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Schonungslos offen, dabei voller Poesie und mit entwaffnender Direktheit schildert Lucette Destouches erstmals ihr Leben an der Seite Louis Ferdinand Célines, der mit seinem Roman »Die Reise ans Ende der Nacht« weltberühmt wurde - und zugleich zu den umstrittensten Künstlern des 20. Jahrhunderts gehört.
»Mit dir möchte ich mein Leben beschließen. Ich habe dich auserwählt, nach meinem Tod meine Seele aufzufangen.« Sie war achtzehn Jahre jünger als er, eine Tänzerin am Beginn ihrer Karriere, er ein bereits berühmter Schriftsteller, als Céline Lucette diese unbedingte Liebeserklärung machte.
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Produktbeschreibung
Schonungslos offen, dabei voller Poesie und mit entwaffnender Direktheit schildert Lucette Destouches erstmals ihr Leben an der Seite Louis Ferdinand Célines, der mit seinem Roman »Die Reise ans Ende der Nacht« weltberühmt wurde - und zugleich zu den umstrittensten Künstlern des 20. Jahrhunderts gehört.

»Mit dir möchte ich mein Leben beschließen. Ich habe dich auserwählt, nach meinem Tod meine Seele aufzufangen.« Sie war achtzehn Jahre jünger als er, eine Tänzerin am Beginn ihrer Karriere, er ein bereits berühmter Schriftsteller, als Céline Lucette diese unbedingte Liebeserklärung machte. »Ich suchte mit ihm nicht das Glück; mir lag lediglich daran, ihn weniger unglücklich zu machen. Er brauchte meine Jugend und Fröhlichkeit, ich den Kopf eines Mannes, der gelebt hatte.
Deshalb fügten wir uns ineinander wie zwei Teile eines Puzzles.« Heute hochbetagt, schildert Lucette Destouches nun erstmals ihr gehetztes, entbehrungsreiches Leben an der Seite des verrückten Genies Céline, der mit seinem Roman »Die Reise ans Ende der Nacht« Weltliteratur schuf, dessen antisemitische Pamphlete ihn jedoch bis heute zu einem der umstrittensten Künstler dieses Jahrhunderts machen.

Autorenporträt
Lucette Destouches, geboren 1912 in Paris, lebt in Meudon. Mit dem Arzt und Schriftsteller Louis Ferdinand Céline war sie von 1936 bis zu seinem Tod 1961 verheiratet. Ausgebildet als Tänzerin, betrieb sie jahrzehntelang eine Tanzschule.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2003

Reise ans Ende der Ehe
Lucette Destouches erinnert sich an Louis-Ferdinand Céline

Dieses Leben war ein Albtraum. Ein weiter Weg von Selbstmordwunsch zu Selbstmordwunsch, eine furchtbar lange Reise durch die Nacht. Fünfundzwanzig Jahre lang war Lucette Destouches mit dem welt- und menschenverachtenden Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline verheiratet, und man kann nicht sagen, daß sich bei der nachträglichen Lebensbetrachtung viele Glücksspuren fänden.

Als ihre Erinnerungen an Céline vor zwei Jahren in Frankreich erschienen, war die Erwartung groß. Nicht allzuviel war aus dem Leben des 1961 verstorbenen egomanischen Autors von der "Reise ans Ende der Nacht" bekannt. Die Erinnerungen seiner langjährigen Lebensgefährtin, die die inzwischen einundneunzigjährige ehemalige Tänzerin und Tanzlehrerin einer Freundin diktierte, sollte den aufgrund seiner antisemitischen Hetzschriften verfemten Schriftsteller aus ungewohnter Nähe zeigen. Doch die Lebensdetails waren enttäuschend. Viele sogenannte Erinnerungen entsprangen ganz offensichtlich eher den Romanen Célines als dem wirklichen, eigenen Erleben. Literatur und Wirklichkeit hatten in Lucette Destouches' langem Dichter-Begleitungsleben im Kampf um die wahre Erinnerung gelegen, und die sogenannte Realität hatte sich als die unterlegene erwiesen. Die panische Flucht aus dem brennenden Deutschland, Dänemark als Horror-Staat, Sartres angebliches Buhlen um Célines Protektion - all das konnte man vorher schon kunstvoller im Dichter-Original lesen. Mit dem Lebens-Original hat es wahrscheinlich nicht viel zu tun, wenigstens nicht in den äußerlichen Lebensspuren.

Über das Zusammenleben mit dem manischen Schriftsteller ist aus dem Bericht aber doch einiges zu erfahren. Einiges, was sehr authentisch klingt: Ein solches Zusammenleben denkt man sich nicht aus, das muß man schon selbst erlitten haben. Das Buch beginnt wie eine Glückserinnerung: "Seit Louis' Tod interessiert mich das Leben nicht mehr. Es ist, als sei ich mit ihm in einem sauberen, klaren Fluß geschwommen und als fände ich mich ohne ihn in einem schmutzigen, verschlammten Tümpel wieder. Fünfundzwanzig Jahre haben wir miteinander verbracht, nur wir beide, ohne andere Menschen. Er hat mich vor allem beschützt, und ich habe ihm alles gegeben."

Als die Tänzerin Céline zum ersten Mal begegnete, war sie in depressiver Verfassung, fand ihr Leben trostlos und wollte es beenden. Céline war nicht eben ein Muntermacher. Kinoeinladungen sahen so aus: hinein ins Kino, Vorspann ansehen, erste Szene ansehen und wieder gehen. Der Mann langweilte sich schnell. Oder ein gemeinsames Essen im Restaurant: Céline bestellte, ohne die Dame nach ihren Wünschen zu fragen, zwei Steaks, schlang seines hinunter und verließ mit seiner verdutzten Begleiterin, die die Speisen auf ihrem Teller in der Eile nicht mal anrühren konnte, das Lokal. Nach diesen romantischen Schnellbesuchen folgte meistens ein offenbar eiliger Geschlechtsverkehr, dessen genaue Beschreibung das Buch uns erspart. Céline sah die Frauen dann in der Regel kein zweites Mal. "In der Regel schlief er nie öfters als einmal mit derselben Frau", schreibt seine spätere Ehefrau. Sie selbst verweigerte sich diesem Hochgeschwindigkeitsliebesverlauf, machte Kino- und Restaurantbesuch noch mit, den krönenden Abschluß des Abends jedoch verweigerte sie ihm offenbar. Scheinbar die richtige Taktik. Denn das reizte Céline, er umwarb sie und heiratete sie wenig später. Doch die Hochzeit verlief nach ähnlichem Muster wie seine früheren "Beziehungen": Schnell brachte man die Zeremonie hinter sich; die Trauzeugen bekamen nach der Vermählung nicht einmal einen Schluck zu trinken, von einem Hochzeitsfest ganz zu schweigen. Der Herr wollte lieber arbeiten.

Die Schilderungen des Ehelebens sind ein Grauen. Lucette Destouches lebte im Dienste des Dichters. Jegliche Schwierigkeiten des täglichen Lebens mußten um jeden Preis von dem Schriftsteller, der sich entschlossen hatte, gegen die ganze Welt zu kämpfen, abgehalten werden. Alles hat sie für ihn getan. Nichts bekam sie zurück. Wie der Alltag aussah, erfährt man nicht. Es wurde zum Beispiel offenbar praktisch nicht gesprochen: "Mit Louis unterhielt man sich nicht, das war so, und damit basta. Über Literatur wurde nicht gesprochen, über Musik auch nicht. Man lebte damit, und darauf kommt es an." Auch von Treue hielt Céline nichts: "Louis hielt sich Mätressen, über die er mit mir sprach. Es erregte ihn, mir von ihnen zu erzählen. Er brauchte diese sexuellen Phantasien und Visionen, um kreativ zu sein. Erst wenn es in seinem Kopf richtig hoch herging, fing er an zu schreiben." Und wer jetzt denkt, das sei aber doch recht demütigend für die Ehefrau, erfährt hier ihren Widerstand: "Ich habe mich immer geweigert, Sexorgien für ihn zu veranstalten."

Sie berichtet von zahlreichen Selbstmordversuchen, die sie während der Ehe unternahm und von denen sie Céline selbstverständlich nichts sagte. Sie findet es völlig in Ordnung, daß ihr Mann sie auf eine Stufe mit seinem Kater Bébert stellte: "Es hätte nicht anders sein können, denn der Kater war durch und durch eine Persönlichkeit."

Auch seine antisemitischen Hetzschriften, die wegen Lucette Destouches' Einspruch nicht mehr verlegt werden dürfen, entschuldigt sie damit, daß er seit dem Ersten Weltkrieg ein permanentes lautes Pfeifen im Ohr gehabt habe. Dies habe den "halluzinatorischen Charakter" seiner Pamphlete bedingt. Daß nicht jeder Mensch mit einem Summen im Ohr automatisch auf tausend Seiten die jüdische Weltverschwörung geißelt, scheint in dem Zusammenhang ein nicht ganz unnötiger Hinweis. "Heute", so schreibt sie, hätten die Pamphlete "ihre Daseinsberechtigung verloren". Daß sie damals eine Berechtigung gehabt haben sollen, ist eine Ungeheuerlichkeit, die man zwischen all den privaten Ungeheuerlichkeiten fast überliest.

Dann endlich, nach über hundert Seiten, ist der Albtraum beendet. Lucette Destouches lebt heute, einundneunzigjährig, im Kreise unzähliger Hunde und Katzen, eine Lederschirmmütze auf dem Kopf, und erinnert sich an ihre Lebenszeit mit dem Schreckensdichter Louis-Ferdinand Céline. Es war die glücklichste Zeit ihres Lebens.

VOLKER WEIDERMANN

Lucette Destouches mit Véronique Robert: "Mein Leben mit Céline". Aus dem Französischen übersetzt von Carina von Enzensberg. Mit einem Nachwort von Franziska Meier. Piper Verlag, München 2003. 126 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

25 Jahre war Lucette Destouches mit dem französischen Schriftsteller Louis-Ferdinand Celine verheiratet - für Volker Weidemann in Anspielung auf einen berühmten Romantitel Celines eine "furchtbar lange Reise durch die Nacht". Celine war ein unangenehmer Zeitgenosse und ein noch unangenehmerer Ehemann, das bestätigt ihr Bericht, der von den Details her für Weidemann eher enttäuschend ausfällt. Seiner Meinung nach hat sich Destouches' eigenes Erleben längst mit Szenen aus Celines Romanen durchmischt: die Flucht aus dem brennenden Deutschland, die Horrorerfahrung Dänemark, das Verhältnis zu Sartre - das Meiste, behauptet Weidemann, kenne man kunstvoller aus den Büchern Celines. Nebenbei lanciere die treue aber ständig suizidgefährdete Ehefrau, die das Leben an der Seite ihres Mannes als die glücklichste Zeit ihres Lebens bezeichnet, skandalöse Bemerkungen in Bezug auf den Antisemitismus ihres Mannes, so Weidemann: so schreibe sie seine Hetzschriften einem permanenten Pfeifton im Ohr zu, das er sich im ersten Weltkrieg zugezogen habe. Im übrigen hätten diese Schriften heute ihre "Daseinsberechtigung" verloren, begründe Destouches das von ihr verfügte Publikationsverbot - dass sie jemals eine Berichtigung gehabt haben sollen, findet Weidemann eine "Ungeheuerlichkeit".

© Perlentaucher Medien GmbH