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Nahezu eine halbe Million italienischer Militärinternierter arbeitete zwischen 1943 und 1945 in der deutschen Rüstungsindustrie. Ihr Einsatz stellte den letzten spürbaren Einschnitt in der nationalsozialistischen Ausländerbeschäftigung dar. Auf der Basis umfassender Archivstudien, mündlicher und schriftlicher Befragungen wie auch der Erinnerungsliteratur zeichnet die Untersuchung eine detailgenaue Analyse der sozialen Realität dieser Gefangenen. Dabei werden die Entscheidungsprozesse im späten Nationalsozialismus ebenso beleuchtet wie die Auswirkungen der disparaten Politik für die…mehr

Produktbeschreibung
Nahezu eine halbe Million italienischer Militärinternierter arbeitete zwischen 1943 und 1945 in der deutschen Rüstungsindustrie. Ihr Einsatz stellte den letzten spürbaren Einschnitt in der nationalsozialistischen Ausländerbeschäftigung dar. Auf der Basis umfassender Archivstudien, mündlicher und schriftlicher Befragungen wie auch der Erinnerungsliteratur zeichnet die Untersuchung eine detailgenaue Analyse der sozialen Realität dieser Gefangenen. Dabei werden die Entscheidungsprozesse im späten Nationalsozialismus ebenso beleuchtet wie die Auswirkungen der disparaten Politik für die Betroffenen. Besondere Aktualität erhält das Buch angesichts der Diskussion um eine angemessene Entschädigung der Zwangsarbeiter.
Am 8. September 1943 verkündete Italien die bedingungslose Kapitulation gegenüber den Alliierten. Rigoros und mit vielerorts völkerrechtswidrigen Methoden entwaffneten die Deutschen die italienischen Streitkräfte im Mittelmeerraum. Der deutschen Kriegswirtschaft brachten diese politischen Veränderungen nur Vorteile: Fast 500.000 italienische Soldaten und Unteroffiziere standen nun für die Arbeit in der Rüstungs- und Schwerindustrie, in der Bauwirtschaft und im Bergbau zur Verfügung. Sie befanden sich bereits nach kurzer Zeit am Ende der sozialen Hierarchie, nur wenig besser behandelt als "Ostarbeiter" und sowjetische Kriegsgefangene. Dafür zeichnete Hitler verantwortlich, der ihnen aus Rücksicht gegenüber dem Bündnis mit Mussolini und der Repubblica Sociale Italiana den Sonderstatus der "Militärinternierten" zuwies. Dazu kam die in allen politischen Ebenen festzustellende Widersprüchlichkeit, die Italiener einerseits für den als "Verrat" angesehenen Kriegsaustritt rücksichtslos zu bestrafen und sie andererseits möglichst effektiv in der Kriegswirtschaft einzusetzen. Eine gravierende Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen war die Folge. Erst im Frühsommer 1944 setzte zunächst in den Unternehmen und später in der Reichsleitung ein Umdenkungsprozeß ein, der schließlich im August/September 1944 zu der Entlassung der Militärinternierten in das Zivilverhältnis führte. Dieser Statuswechsel brachte jedoch nur eine kurzfristige Entspannung, bevor sich ihre soziale Realität in den letzten Kriegsmonaten wieder drastisch verschärfte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2003

Vorletzte Stufe
Die Lebensbedingungen der italienischen Zwangsarbeiter

Gabriele Hammermann: Zwangsarbeit für den "Verbündeten". Die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943-1945. Verlag Niemeyer, Tübingen 2002. X und 719 Seiten, 104,- [Euro].

Nachdem Lutz Klinkhammer 1993 die Gesamtpolitik des "Dritten Reiches" gegenüber Mussolinis Repubblica Sociale Italiana (RSI) erörtert hatte, geht es in der nun anzuzeigenden Studie von Gabriele Hammermann um die in den Jahren 1943 bis 1945 nach Deutschland verbrachten Italiener. Durch den politisch gut motivierten Abfall Italiens aus dem für das Land fatal gewordenen Achsenbündnis waren zirka 800000 italienische Soldaten in deutsche Gefangenschaft geraten, von denen mehr als die Hälfte bis Kriegsende festgehalten worden sind. Entgegen den Regeln des Völkerrechts, über die sich nicht nur die NSDAP, sondern auch die Berliner Bürokratie und das Oberkommando der Wehrmacht hinwegsetzten, wurden sie zu "Militärinternierten" erklärt und zur Zwangsarbeit verpflichtet; ungefähr 30 000 sind ums Leben gekommen. Auf diese Weise rächte sich das nationalsozialistische Deutschland für den angeblichen "Verrat". Die mehrheitlich gut qualifizierten Italiener hatten in der Rüstungsindustrie die deutschen Arbeiter zu ersetzen, welche in den "totalen Krieg" ziehen mußten. Die Thematik war schon seit den sechziger Jahren von Vittorio Emanuele Giuntella und von manchen Resistenza-Instituten aufgegriffen worden. Intensiver wird sie seit den achtziger Jahren erforscht, von italienischen Autoren wie Luigi Cajani, Giorgio Rochat und Brunello Mantelli. Deutscherseits veröffentlichte Gerhard Schreiber 1990 eine grundlegende Untersuchung. Darüber führt Frau Hammermann insofern hinaus, als sie in zentralen Kapiteln ihrer Studie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter minutiös beschreibt - und zwar aufgrund ausgedehnter und sorgfältiger Archivrecherchen, für Deutschland auch in Gerichts- und Polizeiakten sowie in Firmenarchiven.

Die Bedingungen waren auch deshalb so hart, weil Joseph Goebbels' Propaganda den Volkszorn gegen die "Verräter" aufhetzte: Die Italiener wurden auf die vorletzte Stufe der Gefangenenhierarchie verwiesen, hinter ihnen standen nur die Russen. Viele Deutsche ließen das die italienischen Arbeiter spüren, doch gab es nicht wenige Ausnahmen. Nicht alle Deutschen waren ja Nazis! Immerhin konnte auch die RSI, auf die Hitler Rücksicht nehmen mußte und die er darum als Schutzmacht der Zwangsarbeiter anerkannte, die eine oder andere Milderung erreichen, und wirksamer betätigte sich in diesem Sinne die katholische Militärseelsorge. Wenn auch die Reichsminister Sauckel und Speer etwas für die Internierten taten, so nur, um deren Arbeitskraft zu erhalten oder zu erhöhen. Restriktiv handelten oft die Gauleiter, welche größeren Einfluß hatten als die eigentlich zuständigen militärischen Behörden. Erst die im Sommer 1944 erfolgte Überführung der meisten Internierten in den Status ziviler Arbeiter brachte ihnen wesentliche Erleichterungen.

Die einleitenden Kapitel resümieren die italienischen Umbrüche des Jahres 1943, die Zweiteilung des Landes und die Rahmenbedingungen der Gefangenschaft der Italiener. Dabei wären die Motive Mussolinis, der wenigstens einiges von dem zuvor Bewirkten zu retten und zugleich die deutschen Härten zu mildern suchte, gründlicher zu erörtern. Sie sind analysiert in den beiden letzten Bänden der Mussolini-Biographie von Renzo De Felice, den Frau Hammermann sehr vereinfachend als konservativ einstuft. Die beiden Schlußkapitel behandeln die Endphase des Krieges mit ihren Radikalisierungen, die Repatriierung und die nach Ansicht der Verfasserin gescheiterte Reintegration der Gefangenen. Auch hier wären Fragezeichen angebracht. Schließlich werden die Wiedergutmachungsleistungen der Bundesrepublik in den Jahren 1959 bis 1964 skizziert und kritisiert, weil sie sich auf frühere KZ-Häftlinge konzentrierten. Es ist daher konsequent, daß die Autorin für weitere Entschädigungen plädiert.

Darüber kann man diskutieren. Aber mit Büchern wie diesem und dem kurz zuvor erschienenen von Joachim Staron über die Massaker des Jahres 1944 (F.A.Z. vom 5. November 2002) dürfte die historische Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutsch-italienischen Beziehungen abgeschlossen sein. Man sollte sich nun auch wieder dem folgenden zuwenden: der erfolgreichen Verständigungspolitik De Gasperis und Adenauers seit 1946 beziehungsweise 1949. Deren Regierungen sind einer breiten Vergangenheitsdiskussion aus dem Weg gegangen, weil eine solche damals von der DDR und von den italienischen Kommunisten initiiert wurde, um die neue Stabilität im westlichen Bündnis zu stören.

RUDOLF LILL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Recht überzeugend findet Rezensent Rudolf Lill die vorliegende Studie über die Arbeits- und Lebensbedingungen der zwischen 1943 bis 1945 zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportierten Italiener, von denen rund 30.000 die unmenschlichen Arbeitsbedingungen nicht überlebt haben. Über bisherige Arbeiten zum Thema geht Gabriele Hammermanns Buch nach Lills Ansicht insofern hinaus, als sie Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter "minutiös" beschreibe. Grundlage der Studie bilden nach Lill "ausgedehnte und sorgfältige" Archivrecherchen, unter anderem in Gerichts- und Polizeiakten sowie in Firmenarchiven. Neben der Darstellung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter geht Hammermann auch auf die italienischen Umbrüchen des Jahres 1943 ein, die Zweiteilung des Landes, die Endphase des Krieges mit ihren Radikalisierungen und der Repatriierung und Reintegration der Gefangenen, berichtet Lill. Ob die Repatriierung und Reintegration der Gefangenen wirklich misslungen ist, wie die Autorin meint, erscheint Lill allerdings zweifelhaft. Zudem hätte er sich eine etwas gründlicher Erörterung der Rolle Mussolinis gewünscht.

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