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Der Autor betont den untrennbaren Zusammenhang von politischer, wirtschaftlicher und militärischer Sicherheit in der ersten Dekade des Kalten Krieges. Ausgehend von diesem umfassenden Sicherheitsbegriff untersucht er das Wechselspiel zwischen transatlantischer und westeuropäischer, aber auch zwischen politisch-wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit unter der Leitfrage ihrer Bedeutung für die Sicherheit der westeuropäischen Nationalstaaten. In einer dichten integrationsgeschichtlichen Studie aus multinationaler Warte kommen erstmals in dieser Breite die wichtigsten der an diesen…mehr

Produktbeschreibung
Der Autor betont den untrennbaren Zusammenhang von politischer, wirtschaftlicher und militärischer Sicherheit in der ersten Dekade des Kalten Krieges. Ausgehend von diesem umfassenden Sicherheitsbegriff untersucht er das Wechselspiel zwischen transatlantischer und westeuropäischer, aber auch zwischen politisch-wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit unter der Leitfrage ihrer Bedeutung für die Sicherheit der westeuropäischen Nationalstaaten.
In einer dichten integrationsgeschichtlichen Studie aus multinationaler Warte kommen erstmals in dieser Breite die wichtigsten der an diesen Prozessen beteiligten internationalen wie nationalen Akteure zu Wort. Dabei wird überraschend deutlich, wie sich die Nationalstaaten vor allem dank der Nordatlantischen Allianz dem Zwang einer vertieften politischen Integration zu entziehen vermochten. Denn die Allianz unter amerikanischer Führung befriedigte das militärische Sicherheitsbedürfnis ohne Abtretung von Souveränitätsrechten, ohne die keine wirksame europäische Verteidigungsgemeinschaft aufgebaut werden konnte. Die Europäer legten statt dessen die Grundlagen des bis heute gültigen Systems der europäischen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Seine gründliche Reform steht gegenwärtig auf der Tagesordnung.
Autorenporträt
Dieter Krüger: Jahrgang 1953, 1972-1980 Studium in Marburg, 1981-1984 Stipendiat am Europäischen Hochschulinstitut Florenz, Dr. phil., 1984-1986 Archivreferendar in Detmold und Marburg, 1987-1993 Referatsleiter im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg, 1994-1996 Leiter des Berlin Document Center, seit 1997 Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2004

Integration als Instrument
Die Schaffung eines europäischen Souveräns war kein eigenständiges Ziel der Nationalstaaten

Dieter Krüger: Sicherheit durch Integration? Die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit Westeuropas 1947 bis 1957/58. R. Oldenbourg Verlag, München 2003. VIII und 567 Seiten, 44,80 [Euro].

Die Befürworter einer politischen Integration Europas warten seit Jahrzehnten darauf, daß die vielfältigen Verflechtungen, die seit 1947 zwischen den Staaten (West-)Europas gewachsen sind, früher oder später einen qualitativen Umschwung in Richtung auf die Gründung eines Bundesstaates Europa bewirken. Die Hoffnung, daß dieser Bundesstaat quasi durch die Hintertür entstehen könnte, hält Dieter Krüger vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam jedoch für eher ungewiß. Seit fünfzig Jahren sieht er Europa in einem merkwürdigen Schwebezustand zwischen Bundesstaat und Staatenbund. Für das erste Jahrzehnt von 1947 bis 1957 hat er dieses Phänomen in einer Studie untersucht, die im Kontext einer Reihe über die Entstehung und frühen Probleme des nordatlantischen Bündnisses steht. Von daher wundert es auch nicht, wenn die leitende Fragestellung sich nicht vorrangig an Fragen der Wirtschaftspolitik oder der Weltpolitik im Zeichen des Kalten Krieges und der Dekolonialisierung orientiert. Krüger geht vielmehr von einem umfassenden Sicherheitsbegriff als Staatszweck erster Ordnung aus, nach dem jeder Staat bestrebt sein muß, seinen äußeren Bestand zu sichern und die innere Stabilität und gesellschaftliche Kohärenz auf einem möglichst hohen Niveau zu halten. Die Wahrung der Souveränität war ein zentrales Anliegen auch der integrationsbereiten Staaten Europas. Und zu Recht weist er darauf hin, daß die Regierungen der von der Bedrohung durch das nationalsozialistische Deutschland befreiten Staaten keineswegs mit aller Kraft danach strebten, sich selbst nach so kurzer Zeit schon wieder abzuschaffen: "Die Schaffung eines europäischen Souveräns war zu keinem Zeitpunkt eigenständiges Ziel der Nationalstaaten, sondern ein Instrument zur Durchsetzung ihrer jeweiligen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Sicherheitsinteressen."

Am Anfang der Integrationsdekade stand das European Recovery Program (ERP), besser bekannt als Marshallplan, eine Initiative der Vereinigten Staaten. Die Bereitschaft Washingtons, nach dem Ende des Krieges dauerhaft in Europa zu verbleiben, deutet Krüger als präventive Maßnahme. Die Vereinigten Staaten wollten sicherstellen, daß nicht nach einer Übergangszeit Nordamerika wieder von einem diesmal kommunistisch geführten Europa herausgefordert und bedroht werden könnte. Der Einfluß der Sowjetunion auf die noch keineswegs im Innern gefestigten Staaten Westeuropas konnte am nachhaltigsten durch deren feste Verankerung im Kreis der marktwirtschaftlich verfaßten Demokratien eingedämmt werden. Die wirtschaftlichen Motive und kurzfristigen Wirkungen des Marshallplans werden häufig überschätzt. Zwar hielten dessen Fördermittel die europäischen Märkte für die amerikanische Wirtschaft offen, viel wichtiger war für die Vereinigten Staaten ihre damit verbundene Stellung als Ordnungs- und Weltmacht. Und auf die am ERP beteiligten Staaten wirkte sich der Marshallplan gesellschaftlich stabilisierend aus, lange bevor sich seine wirtschaftlichen Effekte entfalten konnten. Der bilaterale Charakter des ERP festigte die nationalen Souveränitäten und führte, wie im Fall der Bundesrepublik, zu einer Verringerung der Besatzungslasten oder, wie im Fall Italiens, zur endgültigen Aufnahme eines ehemaligen Feindstaates in den Kreis der Siegermächte.

Mit dem Ausbruch des Korea-Krieges reagierten die Sowjetunion und ihre Verbündeten nicht zuletzt auf die einsetzende Integration des Westens. Mit der Verlagerung der amerikanischen Aufmerksamkeit nach Ostasien sahen sich die westeuropäischen Demokratien, allen voran Frankreich, vor dem Dilemma, die eigenen sicherheitspolitischen Bemühungen zu verstärken, dabei Westdeutschland als Frontstaat in diese Bemühungen einbeziehen zu müssen und gleichzeitig das Bestreben nach Sicherheit vor Deutschland nicht zu vernachlässigen. Nicht von ungefähr ging die Initiative zur Verflechtung der westeuropäischen Montanwirtschaften von Frankreich aus. Der Schumanplan ersetzte die Ruhrbehörde faktisch durch die Hohe Behörde der Montanunion und bedeutete für die Bundesrepublik einen Zugewinn an Ansehen und Souveränität, ohne daß die neuen Partner auf die Kontrolle eines zentralen Teils des deutschen Wirtschaftspotentials verzichten mußten. Auch der Plevenplan zur Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) folgte dem Handlungsmodell, das zu europäisieren, was den Franzosen an Deutschland angst machte. Mit der EVG und der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) und dem damit verbundenen Verzicht auf militärische und außenpolitische Selbständigkeit war jedoch für die Mehrheit der Franzosen der Grenznutzen der Strategie Sicherheit durch Integration überschritten. Es war daher nicht allein die Aussicht auf einen günstigen Indochina-Frieden, um deretwillen die französische Nationalversammlung trotz amerikanischen Drucks das Fortschreiten der Integration stoppte. Letztlich wollten weder Frankreich noch Großbritannien ihren eigenständigen Status als Großmächte preisgeben.

Am Ende profitierte die Bundesrepublik von dieser Entwicklung, denn gute acht Monate nach dem Votum der Pariser Nationalversammlung war sie sowohl ein souveräner Staat als auch Mitglied der Nato. Nach der Entscheidung für die deutsche Wiederbewaffnung war die Bundesrepublik nunmehr in der Lage, ihr wirtschaftliches Potential noch stärker in politischen Einfluß umzumünzen, der zwar nicht den Status der nach atomarer Bewaffnung strebenden Nachbarn Frankreich und Großbritannien bedrohte, sehr wohl aber die kleinen Nachbarn erheblich benachteiligen konnte. Folgerichtig kam die nächste Integrationsinitiative von seiten der Beneluxstaaten. Ihr vitales Sicherheitsinteresse bestand darin, nicht auf den Märkten der großen Nachbarn benachteiligt zu werden. Das konnte mit einer Ausweitung der Montanunion auf den gesamtwirtschaftlichen Bereich vermieden werden. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bildete seit dem Abschluß der Römischen Verträge vom 25. März 1957 den Ersatz für eine politische Integration, zu der die Staaten Europas letztlich nicht bereit waren. Aus Sicht aller beteiligten Regierungen bestand dazu auch keine Notwendigkeit mehr, da die Nato als intergouvernementale Einrichtung eine Grundversorgung militärischer Sicherheit ohne nennenswerte Souveränitätseinbußen garantierte.

Washington akzeptierte die sich aus der EWG ergebende handelspolitische Diskriminierung, weil man dort begriffen hatte, daß die wirtschaftliche Sicherheit für ihre Verbündeten ein wesentliches Element ihrer militärischen Sicherheit darstellte. Dabei überwog eindeutig die mit ihrer Führerschaft in der Nato verbundene weltpolitische Hegemonialstellung. Innerhalb der Nato war politische Einigkeit sogar nur zweitrangig; dies belegen sowohl das Verhalten der Vereinigten Staaten während der Suez-Krise als auch die mangelnde Fähigkeit der Nato, begrenzte Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern.

Dieter Krügers Studie beleuchtet das Integrationsproblem aus einer bislang vernachlässigten Perspektive. Sie bringt Motivlagen zum Vorschein, die so gar nicht zu dem heute oft schon mythifizierten Bild der europäischen Patriarchen Adenauer, Schuman, Monnet und Beyen passen wollen. Daß hinter der kontinentalen Fassade des "alten" Kultureuropa ganz manifeste nationale Interessen wirksam waren und sind, darf aber gerade in den Diskussionen um die weitere Entwicklung der nach Osten stark erweiterten Europäischen Union nicht vergessen werden.

MICHAEL HOLLMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aus der bisher vernachlässigten Perspektive der Sicherheitspolitik betrachtet diese Studie von Dieter Krüger zur Zufriedenheit des Rezensenten Michael Hollmann die Bildung des europäischen Staatenbundes. In dem das Buch so handfeste nationale Interessen an einem Zusammenschluss europäischer Staaten ins Zentrum seiner Betrachtung rückt, bringt es für Hollmann auch politische Motivlagen zum Vorschein, die für ihn "so gar nicht in das heute oft schon mystifizierte Bild der europäischen Patriarchen Adenauer, Schumann, Monnet und Beyen" passen. Auch ist Krügers Blick auf die europäische Integrationspolitik als Instrument zur Stärkung und Festigung der einzelnen Mitgliederstaaten für den Rezensenten im Hinblick auf die EU-Ostererweiterung interessant.

© Perlentaucher Medien GmbH