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Die Rezeption der Antike in der deutschen Literatur von der Renaissance bis zur Gegenwart ist Gegenstand dieses Buches. Es untersucht die Funktionen antiker Sujets innerhalb der jeweiligen zeitgeschichtlichen Bedingungen und poetischen Konzeptionen. Aus der Fülle des dargestellten Materials können nicht nur klassische Philologen und Germanisten, sondern auch Kulturhistoriker, Philosophen, Theaterwissenschaftler u.a. schöpfen.

Produktbeschreibung
Die Rezeption der Antike in der deutschen Literatur von der Renaissance bis zur Gegenwart ist Gegenstand dieses Buches. Es untersucht die Funktionen antiker Sujets innerhalb der jeweiligen zeitgeschichtlichen Bedingungen und poetischen Konzeptionen. Aus der Fülle des dargestellten Materials können nicht nur klassische Philologen und Germanisten, sondern auch Kulturhistoriker, Philosophen, Theaterwissenschaftler u.a. schöpfen.
Autorenporträt
Der Autor: Volker Riedel, ab 1968 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Künste zu Berlin; 1987 Professor für Klassische Philologie an der Universität Jena; zahlreiche Publikationen zur antiken und zur deutschen Literatur. Bei J.B. Metzler Mitherausgeber des Neuen Pauly in 15 Bänden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2001

Wurzelholz der Zauberflöte
Volker Riedel untersucht die Antikerezeption

Matthias Claudius, den ein kluger Beobachter einmal einen "Sokrates aus Wandsbek" (Bernhard Richter) genannt hat, war allein schon durch die langjährige Freundschaft mit Johann Heinrich Voß, die später freilich an den unterschiedlichen Auffassungen zur Französischen Revolution zerbrach, in vielen altertumswissenschaftlichen Fragen auf der Höhe seiner Zeit. Sein Werk ist über weite Teile erst als Antikerezeption zu begreifen: Den einfachen Text des "Morgenlieds eines Bauermanns", das im "Voßischen Musenalmanach" auf das Jahr 1777 mit einer Melodie von Johann Friedrich Reichardt erschien, versah Claudius für den Druck mit einer Fülle hochgelehrter "Anmerkungen von meinem Vetter darin er mich zum besten hat": Sie bieten Zitate griechischer Autoren aller Jahrhunderte von Homer bis zu Stobaios und Dionysius Areopagita, die jeweils so knapp aus dem Kontext herausgeschnitten sind, daß sie zu einzelnen Wendungen im Text des Morgenlieds scheinbar passen: eine köstliche Parodie auf die allzu wild und unreflektiert ausgeübte Parallelstellenjagd der zünftigen Philologie.

Von Claudius stammt auch eine zuerst 1790 im fünften Teil des "Asmus omnia sua secum portans" veröffentlichte Übersetzung der "Apologie des Sokrates", die der Hamburger Gräzist Bruno Snell bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Taschenbuch neu herausbrachte: als einen Text, der nach vielen Jahren des Kriegstodes nicht nur nach dem Sinn des Sterbens neu zu fragen erlaubte, sondern auch nach einer Ära mißbrauchter Folgsamkeit gegen die Rechtsvorschriften der nationalsozialistischen Diktatur über den Gehorsam gegen die Gesetze ganz neu nachzudenken verlangte.

Davon berichtet allerdings die als Kompendium angelegte Geschichte der Antikerezeption aus der Feder des an der Universität Jena lehrenden Altphilologen Volker Riedel nichts. Ganz so sicher wie einst Odysseus den mittleren Kurs zwischen Skylla und Charybdis genommen hatte, steuert das Buch nicht immer hindurch zwischen den Gefahren allzu telefonbuchartiger Aufzählung von Namen und Werktiteln hie und des Versinkens im bloß interessanten, aber isolierten Detail dort. Indes ist man dem Verfasser zu Dank verpflichtet, daß er nach rund 150 Jahren - 1854/56 erschien die "Geschichte der deutschen Poesie nach ihren antiken Elementen" von Carl Leo Cholevius - allen Schwierigkeiten zum Trotz den überfälligen Versuch einer Gesamtdarstellung der Antikerezeption in der deutschen Literatur gewagt und oft auch die angemessenen Proportionen gefunden hat.

Zu Recht etwa nimmt Riedel die in den zwanziger und dreißiger Jahren gleich schockweise auf den Markt geschleuderten historischen Romane zur Antike nur summarisch in den Blick, die von Sympathisanten der Nationalsozialisten stammen, wie etwa Mirko Jelusichs "Caesar" oder "Hannibal", Franz Spundas "Romulus" oder Hans Heycks "Sulla". Ist ihnen allen doch gemeinsam, daß sie ideologisch aus Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" gespeist sind und kurz vor oder bald nach der Machtübernahme Hitlers den Kult des Führertums besonders emphatisch propagiert haben. Ausführlicher verweilt Riedel dagegen zum Beispiel bei Ödön von Horváths zeitkritischer Komödie "Pompeji" und ihrer Vorstufe, der Posse "Ein Sklavenball" von 1938, die mit Motiven aus den römischen Lustspielen des Plautus satirisch die gesellschaftlichen und rassistischen Vorurteile der Nazis ebenso bloßstellt wie ihr Frauenbild. Freilich, der Ausdruck "Spätwerk" für das letzte Stück zeugt von allzu flüchtiger Feder, wenn er auf den 1901 geborenen und schon 1938 durch einen Blitzschlag umgekommenen Horváth bezogen wird.

Aus pragmatischen Gründen - vor allem wegen der Fülle des Stoffes - spart Riedel die mittelalterliche Rezeption der römischen Antike ganz aus und setzt erst bei den frühhumanistischen Autoren wie Albrecht von Eyb, Peter Luder, Heinrich Steinhöwel und Rudolf Agricola ein. Nicht einleuchten will jedoch, daß die Übersetzung der "Metamorphosen" des Ovid durch Albrecht von Halberstadt nicht einmal erwähnt werden. Die Übertragung ist zwar schon um 1200 entstanden, ist aber, von ein paar Fragmenten abgesehen, nur dank der eingreifenden Überarbeitung durch den Colmarer Dichter Jörg Wickram von 1544 zu fassen. Allzu schematisch mutet die Periodisierung an, welcher der Aufbau des Buches folgt: Ob Humanismus, Barock, Aufklärung oder Romantik, immer unterscheidet Riedel Früh-, Hoch- und Spätphase. Besonders dicht ist die Antikerezeption der DDR dargestellt, über die Riedel selbst während seiner früheren Tätigkeit an der Akademie der Künste der DDR zahlreiche Vorstudien veröffentlicht hat. Die Wahl antiker Stoffe, die ungebildeten politischen Kadern suspekt und unerwünscht war, galt durch Brecht als gerechtfertigt und wurde von kritischen Autoren als Mittel genutzt, unbequeme Wahrheiten auszusprechen beziehungsweise sie wenigstens anzudeuten.

Angesichts der Fülle an Informationen mahnt das römische Sprichwort "facile est inventis addere" den Kritiker zur Zurückhaltung. Nicht aus Beckmesserei also die folgenden Ergänzungen, sondern zum Beleg der Weite des Gegenstandes: Bereits in den fünfziger Jahren hat der Leipziger Ägyptologe Siegfried Morenz darauf hingewiesen, wie stark Emanuel Schikaneder für das "Zauberflöten"-Libretto auf das Isis-Buch des Romans "Der Goldene Esel" von Apuleius zurückgegriffen hat. Der um 310 in Burdigala (Bordeaux) geborene Dichter und Rhetoriklehrer Ausonius, der eine Zeitlang als Prinzenerzieher am weströmischen Kaisersitz zu Trier wirkte, mag trotz seiner "Mosella", einem Preisgedicht auf den Fluß zwischen den Weinbergen, hierzulande kaum noch bekannt sein. In den Kontext der Antikerezeption gehört er durch die bei aller Rhetorik anmutigen Gedichte auf das erst geraubte, dann freigelassene Schwabenmädchen Bissula. Er gab Felix Dahn die Anregung zu dem Buch "Bissula" (1883), einem von dreizehn dickleibigen Bänden, die der Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel unter dem reichlich untertreibenden Titel "Kleine Romane aus der Völkerwanderungszeit" in einer Serie zusammenschloß. Martin Opitz und Lessing befaßten sich des näheren mit Ausonius, Herder staunte über seine Nachwirkung, und Goethe erbat sich 1812 in einem Brief an den - bei Riedel nur eben erwähnten, in seiner Bedeutung aber nicht gewürdigten - Lukrez-Übersetzer Karl Ludwig Knebel die deutsche Version eines Epigramms von Ausonius, weil ihn ein dort erwähntes Gift interessierte. Freilich, man ist schon etwas verstimmt, wenn man des öfteren mehr Informationen als bei Riedel in den knappen Ausblicken auf die Nachwirkung einzelner Autoren und Werke in der stupenden, für jedes Studium unentbehrlichen "Geschichte der römischen Literatur" von Michael von Albrecht findet.

Die Anforderungen an die Kenntnis der beiden antiken Sprachen und zugleich an extensive und intensive Belesenheit in modernen Literaturen legen die Schwelle sehr hoch beim Gegenstand der Antikerezeption. Die kleine Zahl von Forschern, die sich ihr widmen, hat daher stets einen deutlichen Kontrast zu ihrer historischen Bedeutung gebildet. Die größeren Untersuchungen oder Darstellungen zum Thema sind daher fast alle von Altphilologen oder Komparatisten geschrieben worden. Zwar sind die Arbeiten von Wolfgang Schadewaldt zur Wirkung Homers oder seine Studien zu Winckelmanns, Goethes, Hölderlins und Richard Wagners Beschäftigung mit dem Altertum so unübertroffen und unersetzt wie die Untersuchungen Horst Rüdigers zur Antikerezeption der Humanisten, doch sei nicht vergessen, daß allen Monita zum Trotz das Unternehmen von Riedel einer "Argonautenfahrt" gleicht, deren mühselige Etappen Apollonios von Rhodos in seinem Epos besungen hat. Auf ein Wort des hellenistischen Dichters beruft sich der - von Riedel übersehene - Gegenwartsautor Raoul Schrott in seinem Buch "Hotels", wo er den Zufall preist, der rettend die Absicht der Menschen durchkreuzt: "Unser Schiff hier wäre zu Stücken zerschlagen worden, bevor es noch Land erreichen könnte, wenn nicht die Flut es vom tiefen Meer hereingetrieben hätte."

HANS-ALBRECHT KOCH.

Volker Riedel: "Antikerezeption in der deutschen Literatur von Renaissance-Humanismus bis zur Gegenwart". Eine Einführung. J. B. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2000. 522 S., geb., 98,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Seinen Respekt erweist Rezensent Hans-Albrecht Koch dem Jenaer Altphilologen Volker Riedel, der sich "nach rund 150 Jahren" und "allen Schwierigkeiten zum Trotz" an diesen überfälligen Versuch einer Gesamtdarstellung der Antikenrezeption in der deutschen Literatur gewagt habe. Dabei habe Riedel oft auch "die angemessene Proportion" gefunden: etwa was das lediglich summarische In-den-Blick-Nehmen der in den 20er und 30er Jahren "gleich schockweise auf den Markt geschleuderten" historischen Romane betrifft. Oft allerdings, mäkelt Koch, steuere das Buch nicht so sicher "zwischen den Gefahren allzu telefonbuchartiger Aufzählung von Namen und Werktiteln" und dem "Versinken in bloß interessanten, aber isolierten Details" hindurch. Besonders dicht fand Koch die Antikenrezeption der DDR dargestellt. Schmerzlich hingegen klingt die Feststellung des Rezensenten, dass Raoul Schrotts Buch "Hotels" von Riedel übersehen wurde. Angesichts der Fülle von Informationen und der Anforderung, beide antike Sprachen zu kennen, fühlt er sich dann aber an das römische Sprichwort "facile est inventis addere" gemahnt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Riedel gebührt hohe Anerkennung für dieses Buch, das er bescheiden 'Einführung' nennt; man kann es getrost als 'Handbuch' bezeichnen, das Klassischen Philologen, Germanisten, Theaterwissenschaftlern u.a. sehr gute Dienste leistet." - Gymnasium

"Es ist eine Literaturgeschichte besonderer Art entstanden, hilfreich und nützlich, sachlich und gut lesbar." - Weimarer Beiträge