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Sherwin B. Nuland ist Arzt, Gelehrter und Bestseller-Autor (»Wie wir sterben«) und laut Oliver Sacks heute der beste Chronist der Medizingeschichte. Für ihn ist der ungarische Mediziner Ignaz Semmelweis (1818 1865) schon vor 25 Jahren zu einem Lebensthema geworden. Semmelweis entdeckte die Ursache für das Kindbettfieber. Unzählige Frauen starben, bis er in Wien durch simple Beobachtung herausfand, daß die Ärzte selbst ihre Patientinnen infizierten. Mit der bewegenden Geschichte einer jungen Mutter, die drei Tage nach der Geburt ihres Kindes stirbt, beginnt Nuland seine Biographie eines…mehr

Produktbeschreibung
Sherwin B. Nuland ist Arzt, Gelehrter und Bestseller-Autor (»Wie wir sterben«) und laut Oliver Sacks heute der beste Chronist der Medizingeschichte. Für ihn ist der ungarische Mediziner Ignaz Semmelweis (1818 1865) schon vor 25 Jahren zu einem Lebensthema geworden. Semmelweis entdeckte die Ursache für das Kindbettfieber. Unzählige Frauen starben, bis er in Wien durch simple Beobachtung herausfand, daß die Ärzte selbst ihre Patientinnen infizierten. Mit der bewegenden Geschichte einer jungen Mutter, die drei Tage nach der Geburt ihres Kindes stirbt, beginnt Nuland seine Biographie eines gescheiterten Genies. Er erzählt von den hygienischen Bedingungen in den Krankenhäusern der Zeit, schildert Semmelweis Entdeckung, seine damals kaum beachteten Vorschläge und schließlich sein tragisches Ende in der Psychiatrie.
Autorenporträt
Sherwin Nuland hat eine Professur für klinische Chirurgie und Medizingeschichte an der Universität Yale. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den preisgekrönten Bestseller How We Die (dt. 1994, Wie wir sterben ), der in 16 Sprachen übersetzt wurde. Nuland wurde dafür mit dem National Book Award ausgezeichnet und für den Pulitzer Prize sowie den National Book Critic Award nominiert. Er lebt in Connecticut.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2007

Gibt es Neues vom Retter der Mütter?
Sherwin B. Nuland erzählt dokudramatisch von Ignaz Semmelweis, dem Bekämpfer des Kindbettfiebers
Es gibt Heroen der Medizingeschichte, die wird man einfach nicht los. Geschichten und Heldennamen werden ihnen zugewiesen, Legenden werden um sie gerankt. Zu solchen ärztlichen Helden, die das Walhalla der Medizin in nicht geringer Zahl bevölkern, gehört zweifellos auch der österreich-ungarische Gynäkologe Ignaz Philipp Semmelweis (1818-1865), im historiographischen Nebenberuf „Retter der Mütter”. Jacob Brucks „geschichtlich-medicinische Studie” über Semmelweis (1887) eröffnete wohl den biographischen Reigen um diesen historischen Frauenarzt, der pommersche Arzt und Heimatdichter Theo Malade (1869-1944) errichtete ihm mit seinem Semmelweis-Erfolgsroman 1924 das Monument „Retter der Mütter”.
Filme folgten, darunter der DEFA-Film „Semmelweis – Retter der Mütter” (1950) und die Verfilmung von Michael Verhoeven von 1987, in der Semmelweis höchst ergreifend nur noch als „Arzt der Frauen” erscheint. In die biographische Semmelweis-Industrie reiht sich nun der amerikanische Chirurg und Bestsellerautor Sherwin B. Nuland mit seinem phantasiereichen Doku-Drama „Ignaz Semmelweis – Arzt und großer Entdecker” ein.
Dabei ist die professionelle Erfolgsstory des Gynäkologen schnell erzählt: Semmelweis, Sohn einer deutschsprachigen Kaufmannsfamilie, studierte in Wien Jura, dann Medizin in Pest. Ab 1841 war er wieder an der Universität Wien, wo er 1844 zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Anschließend arbeitete er als Assistent an der Ersten Geburtshilflichen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses, wo er auch mit der Ausbildung junger Medizinstudenten und Ärzte befasst war. Als Arzt an der Zweiten Geburtshilflichen Klinik in Wien, die 1839 zur Ausbildung von Hebammen gegründet wurde und an der – gegen den Trend – keine Obduktionen zu Lehrzwecken stattfanden, bemerkte Semmelweis, dass dort die Häufigkeit von Todesfällen durch Kindbettfieber wesentlich geringer war. Anhand der Sterblichkeitsstatistiken konnte Semmelweis nachweisen, dass Kindbettfieber als Ursache für Erkrankungen und Sterbefälle junger Mütter bald nach der Geburt angesehen werden musste.
Diese Hypothese belegte Semmelweis mit Obduktionen, worin ihn der Pathologe Carl von Rokitansky unterstützte. Es zeigte sich bald, dass das Kindbettfieber durch die untersuchenden Hände obduzierender Ärzte übertragen wurde. Nur mangelnde Hygiene konnte also die Ursache sein. Als Konsequenz führte er Waschungen und Instrumentenreinigungen mit wässriger Chlorkalklösung ein. Es gelang so, die Sterblichkeit zu senken, was die Theorie des Kindbettfiebers bewies. Allerdings stand Semmelweis mit dieser Meinung im krassen Gegensatz zu seinem Klinikchef Johannes Klein und einem Teil der Wiener Fakultätskollegen.
Was so als grandiose Geschichte einer bedeutenden Entdeckung zur Vermeidung einer dramatischen Gefährdung junger Mütter begonnen hatte, versank allerdings in den folgenden Jahren zunehmend im Chaos der Revolution des Jahres 1848. Zwar wurde Semmelweis von den wichtigsten Vertretern der Wiener Klinik massiv unterstützt. Hinderlich war nur, dass gerade diese, Skoda und Rokitansky, auch zur politisch progressiven Seite der Professorenschaft gehörten.
Nachdem auf Druck der revolutionären Parteigänger als Zugeständnis Lehr- und Lehrfreiheit durchgesetzt worden war, stand nun die Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Zustände an der Ersten Geburtshilflichen Klinik an. Diese wurde von der konservativen Professorenschaft massiv behindert. Damit war Semmelweis’ Entdeckung zum Politikum geworden, an dem sich die Geister in der Wiener Fakultät schieden. Das Opfer war Semmelweis, dessen Assistentenstelle nicht verlängert wurde. Immerhin noch die Habilitation gestattete man ihm 1850.
Der in Wien schnöde Abgewiesene nahm daraufhin die Stelle des Leiters der Geburtshilflichen Abteilung am St. Rochusspital in Pest an und konnte auch dort die Müttersterblichkeit mit seiner neuen Kindbetthygiene dramatisch senken. Auch dieser Umstand wird dafür gesprochen haben, ihm gegen den Widerstand seiner Kollegen 1857 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Geburtshilfe in Budapest zu erteilen. Semmelweis nutzte die gestärkte akademische Position nicht nur, um die Richtigkeit seiner Lehre erneut unter Beweis zu stellen, sondern auch dazu, seine Ergebnisse nun endlich zu publizieren. Wenig später erschien seine „Ätiologie des Kindbettfiebers” und verhalf der Geburtshygiene bald zum Durchbruch. Dies zu erleben allerdings sollte dem Entdecker nicht mehr vergönnt sein. Semmelweis starb 1865 unter bis heute nicht vollständig aufgeklärten Umständen in einer Wiener Anstalt für Geisteskranke an Blutvergiftung.
Dies alles hätte dem Forschungsstand entsprechend dargestellt werden können. Leider aber basiert Nulands neue dokudramatische Darstellung des Falls Semmelweis auf veralteten Quellen und verzichtet auf die einschlägigen. Von Zusammenhängen mit der Revolution 1848 in Wien erfährt der Leser so gut wie nichts. Stattdessen beruft sich der Verfasser allein auf seine bereits 1979 veröffentlichten Spekulationen über die angeblich selbstzerstörerische Ader des Entdeckers und ergeht sich in gewagten Hypothesen über eine Alzheimer-Erkrankung des Gynäkologen. Eine gute Chance wurde so vertan, Semmelweis und seine bedeutende Entdeckung neu und kenntnisreich in lesefreundlicher Weise dem Publikum zu präsentieren. WOLFGANG U. ECKART
SHERWIN B. NULAND: Ignaz Semmelweis. Arzt und großer Entdecker. Piper Verlag, München 2006. 224 Seiten, 17,30 Euro.
Eine ganze biographische Industrie gilt dem österreisch-ungarischen Arzt Ignaz Philipp Semmelweis (1818-1865), der die Geburtshygiene revolutionierte und seinerseits in Wien in die Wirren der Revolution von 1848 geriet. Nicht immer werden dabei die historischen Quellen angemessen verarbeitet. Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Was Wolfgang U. Eckart über den "Mütterretter" Ignaz Semmelweis zu berichten weiß, hat er nicht aus diesem Band. Wenig begeistert zeigt er sich über den "biografischen Reigen" um den Frauenarzt Semmelweis, in den sich auch dieses Buch einreiht. Um so enttäuschter zeigt sich Eckart als der Autor Sherwin B. Nuland für seine "dokudramatische Darstellung" nicht einmal den neuesten Forschungsstand berücksichtigt, sondern auf Basis einer eigenen Arbeit von 1979 munter drauflos spekuliert. Semmelweis Alzheimer und eine Neigung zur Selbstzerstörung anzudichten, hält Eckart für wenig hilfreich. Sein Urteil: Eine "vertane Chance".

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