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Mit Andreas Rödders Band kommt der "Oldenbourg Grundriss der Geschichte" in unserer jüngsten Vergangenheit an. 1969 war das Jahr des ersten sozialdemokratischen Kanzlers; aber die Zäsur ging tiefer: Es begann das Ende der Nachkriegszeit, deren Schlusspunkt schließlich die Wiedervereinigung bildete. Andreas Rödder stellt seine forschungsorientierte Gesamtdarstellung in einen breiten, europäischen Zusammenhang. Leitlinien sind: die internationale Politik und die deutsche Frage; das politische System und der Sozialstaat; der technologische und ökonomische Strukturwandel; die gesellschaftliche…mehr

Produktbeschreibung
Mit Andreas Rödders Band kommt der "Oldenbourg Grundriss der Geschichte" in unserer jüngsten Vergangenheit an. 1969 war das Jahr des ersten sozialdemokratischen Kanzlers; aber die Zäsur ging tiefer: Es begann das Ende der Nachkriegszeit, deren Schlusspunkt schließlich die Wiedervereinigung bildete. Andreas Rödder stellt seine forschungsorientierte Gesamtdarstellung in einen breiten, europäischen Zusammenhang. Leitlinien sind: die internationale Politik und die deutsche Frage; das politische System und der Sozialstaat; der technologische und ökonomische Strukturwandel; die gesellschaftliche Entwicklung und der Wertewandel im Zeichen der Postmoderne. Ergänzt wird der Band wie immer durch eine ausführliche, thematisch gegliederte Bibliographie.
Autorenporträt
Andreas Rödder, geboren 1967, ist Professor für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2004

Von Brandt bis Kohl
Geschichte der Bundesrepublik in den Jahren 1969 bis 1990

Andreas Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990. R. Oldenbourg Verlag, München 2003. XV und 330 Seiten, broschiert 24,80 [Euro], gebunden 39,80 [Euro].

Rückblicke auf die siebziger und achtziger Jahre haben derzeit in den Unterhaltungsmedien Konjunktur. Dem Infotainment fällt es dabei leicht, diese beiden Dekaden durch die Betonung des Fremdartigen und oft Sympathisch-Skurrilen als eine vergangene Zeit aufzufassen und die Eigenständigkeit dieser "Epoche" zu begreifen. Der Blick auf ihre Musik, Kunst und Mode muß nicht zwangsläufig verstellt sein durch das Wissen um den weiteren Gang der Geschichte. Für die Bereiche der internationalen Politik, der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen Entwicklung fällt dies schon bedeutend schwerer. Während grelle Modefarben getrost als etwas abgetan werden können, das den heutigen Betrachter nicht mehr betreffen muß, kann etwa die Änderung des Abtreibungsrechts auch heute noch Gegenstand kontroverser Diskussionen sein. Diese persönliche Betroffenheit stellt den Historiker, der sich den siebziger und achtziger Jahren mit dem Besteck seiner Wissenschaft nähern will, vor eine besondere Herausforderung. Seine eigene (Lebens-)Zeit sine ira et studio daraufhin zu befragen, wie die Dinge eigentlich gewesen sind, und sich bei ihrer Beurteilung ausschließlich auf die zeitgenössischen Erkenntnis- und Entscheidungshorizonte zu reduzieren, erfordert ein hohes Maß methodischer Disziplin.

Andreas Rödder, 1967 geboren und Privatdozent für Neuere Geschichte in Stuttgart, stellt sich dieser Aufgabe, und ihm ist ein interessantes und vor allem auch gut lesbares Buch gelungen. Er bettet die Darstellung der siebziger und achtziger Jahre ein in die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Tendenzen. Deren Skizze stellt er an den Anfang und stimmt so ein für die chronologische Darstellung, deren Gliederung sich aus den Regierungszeiten der drei Bundeskanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl von alleine ergibt. Die Etiketten für die einzelnen Phasen sind treffend gewählt. "Modernisierungseuphorie" kennzeichnete die Ära Brandt, die getragen wurde von einem festen Glauben an die Planbarkeit politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen. Ihre Generalthemen waren außenpolitisch der Ausgleich mit den östlichen Nachbarn, deutschlandpolitisch "Wandel durch Annäherung" und innenpolitisch die Demokratisierung der Industriegesellschaft. Viele Neuansätze und Reformen blieben unter dem Einfluß der weltweiten Krise des Jahres 1973 jedoch stecken. Andere Reformen im Bildungswesen oder in der Rentenpolitik wurden dagegen leider nur allzuoft ohne den realistischen Blick für deren nachhaltige Finanzierbarkeit auf den Weg gebracht und damit zur Hypothek für die nachfolgenden Regierungen.

Die Ära Schmidt überschreibt Rödder mit dem Etikett "Krisenmanagement". Helmut Schmidt fiel die undankbare Aufgabe zu, die wohlfahrtsstaatliche Expansion zu beenden und das bis dahin Erreichte möglichst zu konsolidieren. Sowohl innen- als auch außenpolitisch hatte er einen schweren Stand bei der Bewältigung nicht nur der wirtschaftlichen Probleme. 1981 übersprang die nunmehr strukturelle Arbeitslosigkeit dauerhaft die Millionen-Marke. Der RAF-Terrorismus hinterließ deutliche Spuren in der deutschen Gesellschaft, und die Auseinandersetzungen um die Sicherheitspolitik und den Nato-Doppelbeschluß machten endgültig sichtbar, daß der politisch-kulturelle Gründungskonsens der Bundesrepublik in Auflösung begriffen war. Im Zeichen von Zukunftsangst und Zivilisationsskepsis entstanden "von unten" vielfältige kritische Bewegungen von der Bürgerinitiative bis hin zur Umweltbewegung und zur Friedensbewegung.

Das offensichtliche Fehlen erfolgversprechender Rezepte erzeugte 1982 erneut ein Klima des politischen Wechsels. Mit "Neuorientierung und Kontinuität" überschreibt Rödder die erste Hälfte der Ära Kohl von 1982 bis 1998. Kontinuität herrschte in nahezu allen Politikfeldern vor, das Neue bestand vorwiegend in Akzentverschiebungen wie etwa der Betonung der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Familie. Viele Problemthemen blieben. Insbesondere konnte trotz allgemeiner konjunktureller Erholung die Arbeitslosigkeit nicht erkennbar zurückgeführt werden. Der hohe Anspruch einer allgemeinen geistig-moralischen Wende konnte nicht eingelöst werden, nicht zuletzt, weil der allgemeine soziokulturelle Wandel im Zeichen von Individualisierung und radikaler Pluralisierung nicht mehr umzukehren war.

Nirgendwo werden die Kontinuitäten besser sichtbar als in der Deutschlandpolitik. Eine operative Wiedervereinigungspolitik betrieb Helmut Kohl schon nicht mehr, vielmehr wurde unter seiner Ägide Wandel durch Annäherung Realität. Der Empfang Honeckers 1987 in der Bundesrepublik bedeutete faktisch die Anerkennung der DDR ausgerechnet durch eine christdemokratisch geführte Regierung. Alles in allem wurden 1989 zum 40. Geburtstag der Bundesrepublik positive Bilanzen gezogen. Der deutsche Weststaat galt trotz aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme als konsolidiert und stabil.

Die deutsche Wiedervereinigung 1989/90 markiert die eigentliche Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte; erst 1990 war die Nachkriegszeit definitiv zu Ende. Dahinter treten die vermeintlich epochalen Zäsuren der Jahre 1969 und 1982 deutlich zurück. Die Krise des Jahres 1973 bildet aus heutiger Sicht den wichtigsten Wendepunkt.

Seiner chronologischen Darstellung hätte Rödder nach dem Muster der "Oldenbourg-Grundrisse" eine Zusammenfassung des historischen Forschungsstands folgen lassen müssen. Da die Forschung sich dieser Periode bislang aber nur sehr zögerlich nähert, muß Rödder sich weitgehend auf die Skizzierung von möglichen Forschungsfeldern und -ansätzen beschränken. Das ist aus Sicht des Lesers kein Nachteil, wenn auch dieser Teil über weite Strecken zu einer zweiten monographischen Darstellung gerät, nun aber unter systematisch-thematischen Aspekten.

MICHAEL HOLLMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hut ab vor Andreas Rödder, fordert Michael Hollmann, denn wenn ein Historiker die eigene Lebenszeit zum Gegenstand der Betrachtung macht und sich dabei den wissenschaftlichen Standards seiner Disziplin gewachsen zeigt, dann demonstriere das "ein hohes Maß an methodischer Disziplin". Und Rödders Darstellung der bundesrepublikanischen Geschichte unter den Ägiden der Kanzler Brandt ("Modernisierungseuphorie"), Schmidt ("Krisenmanagement") und Kohl ("Neuorientierung und Kontinuität") überzeuge nicht allein durch die "treffende" Benennung der Phasen, sondern mehr noch durch gute Lesbarkeit, die sich einer sauber gegliederten chronologischen Darstellung verdanke und eine klare historische Perspektive auf eine junge, noch recht unerforschte Vergangenheit eröffne.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Handbuch bietet nicht nur einen ausgezeichneten, für die Lehre überaus nützlichen Überblick über das komplexe Feld der gegenwartsnahen Zeitgeschichte, sondern spiegelt auch die spannenden Perspektiven der aktuellen zeithistorischen Forschung wider." (Gabriele Metzler in: Neue Politische Literatur, 2/2005)