich überwogen. Zu den vergnüglicheren Abhandlungen gehören die „Lettres provinciales“ von Blaise Pascal aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der französische Mathematiker, Philosoph und Geistliche stellte in diesen Schriften den Jesuitenorden mit einer Persiflage bloß: Sein fiktiver Jesuit lässt keine Gelegenheit aus sich lächerlich zu machen, er personifiziert all die Borniertheit und Skrupellosigkeit, die man diesem Orden damals nachsagte. Die Jesuiten hatten einen schweren Stand in dieser Zeit.
  Nach der Lektüre von Markus Friedrichs Tour d’Horizon über „Die Jesuiten“ kann man sagen, dieser Orden war noch nie so unumstritten wie heute. Mit dem Argentinier Jorge Mario Bergoglio stellt er sogar erstmals in seiner bald 500 Jahre langen Geschichte ein Oberhaupt der katholischen Kirche. Wie Papst Franziskus den Katholizismus verändert, hat tiefe Wurzeln in der jesuitischen Theologie, schreibt Friedrich – etwa das Misstrauen gegenüber hergebrachten Ideologien, seine Strategie kleiner symbolischer Schritte und das starke innere Bedürfnis, die Menschen für den Glauben zu gewinnen.
  Hätte sich Franziskus nicht nach dem Stifter eines anderen Ordens benannt, sondern nach dem Gründer der Gesellschaft Jesu, hätten die Katholiken heute einen Papst Ignaz. Ignatius von Loyola, Abkömmling einer baskischen Adelsfamilie, hatte ein vergleichsweise kurioses Damaskus-Erlebnis: Er lag im Sommer 1521 mit einer schweren Beinverletzung aus einer Verteidigungsschlacht gegen die Franzosen darnieder und vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen mittelalterlicher Rittergeschichten. Allein die verfügbare Literatur war ausgelesen, und so fielen ihm eher zufällig zwei Jesus-Epen in den Schoß – und machten aus dem Krieger einen gottesfürchtigen Pilger. So berichtet Ignatius es selbst.
  Markus Friedrich, 42, der in Hamburg Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit lehrt, hat bei der Recherche aus einem wesentlich breiteren Quellenfundus geschöpft – allein 50 Seiten nehmen Literatur- und Quellenverzeichnis ein. Unter anderem fand er Belege, die Ignatius als kauzige Figur erscheinen lassen – es gab Phasen in seinem Leben, in denen er vor lauter Kontemplation jegliche Maniküre und Coiffure ablehnte, um sich ausschließlich auf göttliche Eingebungen zu konzentrieren. Täglich beichtete er. Diese mitunter verwilderte und seit jener Kriegsverletzung hinkende Schratgestalt fand dennoch eine große Schar von Anhängern, darunter gelehrte Geistliche wie den Kirchenlehrer Petrus Canisius, aber auch fromme Männer wie Peter Faber – mit ihm, seinem Exerzitienmeister, bildete Ignatius beim Studium in Paris eine Wohngemeinschaft.
  Das Spektrum von extrem gottesfürchtig bis hochintellektuell findet sich auch in späteren Jahrhunderten. Es entwickelte sich auf der Grundlage von Ignaz’ Lehren eine sonderbare Gebetsbürokratie mit bizarren Erscheinungen: Friedrich erzählt von einem Wormser Ordensmann, der errechnete, Jesus habe am Kreuz 97 035 Tropfen Blut vergossen – „jeder einzelne ein Anlass zur Reue des Sünders“. Als Jesuit führte man über jeden Rosenkranz Buch.
  Als Prediger und vor allem als akademische Lehrer in Theologie und Philosophie wurden die Jesuiten innerhalb kurzer Zeit nach der päpstlichen Anerkennung im Jahr 1540 zum intellektuellen Sturmtrupp der Gegenreformation. Sie waren überzeugt, durch Bildung den Seelen der Menschen helfen zu können. Und weil seine Kollegen dann so erfolgreich agierten, dass sie in den 1560ern ihre eigenen Universitäten eröffneten, wuchsen allenthalben Ressentiments gegen die frommen Gelehrten: bei den neuen Konfessionen, weil die Jesuiten das Christentum glaubwürdiger vertraten als der katholische Klerus und andere Orden, und innerhalb der Kirche, weil die Parvenüs Traditionen in Frage stellten.
  Die universelle Entwicklung dieses Ordens in einem Buch darzustellen, ist eine gigantische Aufgabe. Markus Friedrich hat sie meisterhaft bewältigt. Er spürt den Protoglobalisierern nach, die auf der ganzen Welt den katholischen Glauben verbreiteten. Er blickt in ihre Lehr- und Glaubensbücher. Und er analysiert die Motivation ihrer Gegner. Was ist von den Jesuiten noch zu erwarten? Wo sie einst die Reformation bekämpften, stoßen sie heute Reformen an. Ihr deutscher Provinzial Stefan Kiechle zum Beispiel hat angeregt, den Zölibat abzuschaffen.
RUDOLF NEUMAIER
Sie stellten Traditionen infrage
– dem katholischen Klerus
waren sie suspekt
  
  
  
Markus Friedrich:
Die Jesuiten. Aufstieg,
Niedergang, Neubeginn.
Piper Verlag,
München/Berlin 2016.
727 Seiten, 39 Euro.
E-Book 33,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2016

Drei Jesuiten, vier Meinungen

Und über allem schwebt ein optimistisches Menschenbild: Markus Friedrich erzählt die Geschichte eines ziemlich bunten Ordens, um den sich immer auch Gerüchte rankten.

Wissenschaftliche Darstellungen der Geschichte des Jesuitenordens kamen früher fast nur von Jesuiten. Außenstehende lieferten populäre Werke, manchmal polemisch, manchmal mit Sympathie geschrieben, aber doch eher oberflächlich und kaum dem Selbstverständnis des Ordens entsprechend. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Markus Friedrich, Ordinarius für europäische Geschichte der frühen Neuzeit in Hamburg, legt nun eine historische Gesamtdarstellung zumindest der alten Gesellschaft Jesu bis zu ihrer päpstlichen Aufhebung (1540 bis 1773) vor, die ihre erstrangige Bedeutung für längere Zeit behalten dürfte.

Die Vorzüge des umfangreichen Buches sind vielfältig: wissenschaftlich gestützt auf die neueste Literatur und zum Teil auf eigene Archivforschungen, dabei alle Nationen und Sprachbereiche berücksichtigend, außerdem leicht zu lesen, vor grundlegenden historischen Fragen nicht ausweichend und bei aller durchgehend zu spürenden Sympathie auch problematische Seiten nicht verschweigend.

Ein Merkmal des Ordens, das immer wieder hervortritt, ist seine ungeheure Vielfalt. "Es gab und gibt nicht den Jesuiten, und es gab und gibt auch, vom juridisch-institutionellen Sinn einmal abgesehen, nicht den Jesuitenorden". Die jesuitische Selbstkarikierung "Drei Jesuiten, vier Meinungen", hier zitiert, kann der Rezensent sowohl als Historiker wie als Mitglied des Ordens nur bestätigen.

Entsprechend werden auch immer wieder untypische Jesuiten oder weniger bekannte Aktivitäten und Seiten (so neben der asketischen die mystische) behandelt. Bei den verschiedensten Tätigkeitsbereichen, von der konkreten Pastoral über den Kampf gegen die Reformation bis zu den Missionen, spielen globale Prinzipien oft eine geringere Rolle als Situationsbedingtheit und persönliche Konstellationen. Dies gilt auch für das komplexe Verhältnis zum Protestantismus und den Protestanten: Hier war die konkrete Alltagssituation oft maßgebender als allgemeine Prinzipien.

Freilich gibt es einen dominanten Wesenszug jesuitischer Seelsorge, welcher die Jesuiten auch in allerlei inner-katholische Konflikte verwickeln sollte: ein letztlich optimistisches Menschenbild. Ziel war Weckung einer positiven Grundstimmung, Glauben als Trost (consolatio) und Frohbotschaft. Beichte sollte gerade nicht ein furchteinflößendes Geschehen sein, der Beichtvater nicht "wie ein Inquisitor vorgehen", sondern seelsorgliche Hilfe und der tröstliche Aspekt sollten im Vordergrund stehen. Viel erfährt man auch über Seelsorge an Randgruppen wie Prostituierten, Soldaten, Sträflingen. Zum hochbrisanten Thema der jesuitischen Hofbeichtväter: Manche übten Macht aus, andere wurden manipuliert oder standen am Rande; das hing letztlich vom Herrscher ab. Jedenfalls gab es hier keine einheitliche jesuitische Politik, eher geriet der Orden in viele Antinomien und Loyalitätskonflikte.

Die jesuitischen überseeischen Missionen, in einzelnen Aspekten (Hofastronomen in China, Duldung der Ahnenverehrung im "Ritenstreit", "Jesuitenstaat" in Paraguay) damals umkämpft, heute als Modelle der "Inkulturation" gepriesen, sind vor allem Ergebnis eines langwierigen historischen Lernprozesses der Kombination globaler Erfahrungen mit lokaler Anpassung. Jesuitische Anpassung ist weniger ideologisch als pragmatisch, hängt freilich auch zusammen mit der Indienststellung alles Geschaffenen für Gott, einer Seelsorge, die auf das Subjekt abzielt, und einem im Letzten positiven Menschenbild.

Der Jesuitenorden als Instrument des Wissenstransfers: Viele seiner Kollegien waren Forschungszentren und Knotenpunkte frühneuzeitlicher Gelehrsamkeit. Und bis mindestens um 1700 gehörten die Jesuiten trotz aller manchmal bestehenden Spannung zwischen Forschung und offiziellen Vorgaben zur wissenschaftlichen Spitze Europas. Die weltweite Kommunikation des Ordens bewirkte, dass in seinen Strukturen wie sonst in keinem Medium Wissen um die ganze Welt floss. Wer etwas über fremde Länder oder Kulturen, Fauna und Flora, wissen wollte, dem standen Informationen zur Verfügung, die zumeist wenigstens indirekt durch jesuitische Kanäle vermittelt waren.

Der allmählich beginnende Niedergang, der den Orden als Feind der Humanität, der Aufklärung und des Fortschritts erscheinen ließ, zu staatlicher Unterdrückung und schließlich unter staatlichem Druck 1773 zu seiner päpstlichen Aufhebung führte, wird in seinen vielfältigen Aspekten dargestellt. Ein pauschaler Gegensatz zwischen Jesuiten und Aufklärung bestand nicht vor der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.

Freilich ging ihm eine Dauer-Spannung voraus: Die Aufklärung wurde nie so wie die Synthese von Humanismus und Spätscholastik Teil der kollektiven Identität des Ordens, und vor allem die "Ratio studiorum", der Studienplan, wurde nicht an die neue Kultur angepasst. Im Zuge der Radikalisierung der Aufklärung wurde diese prekäre Verbindung seit um 1750 zur tödlichen Feindschaft.

Eine weitere Hypothek ist seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts der Kampf gegen den Jansenismus. Er führte zu einer Verengung des theologischen Problembewusstseins. Hinzu kamen weitere Entwicklungen: nach 1700 eine Frömmigkeitstendenz, die nach Nüchternheit und Strenge rief und welcher die Jansenisten mehr entsprachen; die Tatsache, dass die jansenistische Partei die moderneren Medien einsetzte: "Das Feld gefälliger Literatur haben die Jesuiten nie betreten", stellt der Autor fest. Und in der Endphase des Existenzkampfes des Ordens fehlten Flexibilität und eine gemeinsame Verteidigungsstrategie.

Hier möchte der Rezensent noch einen Faktor stärker gewichten, den der Autor berührt, jedoch nicht näher ausführt: die Verbindung von (Spät-)Jansenismus und katholischer Aufklärung. Obwohl das pessimistische Menschenbild des ursprünglichen Jansenismus in diametralem Gegensatz zur Aufklärung stand, verbanden beide die Tendenz zu einer "gereinigten" Frömmigkeit, der traditionskritische Akzent und die Rückkehr zur "alten Kirche". All dies stand in Kontrast zu den jesuitischen "Regeln zum Fühlen in der Kirche". Und dieses Gemisch ist für die Gesellschaft Jesu tödlich geworden.

Der Titel des Buches verspricht eine gleichwertige Darstellung der neuen Gesellschaft Jesu seit 1814. Freilich sind nur siebenundzwanzig Seiten dem neuen Orden gewidmet, die allerdings immer noch einen guten Überblick vermitteln und selbst für das vielgescholtene neunzehnte Jahrhundert die Pluralität und das moderate Aufgreifen moderner Anliegen hervorheben. Und mehr ist einfach nicht möglich: Nur wenige Regionen des Ordens bieten Vorarbeiten, die Material für eine ähnlich umfassende wissenschaftliche Gesamtdarstellung liefern. Nicht zuletzt der Schlusspassus über Papst Franziskus als Integrationsfigur in der Auseinandersetzung um die Befreiungstheologie ist lesenswert. Wünschenswert wäre allenfalls noch neben dem Personenregister ein Sachregister gewesen.

KLAUS SCHATZ.

Markus Friedrich: "Die Jesuiten". Aufstieg - Niedergang - Neubeginn.

Piper Verlag, München 2016. 727 S., Abb., geb., 39,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Keine kleine Aufgabe hat sich Markus Friedrich mit seiner globalen Geschichte der Jesuiten vorgenommen, doch Rezensent Rudolf Neumaier attestiert dem Hamburger Historiker , sie "meisterhaft bewältigt" zu haben. Gut recherchiert und ausführlichst belegt erzähle Friedrich, wie sich der Jesuiten-Orden seit seiner Gründung 1521 durch Ignatius von Loyola formte und dabei Gottesfurcht, Intellektualität und eine "sonderbare Gebetsbürokratie" miteinander verband. Das machte den Orden einst zum Sturmtrupp der Gegenreformation, heute dagegen zum Vorreiter von liberalen Reformen. Zwei Dinge nimmt Neumaier vor allem aus diesem Buch auch mit: Die Literaturgeschichte ist voller bornierter und skrupelloser Jesuiten. Und: Seltsamerweise waren die die Jesuiten "noch nie so unumstritten wie heute".

© Perlentaucher Medien GmbH
»Spannend, facettenreich und fundiert: Die Geschichte der Jesuiten neu erzählt.« Die Tagespost 20171219