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In diesem Jahr wird allüberall der Geist der Einheit beschworen. Das Land müsse endlich wirklich eins werden, und das heißt vor allem: gleich. Das ist falsch, hält Jana Hensel dagegen: Ostdeutsche und Westdeutsche sind nicht gleich. Sie beschreibt die Ostdeutschen nicht als defizitäre Westdeutsche, als diejenigen, die es noch nicht auf den Standard der übrigen Bundesrepublik geschafft haben. Vielmehr sagt sie: Die Ostdeutschen haben nicht nur vor 1989, sondern auch danach anders gelebt, haben andere Erfahrungen gemacht, eine andere Geschichte gehabt. Daraus haben sie eine eigene Identität…mehr

Produktbeschreibung
In diesem Jahr wird allüberall der Geist der Einheit beschworen. Das Land müsse endlich wirklich eins werden, und das heißt vor allem: gleich. Das ist falsch, hält Jana Hensel dagegen: Ostdeutsche und Westdeutsche sind nicht gleich. Sie beschreibt die Ostdeutschen nicht als defizitäre Westdeutsche, als diejenigen, die es noch nicht auf den Standard der übrigen Bundesrepublik geschafft haben. Vielmehr sagt sie: Die Ostdeutschen haben nicht nur vor 1989, sondern auch danach anders gelebt, haben andere Erfahrungen gemacht, eine andere Geschichte gehabt. Daraus haben sie eine eigene Identität gewonnen. Diese Identität gilt es zu beschreiben. Sie ist keine Gefahr für die Einheit, sondern eine Bereicherung Deutschlands.
Autorenporträt
Jana Hensel, 1976 in Leipzig geboren, Studium in Leipzig, Marseille, Berlin und Paris. 1999 Herausgeberin der Leipziger Literaturzeitschrift "Edit", 2000 der Internatanthologie "Null" (zusammen mit Thomas Hettche). Jana Hensel lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.01.2010

Gute Ratschläge für die Ostdeutschen
Jana Hensel sagt, wo es langgeht, und hat immer wieder Tränen in den Augen
Vor sieben Jahren erschien der Bestseller „Wir Zonenkinder” der 1976 in Leipzig geborenen Journalistin Jana Hensel. Das Buch gab Auskunft über die Jugendzeit der DDR-Bürger, die zur Wendezeit um die 20 waren. Jetzt hat Jana Hensel nachgelegt: „Achtung Zone”. Bereits der Untertitel „Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten” verrät ein Dilemma. Wer sind „wir” und wer „die Ostdeutschen”? Und was legitimiert die Autorin zur Sprecherin von 17 Millionen (mit ganz Berlin)? Jana Hensel will nicht nur für „die” Ostdeutschen reden, sondern diesen auch noch vorschreiben, was sie tun „sollten”. Wer ihr böse will, kann sagen: Genau diesen kollektiven Beglückungsanspruch erhob schon das SED-Regime und ist damit grandios gescheitert.
Die Reichweite von Jana Hensels Behauptungen steht in umgekehrtem Verhältnis zu deren empirisch überprüfbaren Grundlagen. Woher weiß sie, dass „vor 20 Jahren die Ostdeutschen neu geboren wurden”, dass das aber auch „ihr letztes sinnstiftendes Ereignis” war? Die zwanzig Jahre nach der Wende schrumpfen bei der Autorin zu einem Klumpen Zeit ohne Zukunft und ohne Gegenwart – alles sei nur noch Erinnerung an den November 1989. Mit solchen Pauschalisierungen verbaut sich Jana Hensel den Blick auf die Wirklichkeit der Übernahme des Ostens durch den Westen. Die Spielregeln dieses Prozesses diktierten die westlichen Eliten, aber was im Prozess mit den Menschen und Institutionen geschah, geht nicht auf in der Tatsache, dass der Westen durchregierte, um nicht zu sagen durchmarschierte.
Auch nicht gerade wirklichkeitsnah ist die Diagnose: „Die ostdeutsche Gesellschaft ist in den letzten 20 Jahren durch den Abbau und das Weniger konditioniert worden.” Für ihre Behauptung, „in den letzten zwanzig Jahren hat sich nicht viel verändert”, präsentiert die Autorin nicht den Hauch von belastbaren Belegen. Die „Erinnerungen an das Leben in der DDR” will sie erhalten, statt ständig die immer gleichen „Anekdoten” zu beschwören. Die bekannteste stammt von Willy Brandt, der am 10. November 1989 vom Balkon des Schöneberger Rathauses gesagt hat: „Nun wächst zusammen, was zusammengehört.” Einen Beleg dafür, dass Brandt den Satz dort so gesagt hat, gibt es aber laut Jana Hensel nicht. Brandt und Frau Seebacher-Brandt sollen das Zitat nachträglich in den Redetext eingearbeitet haben. Diese These ist das Handfesteste, was Jana Hensel bietet.
Die Autorin möchte die „Ostalgie” nicht verteidigen, aber sie hält diese für ein „zeitgemäßes Gefühl”. Wenn sie sich an solche Gefühle” erinnert, nähert sie sich dem Kitsch. Als die Leipzigerin 2004 an den Demonstrationen gegen Hartz IV in Leipzig teilnimmt, hat „sie Tränen in den Augen”, denn für sie waren alle „öffentlichen Plätze” verschwunden, auf „denen man sich einst versammeln konnte”. Statt Plätze sah sie „Löcher” für den U-Bahnbau, „ein opulentes Flussbett” für die Pleiße, statt des ehemaligen Beton-Kanals, einen großen Teich auf dem Augustusplatz.
Die Tränen ob der verlorenen „Heimat” – ein Lieblingswort der Autorin – kann man verstehen, aber die Behauptung, Plätze hätten früher dem Versammeln gedient, ist reiner Politkitsch: Sie dienten allenfalls für Aufmärsche, wenn sich das Regime feierte, und nur in einer ganz kurzen Phase im November 1989 eroberten sich die Bürger die Straßen.
Dass Demonstrationen zur „tragenden Säule der ostdeutschen Identität” gehört haben sollen, weil es 1989 nur 222 Proteste, 1993 aber 283 Proteste gegeben habe, ist ein Rosstäuschertrick. Die Zahl der Proteste stieg nach 1989 nicht, weil sie „zur ostdeutschen Identität” gehörten, sondern weil es nach 1989 ein Demonstrationsrecht gab – im Gegensatz zur Zeit davor.
Wenn sich Jana Hensel überhaupt auf empirische Befunde einlässt, wird es eher lustig. Nach Umfragen geben 77 Prozent der Frauen im Osten zu Protokoll, nach 1989 habe sich die Lage „der” Frauen verschlechtert. Fragt man die Frauen jedoch nach ihrer persönlichen Lage, so meinen nur 19 Prozent, sie habe sich verschlechtert. Solche paradoxen Befunde gehören zum Alltag des Umfragewesens. Für Jana Hensel ist das Ergebnis hingegen „schockierend”, denn sie interpretiert den Graben zwischen der objektiven und der subjektiven Befindlichkeit als Ergebnis einer „Fehleinschätzung der eigenen Situation”, das heißt, sie unterstellt 58 Prozent der Frauen, sie verwechselten ihre reale Lage mit den in den Medien kursierenden Bildern und Meinungen. „Achtung Zone” ist ein ärgerliches und oberflächliches Buch. RUDOLF WALTHER
JANA HENSEL: Achtung Zone. Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten. Piper Verlag, München 2009. 188 Seiten, 14,95 Euro.
Der Autor ist Publizist und lebt in Frankfurt am Main.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Erfolgs-Sachbuchautorin Jana Hensel versucht hier, stellt die reichlich verstimmte Rezensentin Renate Meinhof fest, ein "Wir" zu konstruieren, das es nicht nur nicht gibt, sondern auch niemals gab. Und was noch schlimmer ist: Dieses "Wir" des Ossis, der die Welt nicht versteht, weil es die Welt des Westens ist, ist ihr von Herzen unsympathisch. Das liest sich, so Meinhof, wie die Klagen einer verbitterten alten Frau und weigere sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass es längst ganz andere Biografien von im Osten Geborenen gibt. Den Themen, den sich Hensel dann gesondert widmet, etwa dem Stasi-Streit zwischen Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe, sowie den ausländerfeindlichen Ausschreitungen der frühen Neunziger Jahre, zeige sie sich überdies analytisch nicht gewachsen. Also, kurz gesagt, die Rezensentin hat sich geärgert, und ist sehr dafür, dieses Buch zu vergessen und zu "begraben".

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